Mit aller Kraft ins Achtelfinale – Löw baut DFB-Elf um
In der Nachmittagshitze von Kasan müssen sich Deutschlands Weltmeister noch einmal mit aller Kraft gegen den historischen Thron-Sturz stemmen.
Das Ziel gegen Südkorea lautet: rein ins Achtelfinale und in ein emotionales Fußball-Hoch rauschen. Nach dem in letzter Sekunde geglückten Sieg gegen Schweden muss das Team von Bundestrainer Joachim Löw am Mittwoch (16.00 Uhr MESZ) nicht nur dem letzten Gruppengegner, sondern auch den äußeren Widrigkeiten trotzen, um den erstmaligen Vorrunden-K.o. bei einer Weltmeisterschaft abzuwenden.
Für die Anstoßzeit sind in der über 1000 Jahre alten Tatarenstadt an der Wolga Temperaturen um 30 Grad angesagt. Die Leichtgewichte aus Südkorea sind Hitze gewohnt. Zudem sucht Löw weiterhin nach dem schlagkräftigsten Personal. Er wischt die Umstände jedoch beiseite. „Wir müssen verinnerlichen, dass es in erster Linie von uns abhängt.“ Alles andere würde nur vom Weiterkommen ablenken.
Am Dienstag flog der DFB-Tross ins 800 Kilometer östlich von Moskau entfernte Kasan, die mit 1,2 Millionen Einwohnern achtgrößte Stadt Russlands. Die Ausgangslage ist klar: In der 45.000 Zuschauer fassenden Kasan-Arena muss das deutsche Team (3 Punkte) mit mindestens zwei Toren Vorsprung gewinnen, um alle Rechenspielchen mit Mexiko (6), Schweden (3) und Südkorea (0) bis hin zu einem Losentscheid auszuschließen. Ob Erster oder Zweiter, Hauptsache Achtelfinale. „Es hängt davon ab, wie wir die Dinge umsetzen“, sagte Löw überzeugt.
Unabhängig davon, ob Löw den zuletzt auf die Bank verbannten Sami Khedira wieder bringt oder Reservist Mesut Özil überraschend neu aktiviert: Deutschland muss als Mannschaft funktionieren und den „Sieg der Moral“ (Löw) gegen Schweden für sich weiter nutzen. „Wir haben das ganze Ding noch mal gedreht und sind als Mannschaft noch enger zusammengerückt“, berichtete Angreifer Timo Werner.
„Wir haben natürlich noch Luft nach oben für ein paar Sachen. Daran müssen wir weiter arbeiten“, sagte Manager Oliver Bierhoff. Gerade die im bisherigen Turnierverlauf immer wieder gravierenden Fehler im Spielaufbau und die Lücken in der Defensive sind eine Warnung. Löw verbreitet viel Zuversicht und verwies auf seine Turniererfahrung: „Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich so eine Situation erlebe.“
Noch einmal muss der wankende Titelverteidiger gegen die negative Energie des frühen Ausscheidens ankämpfen. Wie Spanien 2014, Italien 2010 und Frankreich 2002 als Titelträger schon in der Vorrunde zu scheitern, klebt noch ein wenig an den Deutschen. „Sie können sicher sein, dass wir alles dafür tun, dass uns das nicht auch passiert“, sagte der Dortmunder Offensivspieler Marco Reus. Ob es dann im Achtelfinale gleich gegen Rekordweltmeister Brasilien geht oder gegen die Schweiz oder Serbien, ist egal. Nur Südkorea zählt!
Die Offensiv-Raketen Reus und Werner sind die bisherigen Gewinner in Löws Kader und sollen gemeinsam mit Supertorschütze Toni Kroos auch gegen Südkorea mit den Unterschied ausmachen. Andere wie Thomas Müller, 2010 und 2014 mit jeweils fünf Treffern der beste deutsche WM-Torschütze, haben noch nicht gezündet. „Der Glaube an die eigene Stärke ist wichtig, unabhängig vom Gegner. Wenn wir das schaffen, sind wir unglaublich stark“, sagte Löws Assistent Marcus Sorg.
Das DFB-Team muss sich gegen die Nummer 57 der Weltrangliste auf „unheimlich schnelle und wendige Spieler“ einstellen, warnte Reus: „Sie haben schon viele Mannschaften vor Probleme gestellt.“ Bei der WM 1994 in den USA siegte das DFB-Team gegen Südkorea 3:2. In der Gluthitze von Dallas führten Doppeltorschütze Jürgen Klinsmann und seine Teamkollegen zur Pause schon 3:0 – und brachen dann ein. 2002 gab es dank Torschütze Michael Ballack und Torwart-Titan Oliver Kahn in Seoul gegen den damaligen WM-Gastgeber ein 1:0 im Halbfinale.
Die größte Gefahr droht vom ehemaligen Leverkusener Angreifer Heung-Min Son. „Auf den müssen wir vor allem aufpassen. Er ist ein Spieler, der in der Weltklasse schon gezeigt hat, was er kann“, erklärte Werner. Im deutschen Defensivblock, der auch Son stoppen soll, sind wieder Umstellungen nötig. Jérôme Boateng ist nach Gelb-Rot gesperrt. Für ihn könnte Bayern-Kollege Niklas Süle in die Innenverteidigung neben Mats Hummels rücken, dessen Nackenprobleme überwunden sind. Sebastian Rudy muss nach Nasen-OP wohl passen. So wäre der Startplatz neben Kroos frei für Khedira. Löw hat aber auch schon mal Özil im Nationalteam als spielstarken Sechser ausprobiert.
„Die Südkoreaner werden viel über Konter agieren, sind beweglicher als die Schweden, die eher über die Kraft gekommen sind. Aber ich bin mir sicher, dass wir einen Plan vom Bundestrainer bekommen und darauf reagieren können“, meinte Reus. Möglicherweise wird sich Löw seinen Routinier Mario Gomez (32) wie schon gegen Schweden wieder als besondere Wechsel-Option für den Fall aufheben, dass offensiv Plan A mit dem jungen Mittelstürmer Werner (22) nicht zu Toren führt.
„Wir haben Alternativen, so ist auch der Kader ausgerichtet“, sagte Löw. Entscheidend wird sein, dass er die Balance innerhalb seiner Mannschaft verbessern kann. Manager Bierhoff sprach hinsichtlich der bisherigen Schwankungen in Russland die „Psychologie des Sports“ an: „Das ist die Drucksituation als Weltmeister.“ (dpa)
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