Olympiarückblick (Teil 1): Proteine, Park und Pappe – Goldmedaillen aus Silber

Kritik aus dem Olympischen Dorf, ein Surfer der vielleicht bald im Louvre hängt und ein DJ als Streitschlichter am Fuße des Eiffelturms. Ein unvollständiger Rückblick auf die Olympischen Sommerspiele in Paris 2024 in Kurznachrichten, Teil 1.
Titelbild
Der türkische Schütze Yusuf Dikec wurde unfreiwillig zu DEM Athleten (und Meme) der Olympischen Sommerspiele.Foto: Yasin Akgul/AFP via Getty Images
Von 17. August 2024

Olympischer Fahrradverleih

Ese Lovina Ukpeseraye erfuhr erst in Paris, dass sie nicht nur im Radrennen auf der Straße antritt, sondern auch im Velodrom im Bahn-Rad-Wettbewerb in Saint-Quentin-en-Yvelines. Der nigerianische Radsportverband hatte sie nominiert. Ihr fehlte allerdings ein olympiataugliches Rad, diese gibt es in Nigeria nicht. Der Bund Deutscher Radfahrer half spontan aus: Die Bahnradsportlerin erhielt eine Hightech-Rennmaschine, die den olympischen Normen entsprach. Die Afrikameisterin von 2023 im Straßenrennen und Nigerias erste Olympiastarterin im Radsport führte kurzzeitig ihre Sprintgruppe an. Für eine Medaille reichte es am Ende leider nicht.

Sturm auf das Spielfeld

Für den ersten Eklat der Olympischen Sommerspiele sorgte nicht etwa die Eröffnungsfeier, sondern das Vorrundenspiel der Fußballherren zwischen Argentinien und Marokko am 24. Juli. In der 16. Minute der Nachspielzeit gelang Argentinien der Ausgleich zum zwei zu zwei. Während der Videoschiedsrichter das Tor noch prüfte, stürmten marokkanische Zuschauer aus Wut über die lange Nachspielzeit – und das dadurch ermöglichte Remis – den Platz. Im Glauben, der Platzsturm habe das Ergebnis besiegelt, verließen die Spieler den Rasen. Letztlich wurde Argentinien das Tor aberkannt und die Partie nach zweistündiger Unterbrechung vor nahezu leeren Rängen für drei Minuten zu Ende gespielt. Vier Stunden nach Anpfiff blieb es beim zwei zu eins für Marokko.

Einmal bei Olympia auf dem Fußballplatz stehen … Nach einem später aberkannten Ausgleichstreffer Argentiniens stürmen marokkanische Fans das Feld. Nach über zwei Stunden Unterbrechung wurde das Spiel praktisch ohne Zuschauer und ohne weitere Tore beendet. Foto: Tullio M. Puglia/Getty Images

Goldmedaillen aus Silber

5.084 Medaillen hat die Pariser Münzprägeanstalt für die Olympischen Sommerspiele 2024 gefertigt, 2.272 wurden bislang vergeben. Entworfen von Juwelier Chaumet, haben sie einen Durchmesser von 85 Millimeter, sind 9,2 Millimeter dick und wiegen 529 Gramm (Gold), 525 Gramm (Silber) oder 455 Gramm (Bronze). Dabei bestehen lediglich die Silbermedaillen aus besagtem Edelmetall. Für die Goldmedaille wurde ebenfalls 394 Gramm Sterlingsilber verwendet und mit sechs Gramm 24-karätigem Gold überzogen. Der Rest des Gewichts entfällt auf ein Stück vom Eiffelturm, welches alle Medaillen ziert und als Hexagon die Geografie Frankreichs aufgreift. Die Bronzemedaillen bestehen aus einer Mischung aus Kupfer und Zink mit einem rosé-goldenen Finish. Obwohl auch die Goldmedaillen somit einen Materialwert von nur etwa 878 Euro haben – 400 Gramm pures Gold wäre etwa 32.000 Euro wert – haben sie für die siegreichen Sportler einen unschätzbaren ideellen Wert.

