«Naive» Bayern brauchen ein reales Wunder
Trotz, Wut, Selbstanklagen. Die auch personell sehr schwer getroffenen Bayern kämpften nach dem nächsten Heim-Aussetzer gegen ihren neuen Angstgegner Real Madrid mit den Gefühlen.
Die national unantastbaren Allesgewinner mussten dem Titelverteidiger um den mit goldglitzernden Kopfhörern in die Münchner Nacht entschwindenden Weltstar Cristiano Ronaldo nach dem 1:2 (1:1) ja keineswegs zu einer finalwürdigen Champions-League-Leistung gratulieren. Sie mussten vielmehr sich selbst als „naiv“ anklagen, wie es der einzige Torschütze Joshua Kimmich am Mittwochabend tat.
„Das Wichtigste, was im Fußball zu tun ist, haben wir nicht gemacht: Tore schießen. Es ist auch Wut dabei auf uns selber“, sagte Kapitän Thomas Müller. Drastische Worte wurden nach dem Halbfinal-Hinspiel gewählt, dass vor dem Showdown in Madrid Qualitätsfragen aufwarf. „Jetzt müssen wir uns aufrichten – und dann schauen wir am Dienstag in Madrid, ob wir den Arsch in der Hose haben“, knurrte Müller.
Emotional ging es in den Katakomben der Münchner Arena zu. Hadernd und innerlich aufgewühlt trotteten auch die sprachlosen Bayern-Bosse in den Umkleidetrakt. „Es gab aber keinen negativen Kommentar in der Kabine, dass wir es verkackt haben“, sagte Niklas Süle, der „die Eiertore“ von Real beklagte und trotzig verkündete: „Ich habe so ein schwaches Real nicht oft gesehen in München. Wir können auch im Bernabéu-Stadion ein Riesenspiel machen.“ Franck Ribéry, der mit 35 Jahren nochmal viel Dampf gemacht hatte, äußerte sich martialisch: „Die Schlacht ist verloren, aber der Krieg ist nicht vorbei.“
Ein Riesenspiel gelang den Bayern auch nach dem 1:2 im Vorjahr im Viertelfinale in Spaniens Hauptstadt – zumindest bis zur Verlängerung. Ist das wiederholbar – diesmal mit Happy End? Nicht nur das Hinspielergebnis verschaffte Real „einen großen Vorteil“, wie Trainer Jupp Heynckes sagte: „Wir waren nicht effizient und haben Geschenke verteilt. Aber wir werden in Madrid alles versuchen.“
Die Ausgangsposition hat sich durch drei Verletzte radikal verschlechtert: Jérôme Boateng, Arjen Robben, Javi Martínez. Boateng erlitt eine Muskelverletzung, fällt kurz vor der WM wochenlang aus. Robben humpelte schon kurz nach Spielbeginn vom Rasen, griff sich in die Leiste. Und Martínez musste nach einem Schlag auf den Kopf runter. „Er war benebelt“, berichtete Sportdirektor Hasan Salihamidzic. „Es nimmt uns Optionen“, sagte Müller mit Blick auf das Halbfinal-Rückspiel zumindest in Bezug auf Boateng und Robben.
So mussten Durchhalteparolen bemüht werden. „Man sieht in den ganzen K.o.-Spielen der Champions League, welche verrückten Dinge passieren. Insofern ist alles offen“, sagte Müller. Juventus Turin hatte im Viertelfinale sogar 3:0 in Madrid geführt, bevor es unglücklich ausschied. AS Rom gelang ein Wunder gegen den FC Barcelona. „Da sehen Sie, dass man nie aufgeben darf“, erklärte Heynckes, der als Trainer bislang noch immer ins Endspiel der Königsklasse eingezogen ist.
Die Heynckes-Bayern hätten die Allianz Arena eigentlich als Sieger verlassen müssen. „Wir haben nicht unser bestes Spiel gezeigt“, gab Reals Weltmeister Toni Kroos zu. Ronaldo konnte sogar ausnahmsweise untertauchen, weil Marcelo und Marco Asensio nach dem Münchner 1:0 von Kimmich das Toreschießen erledigten. „Sie haben zweimal nach unseren Fehlern getroffen, aber so sind sie nun mal!“, bemerkte der von Real ausgeliehen James Rodríguez über seine Ex-Kollegen. Bei Bayern versagte allen voran Robert Lewandowski. Der Torjäger vergab zwei Großchancen. Ohne ein Wort verließ er verärgert die Arena.
Ein Pechtag? Oder mehr? Real bot ungewohnt viel an, die Bayern aber nahmen das nicht an. Bayern bot defensiv wenig an, aber Real nahm das dankbar an. „Real ist eiskalt“, sagte Salihamidzic anerkennend. „Wenn eine Mannschaft gefühlt zweimal aufs Tor schießt und es zweimal klingelt, ist das Qualität“, urteilte Kimmich. „Das Ergebnis ist glücklich, aber die Tore musste halt machen“, bemerkte Kroos.
„Wir müssen Tore machen, das ist das Wichtigste“, sagte Salihamidzic zum Kampf um die Triple-Chance in Madrid. 2012 schafften die Bayern mit Heynckes dort nach einem dramatischen Elfmeterschießen den Einzug ins verlorene „Finale dahoam“. Und mit Heynckes gab es vor 30 Jahren auch das legendäre „Wunder von Mailand“, als die Bayern im UEFA-Pokal nach einem 0:2 daheim gegen Inter Mailand auswärts mit 3:1 gewannen. „Am Schluss wird abgerechnet“, sagte der 72 Jahre alte Triple-Coach. (dpa)
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