IOC-Urteil: «Klares Signal» und «bitteres Gefühl»

Ob die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees im russischen Dopingskandal salomonisch war, wird sich erweisen müssen. Aus der Welt des Sports gab es viel Anerkennung, aber auch Kritik - vor allem aus Russland.
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Kann sich mit dem IOC-Urteil in der Causa «Russland» anfreunden: DOSB-Präsident Alfons Hörmann.Foto: Maurizio Gambarini/dpa
Epoch Times6. Dezember 2017

Hart, aber fair? Russland ist im größten Dopingskandal der vergangenen Jahrzehnte um die Höchststrafe herumgekommen, muss aber richtig büßen.

Das diplomatische Urteil des Internationalen Olympischen Komitees, keinen Komplett-Bann von den Winterspielen 2018 zu verfügen, unbelastete russische Athleten in Pyeongchang starten zu lassen, stößt in der Sportwelt weitgehend auf Zustimmung, erntet aber auch Kritik – und Ablehnung in Russland.

Für Bundesinnenminister Thomas de Maizière ist die IOC-Entscheidung ein „bitterer Befund“ für die Integrität des Sports. „Das IOC hat systematisches russisches Doping während der Olympischen Winterspiele in Sotschi festgestellt“, sagte der CDU-Politiker. „Ich begrüße das damit verbundene klare Signal an alle Staaten: Wer systematisch dopt, hat keinen Platz in der olympischen Familie.“

DOSB-Präsident Alfons Hörmann hält das IOC-Verdikt für „ausgewogen mit drastischen Strafen für alle Strippenzieher“ aus Politik und Sport. So wurde Ex-Sportminister Witali Mutko als zentrale Figur des staatlichen Dopings ausgemacht und lebenslang für Olympia gesperrt. „Aus meiner Sicht ist das IOC mit dieser Entscheidung in den Grenzbereich dessen vorgestoßen, was juristisch haltbar ist“, sagte der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes. Es werde damit klar, dass Betrüger im Sport „unbenommen der Größe oder Positionierung des jeweiligen Landes“ konsequent zur Verantwortung gezogen würden.

Ob russische Wintersportler, die vom IOC im Zusammenhang mit den Manipulationen im Sotschi-Labor lebenslang gesperrt wurden, auf dem Klageweg wieder Zutritt zu den Spielen erhalten, wird sich noch zeigen: 22 Athleten haben Einspruch beim Internationale Sportgerichtshof CAS eingelegt. Die Athleten beantragten ein Urteil bis zum Beginn der Winterspiele in Pyeongchang am 9. Februar.

Bei Franz Steinle, Präsident des Deutschen Skiverbandes, bleibt nach dem IOC-Spruch in Anbetracht des „schier unglaublichen Ausmaßes“ trotz alledem „ein bitteres Gefühl“. Was dieser Kompromiss am Schluss tatsächlich wert sei, hänge maßgeblich davon ab, wie die Maßnahmen und Vorgaben umgesetzt würden.

Der deutsche Eishockey-Präsident Franz Reindl ist froh, dass es keine Kollektivbestrafung gegeben hat. „Das ist das bestmögliche Urteil, aber es ist auch ein sehr hartes Urteil“, befand Reindl. Zu den Auswirkungen auf das Turnier in Südkorea sagte Reindl nur: „Jetzt muss man erstmal abwarten, wie die Russen entscheiden.“ Die Teilnahme von russischen Männer- und Frauenteams unter neutraler Flagge gilt aktuell indes als unwahrscheinlich. Zudem droht die Olympia-Absagte der russisch geprägten osteuropäischen Profiliga KHL.

„Das ist schon eine knackige Ansage und für Herrn Putin die ultimative Demütigung“, kommentierte Konstantin Schad, Athletensprecher des Ski-Weltverbands FIS, das IOC-Urteil. „Es wurde rechtlich alles ausgereizt.“ Dass es zu keinem Komplett-Bann kam, findet der deutsche Snowboarder richtig: „Das hätte zu viele Athleten getroffen.“ Allerdings müsste die individuelle Zulassung strikt sein. „Wenn es am Ende dann doch 90 Prozent sind, dann wäre ich wieder unzufrieden“, schränkte Schad ein.

Empört ist Ines Geipel über den Russland-Kompromiss. „Im Grunde ist nichts anderes als ein Bann bei diesen Dimensionen möglich gewesen“, sagte die Vorsitzende des Dopingopfer-Hilfe-Vereins. „Die Beweise liegen auf dem Tisch. Doch im Grunde sagt die Entscheidung: Egal, welches Staatsdoping ihr auflegt in dieser Welt, wir nehmen euch auf in die olympische Familie.“ Die Dimension dessen, was in Russland passiert sei, werde durch das Urteil zugeschüttet.

Da könnte etwas dran sein, wenn der US-Anwalt von Whistleblower Grigori Rodschenkow, der zur Enthüllung des Ausmaßes des Staatsdopings in Russland beigetragen hat, von seinem Mandaten richtig informiert wurde. Wie Jim Walden erklärte, enthielten die der Welt-Anti-Doping-Agentur zugespielten Doping-Testdaten aus dem Moskauer Kontrolllabor für die Jahre 2012 bis 2015 Belege für eine noch ungeahnte Dimension des Dopings in Russland. Walden spricht von „Tausenden und Abertausenden, die vom russischen System geschützt wurden“. Sein in die USA geflüchteter Mandant Rodschenkow, Ex-Leiter des Moskau-Labors, dürfte es wohl genau wissen.

Während sich Russlands Präsident Wladimir Putin mit einer Reaktion auf die IOC-Entscheidung Zeit ließ, war die Empörung in Politik, Sport und bei den Bürgern seines Landes groß. „Kein Russland, keine Spiele!“, twitterten verärgerte Russen. Das Land solle „aus der internationalen Sportwelt verdrängt werden“, klagte das Außenministerium. Von einer „widerliche Entscheidung“ schrieb Außenpolitiker Konstantin Kossatschow.

Für den Parlamentsvize Pjotr Tolstoi sei es „unannehmbar, dass eine russische Mannschaft ohne eigene Flagge und Hymne antritt“. Dagegen keimt bei den Sportlern des Landes die Hoffnung, doch noch bei den Spielen in Südkorea dabei sein zu können. „Wer jetzt absagt, kneift“, sagte Eishockey-Nationalstürmer Ilja Kowaltschuk. (dpa)



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