Die perfekte Welle

Spektakulärer Abstieg vom Brett: Nach einer nahezu perfekten Welle „steht“ Gabriel Medina lässig im Himmel. Trotz olympischem Rekord – die Preisrichter gaben ihm für diese Welle 9,9 von 10 Punkten – in der Vorrunde reichte es für den brasilianischen Surfer am Ende nur für Bronze. Mit dem Kommentar „hängt es in den Louvre“ machte das Bild in den sozialen Medien die Runde. Das Museum antwortete, man „denke darüber nach“. Foto: Jerome Brouillet/afp via Getty Images

Proteine, Park und Pappe

Im Sinne der Nachhaltigkeit sollten 60 Prozent der Mahlzeiten im Olympischen Dorf fleischlos sein. Gerade für Leistungssportler sei dies die falsche Entscheidung, kritisierte der britische Schwimmer Adam Peaty (Silber über 100 Meter Brust der Herren): „Es gibt nicht genug Protein-Optionen und die Warteschlangen sind zu lang, weil es kein System gibt.“ Andere Athleten berichteten seiner Aussage nach, Würmer im Essen gefunden zu haben. Die britische Mannschaft ließ schließlich einen eigenen Koch einfliegen. Auch die Unterbringung sorgte für Kritik, teils in Form von Taten: So übernachtete der italienische Schwimmer Thomas Ceccon kurzerhand unter freiem Himmel in einem Park, das sei immer noch bequemer als die aus harter Pappe gefertigten und zu kleinen Betten. Unter anderem die Tennis-Damen der USA suchten sich auf eigene Faust Hotelzimmer und die kanadische Mannschaft kaufte Kissen und Matratzenauflagen.

100 Gramm zu schwer

Vinesh Phogat galt als große Hoffnung der Olympischen Spiele, da sie die erste indische Ringerin in einem olympischen Finale war. Phogat schaffte es im Halbfinale des 50-Kilogramm-Freistilringens, die Kontrahentin aus Kuba zu besiegen, zog aber dennoch nicht ins Finale ein. Der Grund: Am Wettkampfmorgen wog sie 100 Gramm mehr als erlaubt. Es folgte die Disqualifikation und der Traum von einer olympischen Medaille platzte. Medien zufolge sollen Trainer und Athletin nichts unversucht gelassen haben, um das „Übergewicht“ zu reduzieren. Zu diesen, teils drastischen Maßnahmen soll eine schlaflose Nacht voller Training, kein Essen und Trinken, Blutentnahme und Haare abschneiden gehört haben. Am Ende entpuppten sich diese als nutzlos und hinterließen eine geschwächte und dehydrierte Sportlerin, die nach einem Schwindelanfall und Bewusstlosigkeit medizinisch behandelt werden musste. Gegen die Disqualifikation wurde inzwischen Einspruch eingelegt – das Ergebnis steht noch aus.

Olympia in einem Bild

Usain Bolt machte den Blitz, Yusuf Dikec war einfach nur Yusuf, Luftpistolenschütze aus dem Team Türkei. Auf die Frage im Training, wo seine Spezialausrüstung (Gehörschutz, Visier, …) sei, antwortete er, dass er als „Naturmensch“ keine braucht, woraufhin man ihn ausgelacht haben soll. Spätestens als er – immer noch ohne Spezialausrüstung – mit der Luftpistole auf 10 Meter die Silbermedaille gewann, verstummte das Lachen. Seine coole Reaktion und Pose sind schon jetzt legendär und machten ihn augenblicklich zum Star im Internet und im Stadion. Athleten imitierten seine Pose nach ihren Rennen, unter anderem die 4-x-100-Meter-Staffel der südafrikanischen Läufer (Silber) sowie der schwedische Stabhochspringer Armand Duplantis (Gold + Weltrekord). Auch auf der Berliner Mauer ist er als Graffiti schon verewigt.

Ein Vorbild und seine Nachahmer. Foto: v.l.n.r. Andrej Isakovic/AFP via Getty Images, Yasin Akgul/AFP via Getty Images, Cameron Spencer/Getty Images, Collage: ts/Epoch Times

Erste Medaillen

Am 3. August holten Sportler der karibischen Inseln Dominica und St. Lucia die ersten Medaillen der Geschichte ihrer Länder. Sowohl die dominikanische Dreispringerin Thea LaFond-Gadson als auch die lucianische Sprinterin Julien Alfred sprangen und liefen in ihren Disziplinen auf Gold. Die erste Medaille seines Landes holte auch David de Pina mit Bronze im Boxen für den afrikanischen Inselstaat Kap Verde. Geschichte schrieb auch die ägyptische Fechterin Nada Hafe. Auf Instagram verkündet sie nach ihrem Ausscheiden im Achtelfinale, dass sie im siebten Monat schwanger sei: „Was für Sie wie zwei Spieler auf dem Podium aussieht, waren in Wirklichkeit drei! Es waren ich, meine Konkurrentin und mein noch ungeborenes kleines Baby!“ Zu einer Medaille hat es für sie letztlich nicht gereicht, andernfalls wäre ihr Nachwuchs vermutlich der oder die jüngste Olympiasieger(in) aller Zeiten.

