Ronaldo vor der Richterin: System der Gier droht Einsturz

Am Montag wird Superstar Cristiano Ronaldo vor Gericht in seiner Steueraffäre angehört. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm die Hinterziehung von 14,7 Millionen Euro vor. Doch die «Football Leaks»- Enthüllungen zeigen: Dahinter steckt mehr als nur ein «Fall Ronaldo».
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Cristiano Ronaldo muss sich wegen Vorwürfen der Steuerhinterziehung vor Gericht verantworten.Foto: Sven Hoppe/dpa
Epoch Times28. Juli 2017

Ein Unternehmen in Irland. Eine Briefkastenfirma in der Karibik. Ein Konto in der Schweiz. Durch dieses Geflecht hat der bekannteste und bestbezahlte Fußballer der Welt jahrelang Millionen und Abermillionen an Werbeeinnahmen geschleust.

Am 31. Juli wird Cristiano Ronaldo deshalb in Madrid von einer Ermittlungsrichterin angehört. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Superstar von Real Madrid die Hinterziehung von rund 14,7 Millionen Euro an Steuern vor.

Ronaldo selbst bestreitet das. Er ließ über seine Anwälte erklären, ein legales Konstrukt unterhalten, zumindest aber nicht absichtlich Steuern hinterzogen zu haben. Nach dieser Anhörung wird sich entscheiden, ob dem 32-Jährigen der Prozess gemacht wird, oder ob er noch einmal aus dieser Sache herauskommt – sei es durch einen Deal mit den Behörden oder durch die Einstellung der Ermittlungen.

So oder so handelt es sich dabei aber nicht bloß um einen „Fall Ronaldo“. Seine Steueraffäre legt den Blick frei auf die gigantischen Millionenbeträge, die im Fußball fließen, auf die Gier der Protagonisten, auf den gefährlichen Einfluss seines Berater Jorge Mendes. All das wird von der Internetseite „Football Leaks“ sowie dem Magazin „Der Spiegel“ seit Monaten enthüllt und in dem Buch „Football Leaks. Die schmutzigen Geschäfte im Profifußball“ beschrieben.

Am 27. Juni sagte bereits der Spieleragent Jorge Mendes vor Gericht in Madrid aus. Er arbeitet mit Ronaldo zusammen, seit dieser 16 Jahre alt ist. Sinngemäß erzählte Mendes der Richterin: Er handele mit den Vereinen nur die Gehälter seiner Spieler aus. Für eine steuerliche Beratung oder die Gründung anderer Unternehmen habe er keine Zeit.

Fakt ist jedoch: Wer mit Ronaldo werben will, wer sein Gesicht für eine PR-Kampagne oder nur für die kleinen, berühmten Stickerbilder der Fußballstars verwenden will, musste die entsprechenden Verträge bis 2014 mit einer Firma in Irland abschließen. Mehrheitsaktionär dieser Firma: Jorge Mendes. Geschäftsführer: Mendes‘ Neffe.

Die Firma in Irland behielt nach Abschluss jedes Vertrages aber nur eine Provision für sich ein und leitete das Geld auf die Britischen Jungferninseln weiter. Dort saß eine Briefkastenfirma, die ein Konto in der Schweiz besaß und an die Ronaldo bis 2014 seine Bild- und Werberechte abtrat. Mehr als 70 Millionen Euro flossen auf diesem Weg zwischen 2009 und 2014 in die Karibik. Der Unternehmenssteuersatz auf den Britischen Jungferninseln liegt bei null Prozent.

„Es ist doch wirklich nicht nötig, Steuern zu hinterziehen, wenn man so viel Geld verdient“, sagte Aleksander Ceferin, Präsident der europäischen Fußball-Union UEFA, dem „Spiegel“. Der internationale Druck auf solche Steueroasen nimmt zwar zu. Trotzdem meint auch Finanzminister Wolfgang Schäuble: „Das ist ein Kampf gegen Hydra.“

Denn auch die „Football Leaks“-Enthüllungen zeigen: Hinter dem Modell Ronaldo steckt System. Im Juni erstattete die Staatsanwaltschaft in Madrid auch Anzeige wegen Steuerhinterziehung gegen den Startrainer José Mourinho. Sein Konstrukt: Eine Offshore-Firma in der Karibik. Sein Berater: Jorge Mendes. Kurz danach erschien auch der Stürmer Radamel Falcao vor Gericht und zahlte an den spanischen Fiskus mehr als acht Millionen Euro nach. Sein Berater: ebenfalls Jorge Mendes.

Die Ermittlungen gegen James Rodríguez laufen in Spanien derzeit noch. Der Mendes-Klient ist gerade von Real Madrid zu Bayern München gewechselt. Doch es gibt auch noch Pepe, Fabio Coentrao oder Angel di María: Sie alle spielten für Real Madrid, sie alle unterhielten eine Briefkastenfirma in der Karibik, sie alle zahlten Millionenbeträge an den Staat zurück und sie alle werden beraten von: Jorge Mendes. „Er ist der Mann, der Spieler schwindelerregend reich macht. Aber bei dem sie auch zu Zockern werden“, schrieb der „Spiegel“ über ihn.

