Nach Tour-Aus: Kittel «mit lachendem und weinendem Auge»
Einen geruhsamen Schlaf ließen die Schmerzen nicht zu. Bereits um 4.30 Uhr war Marcel Kittel im Club Med in La Salle-les-Alpes wieder auf den Beinen. Kurz darauf hatte er auch schon seinen Koffer gepackt, mit dem Auto ging es zurück in die Schweizer Wahlheimat Kreuzlingen.
„Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach Hause. Ich bin mir aber sicher, dass in den nächsten Tagen die Freude überwiegen wird“, sagte Kittel zum Abschied im ZDF-Morgenmagazin.
Daheim wird er seine Prellungen und Schürfwunden von Freundin Tess, der niederländischen Volleyball-Nationalspielerin, ein wenig pflegen lassen. Eigentlich war alles ganz anders geplant. Auf dem Rad wollte er im Grünen Trikot nach Paris und zur Krönung einen sechsten Etappensieg auf den Champs Élysées bejubeln. Der Sturz am Mittwoch auf der ersten Alpen-Etappe bei Tempo 50 durchkreuzte aber seine Pläne. Die Reise nach Paris will er sich trotzdem nicht entgehen lassen, wenn auch unter anderem Umständen. „Marcel ist in Paris wieder beim Team. Es wird eine Party mit den Familien und den Freunden geben“, sagte Teamchef Patrick Lefevere der Deutschen Presse-Agentur.
Schließlich gebe es einiges zu feiern. Fünf Etappen hatte Kittel, der in Frankreich bereits als „Le Kaiser“ gefeiert wurde, gewonnen und damit deutsche Rekorde von Erik Zabel und Dietrich Thurau purzeln lassen. „Ich bin mega-happy. Fünf Etappensiege waren ein riesiger Erfolg. Das macht mich sehr stolz. Ich bin froh, was ich erlebt habe, angefangen mit dem Start in Deutschland“, betonte Kittel.
Trost gab es sogar von einigen seiner Rivalen. „Drei Tage vor Paris auszusteigen, ist immer blöd. Man muss sich nur in die Haut von Marcel versetzen, wie er sich fühlt“, sagte André Greipel der dpa. Kittel habe die deutsche Fahne hochgehalten, twitterte der in diesem Jahr noch glücklose Sprintstar, der in den Massensprints gegen Kittel chancenlos war. Auch sein früherer Teamkollege John Degenkolb fand es „extrem schade, dass er so nah vor Paris gescheitert ist“.
Mit seiner erfrischenden und freundlichen Art hat sich Kittel viele Freunde gemacht – auch über die Teamgrenzen hinaus. „Kopf Hoch!sau starke Tour gefahren..das nimmt dir keiner mehr!bist ein Champion und Vorbild“, schrieb etwa Tour-Debütant Rick Zabel auf Twitter. Vielleicht zieht der Sohn des früheren Telekom-Sprinters Erik Zabel demnächst die Sprints für Kittel an, steht der 29-Jährige doch beim Katusha-Team als Neuzugang hoch im Kurs.
Noch hofft Quick-Step-Boss Lefevere auf einen Verbleib Kittels. „Er hat gesagt, dass er nach Paris sprechen möchte. Das werden wir tun“, sagte der Belgier und ergänzte: „Es geht ja nicht nur ums Geld. Jeder will mehr Geld haben. Es geht aber auch darum, ob er sich wohlfühlt.“
Der Wohlfühlfaktor ist bei Quick Step jedenfalls gegeben. Aufopferungsvoll hatten sich seine Teamkollegen für Kittel eingesetzt. Bis zur letzten Pedalumdrehung blieben Fabio Sabatini und Julien Vermote auch nach dem Sturz an seiner Seite, doch alles Zureden half nichts mehr. Kittel war am Ende seiner Kräfte und „total im Eimer“.
Nach einer kurzen Auszeit wird Kittel sicher schon bald aufs Rennrad zurückkehren, womöglich wird er bei den lukrativen Kriterien nach der Frankreich-Rundfahrt wieder starten. Auch das WorldTour-Rennen in Hamburg (20. August) dürfte für Kittel vor heimischer Kulisse sicher interessant sein. (dpa)
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