DJ wird zum Streitschlichter

Im Beachvolleyball kochten die Gefühle der Finalistinnen aus Brasilien und Kanada über. Mitten im dritten und entscheidenden Satz führten zwei Spielerinnen am Netz über mehrere Minuten einen hitzigen Schlagabtausch. Der Grund: Eine jubelnde Geste zur Familie auf der Tribüne, die von der Gegnerin als verhöhnende Geste aufgefasst wurde. Obwohl der Schiedsrichter versuchte, die beiden Streithennen zu beruhigen, war es der DJ im Stadion, der für Frieden sorgte: indem er „Imagine“ von John Lennon spielte. Die Menschen im Publikum schwenkten die Arme und sangen laut mit. Und die beiden Spielerinnen? Die beendeten zunächst lächelnd ihren Streit und das Spiel wurde fortgesetzt. Nach dem Ende der Partie kam es zu einer Aussprache der beiden – das Missverständnis wurde aufgeklärt. Beide umarmten sich und feierten gemeinsam schließlich auf dem Podium ihre Gold- und Silbermedaille.

Der zweite Schiedsrichter versucht zwischen den Beachvolleyballerinnen aus Brasilien und Kanada zu vermitteln, beeindruckt die Finalistinnen jedoch wenig. Erfolgreicher war der Stadion-DJ indem er John Lennons „Imagine“ auflegte, woraufhin die Zuschauer Smartphones zückten und mitsangen. Wie sich nach Spielende herausstellte, beruhte der Streit auf einem Missverständnis. Foto: Michael Reaves/Getty Images

Steuern auf Preisgelder

Athleten müssen in Deutschland Steuern auf ihre Prämien bei den Olympischen Spielen zahlen. Hierzulande erhalten Medaillengewinner von der Deutschen Sporthilfe zudem eine einmalige Prämie, die versteuert werden muss: 20.000 Euro für Gold, 15.000 Euro für Silber und 10.000 Euro für Bronze. Diese Prämien gelten als steuerpflichtiges Einkommen. Die steuerliche Belastung hängt vom individuellen Einkommensteuersatz des Sportlers ab. Dies bedeutet, dass die tatsächliche Nettoauszahlung der Prämien durch die Steuerpflicht reduziert wird.

„Schneller, höher, stärker“

21-mal mussten die ewigen Bestenlisten bei den Olympischen Sommerspielen korrigiert werden. Wortwörtlich ins Schwarze traf dabei die koreanische Bogenschützin Lim Si-hyeo, die noch vor der offiziellen Eröffnung einen neuen Weltrekord aufstellte. Gleich achtmal fielen die Weltrekorde im Bahnradsport, von acht Rekorden in dieser Disziplin gingen dank Lea Friedrich und dem Sprint-Team der Damen zwei nach Deutschland. Weitere Bestleistungen gab es im Stabhochsprung der Herren (6,25 Meter) im Speed-Klettern der Herren an der 15 Meter hohen Kletterwand (4,74 Sekunden) und im Schwimmen über 100 Meter Freistil der Herren (46,4 Sekunden). Weil ein Großteil der Rekorde aus den Vorrunden stammt, bedeutete ein Weltrekord nicht zwangsweise auch Gold. Gleich zweimal gelang dieses Kunststück indes dem amerikanischen Bahnradler Harrie Lavreysen und der US-amerikanischen Schwimmerin Gretchen Walsh.

Goldiger Segen vom toten Vater

Als die britische Ruderin Lola Anderson mit ihren Teamkolleginnen im Ruder-Vierer als erste die Ziellinie überquerte, flossen die Tränen des Glücks. Doch diese galten nicht nur dem Erfolg, eine Medaille geholt zu haben, sondern auch ihrem verstorbenen Vater. Schon als Teenager träumte die leidenschaftliche Ruderin eines Tages bei den Olympischen Spielen antreten und eine Medaille für England holen zu können. Diesen Wunsch verewigte die damals Zwölfjährige in ihrem Tagebuch, doch bereits kurze Zeit später war ihr dies peinlich. Also riss sie die Seite aus dem Buch und warf sie in den Müll. Ihr Vater fand sie und verwahrte heimlich die Buchseite. Sieben Jahre später, als er unheilbar an Krebs erkrankte und Lola Anderson ihr erstes WM-Gold holte, überreichte er ihr den Tagebucheintrag. Heute, fünf Jahre später, hat sich ihr Wunsch erfüllt. „Ich weiß, dass er sehr stolz auf mich wäre“, erzählt sie unter Tränen im Interview.

Lauren Henry, Hannah Scott, Lola Anderson und Georgina Brayshaw unmittelbar nach dem Überqueren der Ziellinie im Ruder-Vierer. Lola Andersons Vater, früher selbst Ruderer, konnte den Moment nicht mehr erleben, machte ihn für seine Tochter aber zu einem ganz besonderen. Foto: Justin Setterfield/Getty Images



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