„Ist durch“: Deutsche Skispringer scheitern bei Vierschanzentournee
Andreas Wellinger blieb andächtig stehen und blickte voller Wehmut auf die prächtige Kulisse am ausverkauften Bergisel. Ohrenbetäubende Partymusik und wummernde Bässe sorgten dafür, dass der Olympiasieger inmitten von Österreichs ausgelassener Skisprung-Party kaum zu verstehen war.
Bundestrainer: „Schuss ist eher nach hinten losgegangen“
Die Deutschen müssen auch 23 Jahre nach dem Triumph von Sven Hannawald weiter auf einen Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee warten, Österreich um Innsbruck-Sieger Stefan Kraft dominiert hingegen nach Belieben. Das – und auch die eigene Leistung – hat man sich beim Deutschen Skiverband ganz anders vorgestellt.
„Wir wollten aufholen, das ist uns leider nicht ganz gelungen. Wir haben alles probiert. Der Schuss ist eher nach hinten losgegangen“, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher über sein Team.
Einzig Pius Paschke schaffte es als Achter unter die besten Zehn. Ein durchweg enttäuschendes Abschneiden, am Bergisel und auch im Gesamtklassement.
Horngacher hakt Tournee ab
Gegen die furiosen Top-Springer Kraft, Jan Hörl und Daniel Tschofenig kommt auch der 34 Jahre alte Paschke nicht an. Das von gerade einmal 1,3 Punkten getrennte Trio wird am Montag (16:30 Uhr/ZDF und Eurosport) in Bischofshofen um den goldenen Adler springen – in einer Art nationalem Dreikampf.
„Die Tournee ist durch. Das werden die Österreicher ausmachen“, sagte der 55-Jährige über seine Landsleute, die mit drei Siegen in drei Springen und acht von neun möglichen Podestplatzierungen Erinnerungen an die alten Superadler-Zeiten mit Gregor Schlierenzauer und Co. wecken.
So glückselig Skisprung-Österreich ins Jahr 2025 gestartet ist, so sehr rumpelt es beim deutschen Team. Im Gelben Trikot und bei prächtiger Sonne war das Team um Paschke vor gut einer Woche in die Tournee gestartet.
Auch Wellinger und Karl Geiger, der in Innsbruck nicht mal Weltcup-Punkte holte, galten als Podestanwärter. Und jetzt? Große Tristesse. „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Die anderen springen einfach extrem gut aktuell“, sagte Paschke.
Party am Bierstindl
Während Österreichs Fans noch bis in den Abend am Bierstindl unterhalb des Bergisel den Dreifacherfolg zelebrierten, galt für das deutsche Team: Nichts wie weg und ab ins Auto, wo noch am Samstag die Reise ins Teamhotel im Pongau anstand. Enttäuscht sei er nicht, behauptete Horngacher in der ARD. „Sonst hätte ich schon seit 23 Jahren enttäuscht sein müssen.“
Die Interview-Zone im Auslauf der Bergisel-Schanze ließ Horngacher diesmal ganz aus – ein im Skispringen höchst ungewöhnlicher Vorgang. Schon in den Tagen davor wirkte der Chefcoach teilweise schmallippig und genervt von den ständigen Fragen nach der seit über zwei Jahrzehnten andauernden Flaute.
Zumal der Tiroler bereits seinen sechsten erfolglosen Tournee-Versuch als Bundestrainer durchläuft und die Ausgangslage mit Hoffnungsträger Paschke diesmal besonders günstig erschien. „Es war nicht alles schlecht“, bilanzierte Paschke.
Doch nicht nur auf der Schanze, sondern auch abseits davon machen die Österreicher derzeit die deutlich bessere Figur. Während Gespräche mit deutschen Athleten mit Verweis auf die Kälte schon mal abrupt beendet werden, erzählen Kraft, Tschofenig und Co. bereitwillig und ausführlich über ihren derzeitigen Lauf.
Trainerfrage im Skispringen kein Thema
Im schnelllebigen Fußball-Geschäft würde jetzt die Trainerfrage beim deutschen Team gestellt werden. Doch Skispringen funktioniert in dieser Hinsicht anders. Die sportliche Leitung um den Trainer und Sportdirektor Horst Hüttel denkt in Zyklen. Der Vertrag mit Horngacher wird stets nur um ein Jahr verlängert.
Olympia 2026 in Italien gilt zwar als gemeinsames Ziel der beiden Macher. Die Frage, warum seine Athleten so oft zur Tournee einknicken, wird Horngacher trotzdem beantworten müssen.
Und die vor ein paar Tagen gegebene Antwort, dass es eben „immer ein, zwei bessere Sportler gegeben habe“, dürfte dann nicht reichen. Dafür ist die Enttäuschung bei dieser Tournee zu groß.
„Wimpernschlag“ zwischen Österreichs Trio
Wellinger wird mit emotionalen Erinnerungen zur vierten Tournee-Station reisen. Im Vorjahr kämpfte der Bayer noch um den Gesamtsieg, musste sich Ryoyu Kobayashi aus Japan aber geschlagen geben.
Diesmal darf er zuschauen, wie Kraft, Hörl und Tschofenig den ersten rot-weiß-roten Gesamtsieger seit 2015 untereinander ausmachen.
„Ich traue mich keine Prognose, weil alle drei so verdammt gut skispringen. Das ist quasi ein Wimpernschlag“, sagte Wellinger. Er lege sich höchstens fest, dass ein Österreicher die Tournee gewinnen werde, scherzte er. Und mal wieder kein Deutscher. (dpa/red)
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