Kapitän Kimmich: Nagelsmann formt neues DFB-Team
Beim Aufbruch zum Fernziel WM-Titel 2026 verteilte ein glänzend erholter Julian Nagelsmann gleich wieder neue Rollen in der Fußball-Nationalmannschaft.
Die Herausforderung, nach dem Rückzug der 2014-Weltmeister Toni Kroos, Thomas Müller und Manuel Neuer sowie des ebenfalls nach der emotionalen Heim-EM abgetretenen Kapitäns Ilkay Gündogan ein neues, schlagkräftiges Team zu erschaffen, eröffnete der Bundestrainer mit einem speziellen Upgrade für Joshua Kimmich und Marc-André ter Stegen.
Nagelsmanns Ehrgeiz ist nach dem Sommerurlaub ungebrochen – und die erste Botschaft des Cheftrainers bei der Zusammenkunft des 23-köpfigen Kaders in Herzogenaurach lautete: „Spiele sind dafür da, sie zu gewinnen!“
Bayern-Profi Kimmich (29) ist neuer DFB-Kapitän. Seine Stellvertreter sind Abwehrchef Antonio Rüdiger (31) und Angreifer Kai Havertz (25). In den Mannschaftsrat wurden vom Bundestrainer Jonathan Tah, Niclas Füllkrug, Pascal Groß und ter Stegen berufen.
Team-Hierarchie neu geregelt
Damit ist die neue Hierarchie festgelegt. „Josh ist ein Vorbild für die gesamte Gruppe, wie er den Job als Profi ausfüllt“, begründete Nagelsmann. Er schätzt den Münchner auch menschlich sehr: „Bei Josh kriegt man in Gesprächen nicht immer ein Ja und Amen.“
Mit 91 Länderspielen ist Kimmich zudem der Erfahrenste im DFB-Aufgebot. Die Beförderung konnte den ehrgeizigen Bayern-Profi kaum überraschen. Am Sonntagabend hatte er schon in München gesagt: „Es war so, dass ich bei der EM zweiter Kapitän war. Ilkay hat jetzt aufgehört…“ Nagelsmann verkündete zugleich, dass Kimmich im DFB-Team weiter rechts spielen wird: „Josh hat eine Benchmark gesetzt als rechter Verteidiger bei der EM.“
Neuer weg – und ter Stegen nun „klare Nummer eins“
Barcelonas Torwart ter Stegen darf sich im Alter von 32 Jahren und vielen, vielen Jahren im Turnierschatten von Bayern-Schlussmann Neuer endlich über den Status als „klare Nummer eins“ freuen, wie Nagelsmann sagte. Der frühere Gladbacher habe diese Position „verdient“. Der Stuttgarter Alexander Nübel muss sich erst mal dem Kampf um die Nummer zwei stellen.
59 Tage nach dem bitteren Viertelfinal-Aus gegen den späteren Europameister Spanien bezog der DFB-Tross wieder den Home Ground von Adidas in Franken. Nagelsmann sprach von „gemischten Gefühlen“ und auch „Wehmut“ beim Blick zurück auf das Heimturnier und das zu frühe Aus. Ab sofort werde aber konsequent nach vorne geschaut.
Nations League soll positiven Effekt haben
Nations League lautet bis zum Jahresende die erste neue sportliche Herausforderung. Am Samstag (20.45 Uhr/ZDF) geht es in Düsseldorf los gegen den EM-Gruppengegner Ungarn. Drei Tage später kommt es zum Topspiel gegen den Erzrivalen Holland in Amsterdam. Bosnien-Herzegowina ist weiterer Gegner in Gruppe 3 der A-Liga.
„Die Nations League hat keinen Rieseneffekt auf die WM-Quali. Aber sie hat einen Effekt auf unsere Entwicklung“, sagte Nagelsmann zur Bedeutung des kleinen UEFA-Wettbewerbs. Möglichst viele Siege sollen dazu beitragen, ein Gewinner-Selbstverständnis aufzubauen.
Startpunkt USA – und Endpunkt Amerika?
Nagelsmann muss auch seine Trainer-Rolle neu definieren. Die Heim-EM war für den 37-Jährigen ein isoliertes Projekt. Jetzt geht er auf die Langstrecke. Er muss sich als Entwickler bewähren, ein Team formen, das in zwei Jahren in den USA, Kanada und Mexiko um den Titel mitspielen kann. „Weltmeister werden“ – diese Marschroute hat Nagelsmann ausgegeben.
Interessant: Nagelsmanns Amtszeit als Bundestrainer begann im Oktober 2023 mit einer USA-Reise, also genau in dem Land, in dem er seine DFB-Zeit beim WM-Turnier 2026 krönen möchte. Sein aktueller DFB-Vertrag endet nach der WM-Endrunde.
„Vier bedeutende Spieler“ sind weg
Ohne die Ü30-Fraktion Gündogan, Kroos, Müller und Neuer fehlt die geballte Erfahrung von zusammengerechnet 451 Länderspielen. „Vier bedeutende Spieler sind zurückgetreten, die eine große DFB-Historie hatten und tragende Rollen bei der EM“, sagte der Bundestrainer.
Die Zukunft verkörpern die bereits etablierten Offensiv-Jungstars Jamal Musiala (21) und Florian Wirtz (21), aber ebenso Bayern-Youngster Aleksandar Pavlovic (20) und Stuttgarts Angelo Stiller (23) als einziger Neuling im Kader. „Er hat es sich verdient, hier zu sein.“ Erst für den nächsten Lehrgang im Oktober stellt Nagelsmann mehr Veränderungen in Aussicht.
Große Rolle für Neu-Dortmunder Groß
Nagelsmann muss vor allem das Vakuum im Zentrum der DFB-Elf ausfüllen, das die Strategen Kroos und Gündogan hinterlassen haben. Dem Neu-Dortmunder Pascal Groß kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. „Pascal ist sicherlich einer der Spieler, der das gut machen kann“, sagte Nagelsmann zu Groß als neuem Kroos. „Ich habe aber nicht den Anspruch, dass einer Toni eins zu eins ersetzt“, betonte der Bundestrainer.
Dafür formulierte er deutlich seine Ansprüche in den Länderspielen gegen Ungarn und die Niederlande. „Am Ende stehen der Sieg und die drei Punkte über allem!“ Die Fans, die man bei der Heim-EM wiedergewinnen konnte, sollen weiter mit engagiertem Fußball begeistert werden. Und am Tag nach dem Ungarn-Spiel wird es ein öffentliches Training geben, bei dem im Paul-Janes-Stadion in Düsseldorf 7.000 Fans mit Gratis-Tickets dabei sein können. (dpa/red)
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