Berührungsängste mit dem früheren Video-Verleiher und Nachtclub-Betreiber hat im europäischen Fußball niemand. Im Gegenteil: Mendes vermittelte zuletzt James Rodriguez und Renato Sanches an den FC Bayern, di Maria an Paris Saint-Germain, Nelson Semedo an den FC Barcelona, André Silva an den AC Mailand, Ederson und Bernardo Silva an Manchester City, Pepe an Besiktas Istanbul.

Laut „Football Leaks“-Enthüllungen dirigieren Jorge Mendes und der frühere Manchester-United-Direktor Peter Kenyon einen Fonds, der über Jahre an den Transferrechten von Fußball-Profis beteiligt war und besonders an den lukrativen Spielerverkäufen von Atletico Madrid partizipierte. 2014 und 2016 hieß das Champions-League-Finale Real gegen Atlético. Einige wichtige Real-Spieler beriet Mendes direkt, an einigen von Atlético verdiente er. So viel zu seinem Einfluss.

Das neueste Modell des 51 Jahre alten Portugiesen und seiner Beraterfirma „Gestifute“ ist eine Art Rundum-Paket, bei dem Geschäftspartner oder Freunde von Mendes ganze Clubs aufkaufen und dann aus dem Portfolio des Agenten mit Spielern und Trainern versorgt werden. So passiert mit dem ruhmreichen FC Valencia in Spanien oder den Wolverhampton Wanderers in der zweiten englischen Liga.

Ronaldo und Mendes haben in den vergangenen Wochen viel versucht, um in ihrer Steueraffäre aus der Defensive zu kommen. Mal gaben sie sich demonstrativ gelassen, mal drohten sie mit Ronaldos Weggang von Real Madrid. Am Montag steht aber nicht nur ein prominenter Fußballer vor einer Richterin, sondern das gesamte System Ronaldo/Mendes auf dem Spiel. Im Fall eines Prozesses droht „CR7“ eine Haftstrafe und dem gesamten Fußball ein riesiges Imageproblem: Denn schon 2016 wurde mit Lionel Messi ein Superstar wegen Steuerhinterziehung verurteilt.

HINTERGRUND: Football Leaks und andere Enthüllungen

Vertrauliche oder geheime Dokumente, die gezielt ans Licht der Öffentlichkeit gebracht werden, haben schon mehrfach für Aufregung gesorgt. Beispiele für solche Leaks (Lecks):

FOOTBALL LEAKS ist ein Enthüllungsportal, das Interna aus Verträgen internationaler Fußballprofis ins Netz stellt. Die Betreiber – nach eigenen Angaben Fußballfans aus Portugal – wollen damit zu mehr Transparenz in das oftmals undurchsichtige Fußballgeschäft zwingen. Das Magazin „Spiegel“ berichtete Ende 2016 über fragwürdige Steuersparmodelle von vorwiegend in Spanien tätigen Fußballstars, nachdem es zusammen mit einem europäischen Recherchenetzwerk 18,6 Millionen von Football Leaks zur Verfügung gestellte Dokumente ausgewertet hatte. Zu den Betroffenen zählte auch Cristiano Ronaldo.

WIKILEAKS ist eine Enthüllungsplattform von Politaktivisten im Internet. Treibende Kraft hinter der 2006 gegründeten Gruppe ist der Australier Julian Assange. Für Aufsehen sorgte die Website erstmals 2010 mit der Veröffentlichung Hunderttausender, zumeist geheimer US-Dokumente über die Kriege in Afghanistan und im Irak. Zudem sorgte die Offenlegung vertraulicher US-Botschaftsdepeschen für internationale Spannungen. Zuletzt kam die Plattform in die Kritik, als sie 2016 in der heißen Phase des US-Wahlkampfs E-Mails aus dem Umfeld der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton öffentlich machte.

LUXLEAKS brachte Steuersparmodelle in Luxemburg in Verruf. Deutsche und internationale Medien berichteten Ende 2014 nach Auswertung von 28 000 Seiten umfassenden Dokumenten über zweifelhafte Steuerabsprachen von Konzernen mit Luxemburgs Finanzbehörde. Die Veröffentlichungen trugen dazu bei, dass in der Europäischen Union Steuertricksereien erschwert wurden.

PANAMA PAPERS steht für interne Unterlagen eines panamaischen Finanzdienstleisters. Im Frühjahr 2016 deckte ein internationales Medien-Netzwerk um die „Süddeutsche Zeitung“, das die ihm zugespielten Dokumente ausgewertet hatte, gut 200 000 Briefkastenfirmen in Panama auf. Das gewaltige Datenleck brachte zahlreiche internationale Politiker, Sportler und andere Prominente mit Offshorefirmen in Verbindung. Unklar blieb, ob damit Straftaten verbunden waren. Die Panama Papers führten zu weltweiten Ermittlungen. Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) verstärkten ihre Anstrengungen, Steueroasen trocken zu legen. (dpa)



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