Misstrauen und Verdruss: Wird Olympia zu einem Superspreader-Event?

Nicht allen ist klar, wozu oder für wen die olympischen Spiele in Tokio ausgetragen werden. Die meisten Japaner werden die Wettkämpfe zu Hause vor dem Fernseher mitverfolgen.
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Demonstranten marschieren mit einem Banner und Plakaten bei einem Protest gegen die Olympischen Sommerspiele.Foto: Koji Harada/Kyodo News/AP/dpa/dpa
Epoch Times18. Juli 2021

Ursprünglich ist man davon ausgegangen, dass die Sommerspiele in Tokio zu einem Zeitpunkt stattfinden, bei dem sich die Welt nicht länger im Griff der globalen Corona-Krise befindet. Nur wenige Tage vor der Olympia-Eröffnungsfeier wird klar, dass dieser Optimismus des IOC nicht gerechtfertigt war.

Die Vorstellung, dass mehrere Tausend Athleten, Trainer, Betreuer und Medienmitarbeiter in Japan einreisen nährt die Idee, dass die Durchführung der Olympischen Spiele zu einem „Super-spreader-Event“ werden könnten.

Noch bevor die erste Medaille gewonnen wurde , ergaben Tests im Olympischen Dorf, dass einige der ausländischen Besucher positiv auf das Corona-Virus getestet wurden. In Japan ist die Mehrheit der Bevölkerung über 65 Jahre alt und erst 20 Prozent hat eine vollständige Impfdosis erhalten.

Gefühle der Unsicherheit und Angst

Kiyoshi Shigematsu ist Schriftsteller und nicht gut auf die Olympischen Spiele zu sprechen. Gegenüber der Tageszeitung „Mainichi Shimbun“ beklagte er: „Wenn es stattfinden muss, warum sagen sie dann nicht, warum es das wert ist.“

Die Organisatoren und das Internationale Olympische Komitee (IOC) würden ständig beteuern, die Spiele seien trotz der andauernden Corona-Krise auch für die Bevölkerung sicher.

„Ob sie sicher sind, entscheiden wir. Nicht die Veranstalter“, so Shigematsu. Wenn er in den Nachrichten höre, es gebe Anzeichen für einen erneuten Aufwärtstrend bei den Infektionen, macht ihn das sauer. „Wie, Anzeichen? Nein, sie steigen an!“

So wie Sigematsu geht es vielen seiner Landsleute. Die anfängliche Begeisterung ist Verdruss und teils sogar Feindseligkeit gewichen. Angesichts des Verbots für einheimische und ausländische Fans den Veranstaltungen beizuwohnen, nutzt die Durchführung lediglich den Organisatoren, der Wirtschaft und den partizipierenden Athleten. Das Publikum wird die Wettkämpfe zu Hause vor dem Fernsehgerät mitverfolgen.

Menschen in Japan ärgert auch die Tatsache, dass die Spiele gegen ihren Willen ausgerichtet werden müssen. Denn der Vertrag mit dem IOC kam bereits vor dem Bekanntwerden des Virus aus Wuhan zustande. Ein Vertragsbruch wäre finanziell katastrophal. Die Angst ist nun, dass der Preis, den die Japaner für die Durchführung der Spiele bezahlen müssen, höher sein wird als ein rein finanzieller Verlust.

Schlechte Stimmung wenige Tage vor Eröffnungsfeier

„Viele Leute glauben immer noch nicht, dass die Spiele tatsächlich stattfinden werden“, schildert Politikprofessor Koichi Nakano von der Sophia University Tokio die Stimmung in der Bevölkerung.

In Japan sei die Anti-Olympia-Bewegung nie stark gewesen. „Japaner sind allgemein sehr opportunistisch und apolitisch und meiden gewöhnlich politisch sensible Themen“, erklärt Nakano. „Jetzt aber sagen sie unverhohlen: meine Güte, was tun die da?!“

Auch wenige Tage vor Beginn des Spektakels weist im öffentlichen Raum nicht viel auf die Spiele hin. Dabei hatten 60 Sponsoren eine Rekordsumme von drei Milliarden Dollar dafür hingeblättert.

Sportartikelhersteller des Landes versprachen sich hohe Umsätze. Doch nun hält man sich deutlich zurück, die Spiele zur Eigenwerbung zu nutzen. Man will die wegen der Corona-Krise besorgte Kundschaft nicht verärgern.

Polizeibeamte blockieren eine kleine Gruppe von Aktivisten, als sie am 17. Juli 2021 zu einer Demonstration in Tokio in Richtung des Hotels gehen, in dem der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, untergebracht ist, der die Absage der Olympischen Spiele in Tokio fordert. Foto: YUKI IWAMURA/AFP via Getty Images

Bisher kein Lockdown in Japan

Japans Bevölkerung hatte sich bereitwillig an die Corona-Verhaltensregeln gehalten, was der wesentliche Grund ist, dass der Staat nie einen Lockdown verhängen musste.

Doch nun macht sich Müdigkeit breit. Viele fragen sich, warum sie sich die ganze Zeit zurückhielten, während die Regierung trotz aller Sorgen und des breiten Widerstands in der Bevölkerung die Olympischen Spiele durchzieht.

Dabei wollte Japan mit den Spielen einen nationalen Neuanfang einleiten. Man wollte an die Spiele von 1964 anknüpfen und hatte gehofft, den Erfolg wiederholen zu können. Damals war es Japan gelungen, sich mit den Spielen aus der Nachkriegszeit zu befreien und sich als ebenbürtiger Partner auf der Weltbühne zu präsentieren.

Für die Sommerspiele wurden hohe Summen an Steuergeldern verwendet, aber das Volk könne sie sich nicht anschauen, machte Japans Fußballer Maya Yoshida seinem Frust Luft. Zwar sei es schwierig, als Athlet dazu was zu sagen. Aber man fragt sich schon, „für wen und wofür diese Olympischen Spiele eigentlich stattfinden“, sagte der 32-jährige Japaner gegenüber lokalen Medien.

Die Organisatoren und das IOC hoffen, dass sich die Stimmung doch noch zum Positiven ändert, sobald die Spiele erstmal angefangen haben und die Menschen sie zu Hause im Fernsehen sehen.

Elektronikgeschäfte berichten von steigenden Umsätzen mit modernen TV-Geräten. Sollten dadurch auch die Infektionszahlen sinken, weil die Bürger Olympia zu Hause verfolgen, könnten die konservative Regierung und das IOC die Spiele zum Triumph erklären.

Doch der Groll im Volk, dessen Stimme ignoriert worden sei, werde bleiben, meint Nakano. Japaner wüssten jetzt besser über das IOC und die Haltung von Leuten wie IOC-Chef Bach Bescheid, die „wie Kolonialherren klingen“, so der Professor. (dpa/nw)



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