Österreich: Platzsturm nach Schlusspfiff überschattet Wiener Derby – 577 Anzeigen

Zwischen den Wiener Fußball-Großklubs Rapid und Austria herrscht traditionell eine starke Rivalität. Nach Jahren der Bedeutungslosigkeit sind beide Teams gut in die Bundesliga-Saison gestartet. Die Ausschreitungen während des 343. Derbys könnten für beide unangenehme Folgen haben.
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Vor dem ersten Saisonspiel gegen RB Salzburg zünden Fans von Rapid Wien Pyrotechnik im Wiener Allianzstadion.Foto: Georg Hochmuth/APA/dpa
Von 24. September 2024

Der SK Rapid Wien hat das 343. Wiener Derby gegen Austria Wien in der österreichischen Fußball-Bundesliga am Sonntag, 22. September, mit 2:1 für sich entschieden. Damit ist der Verein nach dem 7. Spieltag vorerst Tabellenführer. Die Freude darüber könnte jedoch nicht von Dauer sein. Zum einen können nach hochwasserbedingten Spielausfällen Sturm Graz und RB Salzburg in Nachholspielen noch an den Hütteldorfern vorbeiziehen. Zum anderen drohen dem Verein aufgrund von Ausschreitungen nach dem Schlusspfiff unangenehme Konsequenzen.

Austria-Fans sollen Böller in Nachbarsektor geworfen haben

Über das Sportliche spricht schon einen Tag nach dem Spiel kaum noch jemand. Stattdessen sind 577 Anzeigen das große Thema, drei verletzte Besucher und zehn verletzte Polizeibeamte. Eine Person sei wegen schwerer Körperverletzung festgenommen worden. Kurz nach dem Schlusspfiff stürmten Fans beider Mannschaften, darunter etwa 500 „Rapid Ultras“, das Spielfeld. Es kam zu gewalttätigen Zusammenstößen, Pyrotechnik würde gezündet.

Diese war offenbar auch der Auslöser für den Platzsturm. In sozialen Medien warfen Fans beider Teams einander vor, Feuerwerkskörper in andere Sektoren geworfen zu haben. Rapid-Geschäftsführer Steffen Hofmann warf Austria-Anhängern vor, pyrotechnische Gegenstände in den „Familiensektor“ der Allianz-Arena, früher als Gerhard-Hanappi- oder Weststadion bekannt, geworfen zu haben.

Die Polizei spricht jedenfalls von „gegenseitigen Bewürfen mit pyrotechnischen Gegenständen“ zwischen beiden Fanlagern. Kritik, die Einsatzkräfte hätten zu schleppend auf die Eskalation reagiert, wiesen diese zurück. Man habe es geschafft, die Situation „in fünf Minuten unter Kontrolle zu bringen“, erklärte ein Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur APA.

Polizei übt scharfe Kritik an Verantwortlichen des SK Rapid

In der Stellungnahme übte die Wiener Polizei zudem unmissverständliche Kritik am Veranstalter. Die Verantwortlichen des SK Rapid müssten nun klären, „wie derartig viele pyrotechnische Gegenstände ins Stadion gelangen konnten“. Immerhin hätten die Behörden selbst Rundgänge mit Sprengstoffhunden und Leibesvisitationen bei Stadiongästen durchgeführt.

Der „Standard“ berichtet unter Verweis auf nicht näher genannte Augenzeugen, die Einlasskontrollen seien sehr nachlässig gewesen. Vielfach hätten diese sich auf die Frage beschränkt, ob man „eh nix Gefährliches“ mit dabeihabe. Die Polizei wies darauf hin, dass der Verein und sein Ordnerdienst für die Sicherheit im Stadion zuständig seien. Die Exekutive schreite erst ein, wenn sich ein zwingender Grund für polizeiliches Handeln ergebe.

Außerdem kritisierte ein Sprecher der Wiener Polizei, dass die Vereine kaum von ihren Rechten wie der Erteilung eines Stadionverbots Gebrauch machten. Bereits zeitnah nach dem Spiel sei es gelungen, Tatverdächtige, die am Platzsturm beteiligt waren, zu identifizieren und weitere strafbare Handlungen zu verhindern. Zurzeit würden noch weitere Videos ausgewertet.

Geldstrafen könnten sowohl Rapid als auch Austria drohen

Für Rapid könnten die Szenen unangenehme Konsequenzen haben. Immerhin steht der Verein bereits seit homophoben Vorfällen während des vorangegangenen Derbys vom Februar dieses Jahres unter Beobachtung. Es wird damit gerechnet, dass der zuständige Bundesliga-Strafsenat erst noch Material auswertet, aber sich in etwa zwei Wochen mit dem Fall befassen wird. Die Liga wird voraussichtlich am Montag oder Dienstag Anzeige erstatten.

Neben Geldstrafen – die wahrscheinlich beide Teams treffen werden – könnte ein auf Bewährung abgezogener Punkt endgültig abgezogen werden. Außerdem drohen Spiele ohne Gästefans oder gar Geisterspiele.

Die beiden Wiener Traditionsklubs Rapid und Austria haben vor allem zwischen den 1960er und den späten 1980er-Jahren den österreichischen Vereinsfußball dominiert. Zuletzt gerieten sie jedoch ins Hintertreffen gegenüber erfolgreichen Klubs aus der Provinz – vom FC Tirol in den 1990ern über Sturm Graz bis zum Abonnementmeister der 2010er und frühen 2020er-Jahre, RB Salzburg.

Wiener Klubs suchen nach Wiederanschluss an Spitzengruppe

In den ersten Runden der laufenden Saison hatten sich die Wiener Traditionsklubs unter den ersten Fünf in der Tabelle festgesetzt. Rapid gelangen sogar Siege gegen Titelverteidiger Sturm Graz und Meisterschaftsfavorit RB Salzburg. Austria Wien setzte sich unter anderem gegen Conference-League-Teilnehmer Linzer ASK durch.

Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler schloss sich der Forderung der Wiener Polizei an, die Vereine sollten verstärkt Stadionverbote aussprechen. Außerdem sei es „überlegenswert“, Gästefans bei Wiener Derbys bis auf Weiteres auszuschließen. Die Plätze müssten allerdings leer bleiben.

Austria-Trainer Stephan Helm warnte vor einer Situation, in der es „in einem Land wie Österreich zu solchen Ausschreitungen kommt“. Es könne nicht angehen, dass Menschen Angst haben müssten, ins Stadion zu gehen – insbesondere mit der Familie.

 



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