Mainz-Trainer Beierlorzer: «Die Situation ist befremdlich»
Die Corona-Pandemie zwingt die Fußball-Bundesliga in eine längere Pause. Achim Beierlorzer, Trainer des FSV Mainz 05, spricht in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur über die außergewöhnliche Situation und die Zeit nach der Krise.
Die Bundesliga-Zwangspause wird bis Ende April verlängert. Befürworten Sie das?
Achim Beierlorzer: Ja. Es ist absolut verständlich, dass wir nicht in zwei Wochen Fußballspiele stattfinden lassen können, wenn wir momentan vermeiden, überhaupt irgendwelche Kontakte zu haben. Für mich ist es ein logischer Schritt.
Als Fußall-Trainer ist man es gewohnt, immer mit vielen Menschen Umgang zu haben. Jetzt sitzen sie wie jeder andere im Homeoffice, der Kontakt beschränkt sich auf das Telefon oder Videokonferenzen. Wie gehen Sie damit um?
Beierlorzer: Die Situation ist natürlich befremdlich. Man merkt, dass man zwangsweise entschleunigt. Der Tag hat eine ganz andere Taktung. Alles ist jetzt komplett anders. Aber man muss die Sache so nehmen, wie sie ist. Das alles Entscheidende ist, dass wir diese Krise allesamt gut überstehen, dass unsere Gesellschaft intakt bleibt und möglichst wenige Menschen durch das Coronavirus zu Tode kommen.
Wie unterstützt der Verein die Profis beim Umgang mit der außergewöhnlichen Situation?
Beierlorzer: Wir fragen die Spieler jeden Tag ab: Wie fühlen sie sich? Wie ist der Stresspegel? Dazu gibt es auch technische Hilfestellungen beim IT-basierten Austausch der individuellen Trainingsaufgaben und -ergebnisse. Mehr können wir momentan nicht machen.
Wie ergeht es Ihnen als Trainer ohne Mannschaft?
Beierlorzer: So etwas kennt man ja nur aus der Sommerpause, wo man zwar mal in den Urlaub fährt, aber auch immer schon die Planung für die neue Saison im Kopf hat. Das kann man derzeit ja auch nicht. Das ist etwas noch nie Dagewesenes. Deshalb beschäftigt man sich mit Dingen, die sonst aus Zeitgründen immer wieder unter den Tisch fallen. Ein bisschen Gartenarbeit stand schon an, ich habe auch das eine oder andere entrümpelt. Und ich verbringe jetzt sehr viel Zeit mit meiner Familie. Das ist auch etwas Schönes. Aber natürlich gehe ich trotzdem meinem Beruf nach und beschäftige mich immer wieder mit dem Fußball.
Die Bundesliga hofft, den Spielbetrieb vielleicht Mitte Mai fortsetzen zu können. Sollte es so kommen: Kann man dann sofort von Null auf Hundert schalten?
Beierlorzer: Es ist momentan eine ganz, ganz große Aufgabe, so etwas realistisch einzuschätzen, weil wir gar nicht absehen können, wann es weitergeht und wie sich die Situation entwickelt. Ich glaube, es macht in der Schnelllebigkeit dieser Zeit einfach keinen Sinn, jetzt Wünsche zu äußern, was man gerne hätte. Was aber klar ist: Die Bedingungen sind dann für alle Mannschaften gleich. Das Wichtigste für alle Vereine ist, dass die Saison zu Ende gespielt wird.
Das ist – wenn überhaupt – wohl nur vor leeren Rängen möglich. Befürchten Sie bei solch einem Szenario mentale Probleme für die Spieler?
Beierlorzer: Man hat seinen Kader nicht zusammengestellt, um auf so eine Extremsituation zu reagieren, sondern um bestmöglich Fußball zu spielen. Es ist vielleicht nicht optimal, was da kommt. Aber die Spieler müssen die Situation so annehmen, wie sie dann ist. Das gilt ja sehr, sehr häufig auch in normalen Spielen. Wir sprechen da oft von Frustrationstoleranz. Kein Mensch hat sich so eine Situation gewünscht, aber es geht einfach darum, irgendwann wieder in die Umsetzung der Liga zu gehen.
Also heißt das Motto: Die Hoffnung stirbt zuletzt?
Beierlorzer: Wir glauben einfach fest daran, weil es natürlich zum Fußball dazu gehört, dass etwas zu Ende gebracht wird. Wenn es dann nicht so kommt, müssen wir es so hinnehmen. Denn die schönste Nebensache der Welt ist momentan definitiv eine Nebensache.
Glauben Sie, dass die gesamte Branche zur Besinnung kommt und die Krise etwas verändern wird im Profifußball wie zum Beispiel bei den enorm gestiegenen Ablösesummen?
Beierlorzer: Da muss man unterscheiden. Kurzfristig definitiv, allein schon weil jetzt allen Vereinen Geld fehlt. Inwiefern langfristig wieder die Dinge greifen – da sind wir wieder bei der Glaskugel, in die keiner sehen kann. Aber das ist nicht meine Aufgabe, sondern die der Vereinsführungen und Dachorganisationen wie der DFL, vielleicht auch mal die Situation zu nutzen und Ideen wachsen zu lassen.
ZUR PERSON: Achim Beierlorzer (52) ist seit Mitte November 2019 Trainer des FSV Mainz 05. Nur neun Tage zuvor hatte er seinen Job beim Ligarivalen 1. FC Köln verloren. Der frühere Regionalliga-Spieler ist verheiratet und hat drei Kinder. (dpa)
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