Kompliziert wie nie: Warum der NFL-Draft kritisiert wird
Der Super Bowl ist das größte Spektakel im American Football. Danach kommt der Draft. Eigentlich.
Denn aus dem riesigen Event, für das vor einem Jahr etwa 600.000 Menschen nach Nashville reisten und das auch in Las Vegas hunderttausende Fans hätte anziehen sollen, wird 2020 wegen der Coronavirus-Pandemie nur eine TV-Show – wenn überhaupt. Die NFL hält zwar bislang eisern daran fest, vom 23. bis 25. April die Nachwuchsspieler auf die Teams zu verteilen. Aber der Plan steht in der Kritik.
Sicher ist: Sollte der Draft zum geplanten Termin in drei Wochen tatsächlich stattfinden, wird es die komplizierteste, ungewöhnlichste und riskanteste Ausgabe der NFL-Geschichte.
Worum geht es beim Draft?
Im Gegensatz zum europäischen Fußball, wo die besten Talente zu den Clubs mit dem besten Angebot wechseln, haben Nachwuchsspieler in der NFL kein Mitspracherecht, wenn es um ihr erstes Profi-Team geht. In der Theorie ist es so: Die besten Spieler gehen zu den schlechtesten Teams. So will die Liga über die Jahre eine Chancengleichheit herstellen und Serien-Sieger oder Serien-Verlierer verhindern. Der Super-Bowl-Champion Kansas City darf deswegen in der ersten Runde als letztes der 32 NFL-Teams einen Spieler auswählen.
Warum steht der Termin im April in der Kritik?
Vor allem aus zwei Gründen: Wegen der derzeit geltenden Reisebeschränkung innerhalb der NFL und weil viele Menschen es unangemessen finden, inmitten der Pandemie mit einer (wenn auch nur im TV übertragenen) Show die Spielerauswahl zu feiern. „Es gibt gerade viel Elend, viel Leid, da gehen die Meinungen schon auseinander, ob man da Entertainment haben sollte wie den Draft. Aber klar, es kann auch eine gute Ablenkung sein“, sagte etwa Ex-NFL-Profi Sebastian Vollmer der Deutschen Presse-Agentur.
Warum ist der Draft dieses Jahr viel komplizierter als normal?
Das hat vor allem mit der Reisebeschränkung zu tun. Trainer, Scouts, Manager – ihnen allen ist wegen der Pandemie von der NFL verboten, zu potenziellen Spielern zu fahren. Und die Spieler dürfen auch nicht zu den Teams, etwa um sich medizinisch untersuchen zu lassen. „Jetzt kannst du Spieler nur anhand von Filmen analysieren, aber viele Colleges spielen keine Pro-Systeme“, sagte der zweimalige Super-Bowl-Sieger Sebastian Vollmer. „Ich glaube schon, dass es für die Scouts hart wird. Ein Fehlgriff in den oberen Runden kann so ein Franchise über Jahre zurückwerfen.“ Clubs sind im US-Sport Lizenznehmer der Ligen und daher Franchises.
Dazu kommt: Weder Trainer noch Manager werden wohl beim Draft vor Ort sein dürfen, sondern aus Büros, teilweise von zu Hause arbeiten. Kurzfristige Deals mit anderen Teams in Reaktion auf das, was kurz zuvor passiert ist, werden so viel schwieriger. In der Bundesliga wurde einst über defekte Faxgeräte gespottet – womöglich macht sich die NFL bald über einen folgenschweren Aussetzer im WLAN lustig.
Wer leidet unter der Situation besonders?
Spieler, die bei kleineren Colleges gespielt haben und über die nicht so viel bekannt ist oder Footballer, die zuletzt verletzt waren. Tua Tagovaiola beispielsweise nutzt jede sich bietende Gelegenheit für Werbung in eigener Sache. Der 23 Jahre alte Quarterback zählt zu den talentiertesten Spielern der USA und gilt als einer dieser Sportler, deren Verpflichtung ein Team über Jahre hinaus verändern können. Nur: Der Linkshänder hat sich im November die Hüfte gebrochen und seit Monaten nicht mehr gespielt. Ob er wirklich fit ist, kann kein Team in der NFL durch eigene Ärzte überprüfen.
Auch für neue Trainer ist die Situation schwierig. Betroffen davon sind Kevin Stefanski von den Cleveland Browns, Matt Rhule von den Carolina Panthers oder Joe Judge von den New York Giants. „Wir haben Pläne für diese Eventualität, dann für diese und dann für diese“, sagte Stefanski. „Wir versuchen, auf alles vorbereitet zu sein.“
Gibt es auch Profiteure?
„Teams, die wenig Wechsel haben und wenig neue Spieler integrieren müssen, werden einen Vorteil haben, wenn man lange nicht trainieren kann. Andere hängen dann einfach ein paar Monate hinterher“, sagte Ex-Profi Sebastian Vollmer. Wer jetzt, wie etwa die New England Patriots oder die Los Angeles Chargers, einen Quarterback braucht, hat wohl noch wochenlang keine Möglichkeit, Spielmacher und Teamkollegen aneinander zu gewöhnen. (dpa)
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