(Kein) Tennis auf Hawaii? Die bizarre deutsche Fed-Cup-Reise
Von einem wichtigen Tennis-Länderspiel haben in dem kleinen Örtchen Lahaina die Wenigsten gehört.
Etwas mehr als 10 000 Menschen leben in der ehemaligen Walfängerstadt, bekannt und beliebt bei Hawaii-Touristen, Surfern und Walbeobachtern. An der Front Street reiht sich ein Restaurant an das nächste, fast alle mit unverstelltem Blick auf den Pazifischen Ozean und die Nachbarinsel Lana’i. Ein Bilderbuch-Spot zum Relaxen, Abhängen oder auch Wandern – aber Schauplatz für eine Fed-Cup-Partie zwischen den USA und Deutschland?
Der Reporter der „Maui News“ erkundigt sich erst einmal, in welchem Format denn bei diesem Fed Cup so gespielt wird. Und ob die deutschen Spielerinnen gut englisch sprechen würden und ob man eine von ihnen vielleicht auch mal nach Donald Trump befragen könne. Bei der ersten Pressekonferenz ist er einer von zwei amerikanischen Journalisten.
Der Schweizer Café-Besitzer und der Taxifahrer mit der Buddha-Statue auf der Armatur hatten von dieser Veranstaltung noch nie gehört. Der Chauffeur des Shuttle-Busses immerhin weiß, dass „ein Tennisturnier“ stattfindet. Am Donnerstag füllte das Thema Fed Cup gleich zwei Seiten in den „Maui News“. Am Tag der Auslosung und einen Tag vor dem ersten Match: keine Zeile. Werbe-Plakate in der Stadt? Kein einziges. Dafür noch am Freitag bunte Hochglanz-Flyer mit dem Angebot, für 40 Prozent Ermäßigung („special price“) noch Karten kaufen zu können.
Als der amerikanische Tennisverband Ende Oktober 2016 bekanntgab, dass das Duell um den Einzug in das Halbfinale der Weltgruppe der besten acht Nationen auf dem Archipel im Pazifik stattfinden sollte, glaubten viele zunächst an einen schlechten Scherz. Zwei Wochen nach dem Ende der Australian Open in Melbourne und direkt vor dem wichtigen und hochkarätig besetzten WTA-Turnier in Doha passten Reisestress, Jetlag und Zeitaufwand den deutschen Spielerinnen, Teamchefin Barbara Rittner und dem DTB überhaupt nicht in den Kram.
Abgelegener geht es nicht, fast 12 000 Kilometer Luftlinie von der Heimat entfernt. Immerhin 25 Fans aus Deutschland haben sich angekündigt. Selbst die amerikanischen Spielerinnen waren alles andere als happy über die Entscheidung des nationalen Verbandes.
Dass sich Angelique Kerber auf der einen und Serena und Venus Williams auf der anderen Seite den beschwerlichen Trip nicht antun wollten, war fast schon zu erwarten gewesen. Ob die Anwesenheit der drei Topspielerinnen an diesem Februar-Wochenende für eine Explosion der Tennis-Euphorie gesorgt hätte, ist jedoch schwer einzuschätzen.
„Eigentlich ist es absurd, dass wir hier sind“, sagt ein Mitglied aus der Delegation des Deutschen Tennis Bundes. Neben den vier Spielerinnen Andrea Petkovic, Julia Görges, Laura Siegemund und Carina Witthöft sowie Teamchefin Barbara Rittner haben sich der Verbandschef, die Vize-Präsidentin, der Sportdirektor, ein Co-Trainer, ein Fitnesscoach, zwei Physiotherapeuten, ein Arzt, ein Hitting Partner und der Teammanager mit auf den Weg gemacht.
„Es ist verlockend, sich so ein bisschen gehen zu lassen oder mitnehmen zu lassen von diesem Ambiente“, sagte Rittner am ersten Tag nach der chaotischen Anreise über London und Vancouver mit Umbuchungen und Verspätungen und betonte: „Aber man wird schnell zurückgeholt, es ist total anstrengend. Am Ende ist es ein besonders harter Job und eine besondere Herausforderung.“
Vom Zentrum Lahainas dauert es etwa zehn Minuten mit dem Auto bis zum Royal Lahaina Resort. Das Mannschaftshotel direkt am Strand zählt hier zur Luxus-Kategorie, versprüht im Inneren aber den Charme der 80er Jahre und könnte ein paar kleinere oder auch größere Renovierungsarbeiten gut vertragen. Auf der Royal Lahaina Tennis Ranch wird am Wochenende auf einem winzigen Center Court mit blauem Hartplatz, umrandet von grauen Betonbänken, gespielt.
Für die Wahl dieses Austragungsortes waren gleich mehrere Ausnahmegenehmigungen nötig – unter anderem wegen der Größe des Platzes und der fehlenden Nähe zu einer Metropolregion mit Flughafen. Natürlich hofften die amerikanischen Gastgeber auf die Absage(n) der einen oder anderen Spielerin des Gegners. Doch die Debatten über Sinn und Unsinn solcher Spielstätten haben auch mit dem Konflikt zwischen dem Weltverband ITF und den Spielerorganisationen WTA und ATP zu tun.
Über Reformen und neue Termine für den Fed Cup und das männliche Pendant Davis Cup wird schon seit längerem debattiert. Am vergangenen Wochenende war Novak Djokovic der einzige Profi aus den Top Ten, der für sein Land aufschlug. Wenn sich die ITF im August in Vietnam trifft, wird es in erster Linie um diese Themen gehen. Für WTA und ATP sind die Teamwettbewerbe unliebsame Konkurrenzprodukte.
Am vierten Tag nach der Ankunft auf Maui haben auch Petkovic & Co. den Jetlag erfolgreich bekämpft. Natürlich sei es wunderschön hier, sagt die eloquente Hessin während der Pressekonferenz im Freien mit Blick auf das Meer und einen Buckelwal, der in der Ferne plötzlich aus dem Wasser auftaucht. „Eigentlich hätte man gerne drei, vier Tage mehr, um das genießen zu können“, sagt die Teamchefin.
Am Nachmittag gönnte Rittner sich und der Mannschaft dann auch doch noch ein bisschen Freizeit: eine zweistündige Whale-watching-Tour auf dem Katamaran der „Pacific Whale Foundation“. Denn für Sonntagabend sind schon wieder die Rückflüge gebucht. (dpa)
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