Spannung wie lange nicht mehr vor dem «deutschen Clasico»

Deutscher Clasico, Klassiker, Spitzenspiel - Bayern gegen BVB ist das Spitzenprodukt der Bundesliga. Alle Kennzahlen weisen die Clubs als die großen zwei aus. Vieles spricht dafür, dass sie der Konkurrenz enteilen. Doch Experten sehen einen möglichen Herausforderer.
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Im «deutschen Clasico» tritt der FC Bayern als Jäger von Borussia Dortmund an.Foto:  Ina Fassbender/dpa
Epoch Times4. April 2019

Der 25. Mai 1989 liegt fast 30 Jahre zurück, aber an eine Sache erinnert sich Christoph Daum noch genau: „So eine Stimmung hatten wir schon lange nicht mehr.“

Als der damals 35 Jahre alte Trainer des 1. FC Köln um kurz vor 20 Uhr das Müngersdorfer Stadion betritt, fiebern fast 60.000 Zuschauer im Flutlicht dem Duell mit dem FC Bayern München entgegen. Verlieren die zweitplatzierten Kölner, dann wären die Bayern auf dem Weg zu ihrem nächsten Meistertitel kaum noch zu stoppen. Zwei Punkte trennen beide Teams, für einen Sieg gibt es zu der Zeit eben diese zwei Zähler. Die Spannung ist so groß wie aktuell vor dem Topspiel zwischen dem Rekordmeister und Borussia Dortmund am Samstag (18.30 Uhr/Sky). „Dieses Spiel damals hatte eine Riesenbrisanz“, erinnert sich Daum.

Schon Wochen vorher hatte sich Daum mit verbalen Attacken auf seinen Münchner Kollegen Jupp Heynckes eingestimmt, die Öffentlichkeit feierte den „Cassius vom Rhein“ für seine Sprüche, Bayerns Manager Uli Hoeneß reagierte wütend und schoss zurück. Doch den Vergleich zwischen Einst und Jetzt lässt Daum nur bedingt zu: „Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Fußballs hat sich seitdem enorm gesteigert. Damals wurde die Bundesliga ja beispielsweise noch lange nicht im Ausland vermarktet.“

Die mediale Wucht ist eine ganz andere als in den vergleichsweise beschaulichen 80ern. Der „deutsche Clasico“, wie er in Anlehnung an die ungleich länger währende spanische Dauerschleife mit Real Madrid und FC Barcelona genannt wird, wird in 205 Länder übertragen, 16 internationale TV-Sender berichten mit eigenen Teams aus der Allianz Arena. 25 Kameras für die Übertragung eines Bundesliga-Spiels bedeuten nach Angaben der Deutschen Fußball Liga (DFL) einen Höchstwert. Für spektakuläre Aufnahmen sollen eine Drohne und eine Flycam sorgen. Erstmalig wird hinter den Toren eine fernbediente Mini-Ultra-Slowmotion-Kamera eingesetzt, deren Blickwinkel unmittelbar durch das Tornetz ausgerichtet ist.

Der FC Bayern tritt als Jäger an, seit er die Spitzenposition am vergangenen Samstag mit dem 1:1 in Freiburg räumte und den durch zwei Treffer in der Nachspielzeit gegen den VfL Wolfsburg erfolgreichen BVB wieder vorbeiziehen ließ. Seit Jürgen Klopps BVB-Zeiten steckte im bayerisch-westfälischen Vergleich nicht mehr so viel Brisanz. Im April hatten sich die Münchner zuletzt stets deutlich von der nationalen Konkurrenz entfernt. Ähnlich knapp war es im Titelkampf sieben Runden vor Schluss zuletzt vor neun Jahren, als der Rekordmeister nur einen Punkt vor dem FC Schalke 04 lag.

Alle wesentlichen Kennzahlen weisen die FC Bayern München AG und die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA als die führenden Kräfte im deutschen Vereinsfußball aus. Von 3,81 Milliarden Euro Umsatz aller Bundesligisten entfielen in der vergangenen Spielzeit die mit Abstand dicksten Batzen auf München (657 Millionen Euro) und Dortmund (539 Millionen Euro). In der Währung der Social-Media-Nutzung standen laut Fachmagazin „werben & verkaufen“ auf allen Kanälen die beiden an der Spitze des Liga-Rankings. Dasselbe Bild zeigen nach Analysen des Portals „Meedia“ die Zugriffszahlen beim Abo-Sender Sky.

Enteilen die beiden Branchenführer angesichts ihrer Dauerpräsenz in der kassenfüllenden Champions League, ihres wirtschaftlichen Potenzials und des Lehrsatzes „Geld schießt Tore“ dem Rest der Liga? Wird es auf Jahre hinaus keinen anderen Meister geben, als die beiden Clubs die seit Felix Magaths Überraschungserfolg mit den Wolfsburgern 2009 keinem anderen mehr die Schale überließen?

Der 80-Millionen-Euro-Rekordtransfer des Franzosen Lucas Hernández und die angekündigte Transferoffensive lassen das zumindest mit dem Blick auf München vermuten und Clubs wie etwa Hannover 96 (Manager Horst Heldt: „Für uns ist das ein Jahresumsatz“) verzweifeln. BVB-Präsident Reinhard Rauball übt sich hingegen in Understatement und lässt viel Interpretationsspielraum: „Ich kenne die Dimension nicht, die die Bayern anstreben.“ Seine sportliche Leitung werde Investitionen vornehmen, „wie es erforderlich ist, angepasst an die finanziellen Möglichkeiten“.

Der ehemalige Fußball-Weltmeister Paul Breitner hofft zumindest, dass die Konkurrenz wieder näher kommt. „Eigentlich geht es darum, dass von den anderen 16 endlich einmal zwei oder drei einen großen Schritt nach vorn machen“, sagte der 67-Jährige. „Um zu sagen: Hallo Herrschaften, vielleicht werden wir irgendwann mal der lachende Dritte.“ Doch die alten Bayern-Rivalen sind weit weg. Schalke steckt mal wieder in der Krise, der Hamburger SV in Liga zwei, Bremen berappelt sich gerade erst wieder, und in Leverkusen träumt Sportvorstand Rudi Völler seit bald zwei Jahrzehnten vergeblich davon, „da zu sein, wenn die Bayern mal schwächeln“. In der Hinrunde blühten die Träume von einer Neuauflage des Retro-Duells zwischen Borussia Mönchengladbach und den Bayern.

Der einstige Bayern-Profi Breitner setzt auf größere Investitionen bei RB Leipzig. Auch für BVB-Präsident Reinhard Rauball sind die Sachsen ein Anwärter für die erste Reihe: „Ich bin ziemlich überzeugt, dass Vereine wie RB Leipzig, wie Eintracht Frankfurt das Potenzial schon jetzt haben, um sehr nahe oben heranzurücken.“

Vor 30 Jahren gewannen die Bayern das Spitzenspiel in Köln übrigens mit 3:1 durch drei Treffer von Roland Wohlfarth. Nach 31 Spieltagen war damit der Weg frei zum Meistertitel – und der FC zwei Jahre später als ein weiterer ambitionierter Bayern-Rivale verschlissen. (dpa)



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