IOC: Keine dritte Amtszeit für Bach – Sebastian Coe und Saudi-Prinzessin unter möglichen Nachfolgern
Am Sonntag, 11. August, gehen die Spiele der XXXIII. Olympiade in Paris zu Ende. Für den seit 2013 amtierenden Thomas Bach wird es das letzte Olympia als Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gewesen sein. Während der 142. Sitzung des Komitees am Samstag, 10. August, in der französischen Hauptstadt kündigte Bach an, nicht mehr für eine weitere Amtszeit zur Verfügung zu stehen.
In der Olympischen Charta ist zwar grundsätzlich eine Amtszeitbegrenzung des IOC vorgesehen, eine zwingende Praxis stellt diese jedoch nicht dar. Im Rahmen der 141. IOC-Sitzung im Oktober 2023 in Mumbai sollen zahlreiche Mitglieder Bach gebeten haben, eine mögliche Verlängerung in Betracht zu ziehen.
Bach mahnt Veränderungen im IOC an
Inwieweit die Entscheidung Bachs mit speziellen Begebenheiten im Kontext von Olympia 2024 zusammenhängt, ist ungewiss. Das Turnier war jedoch von einer Reihe von Skandalen gekennzeichnet, die teilweise auch Kritik an der Rolle des IOC hervorgerufen haben.
Diese reichten von der vielfach beanstandeten „Abendmahlsdarstellung“ bei der Eröffnungsfeier über den Skandal rund um die Wasserqualität der Seine bis hin zur Geschlechterdebatte beim Frauenboxen. Bach, der selbst 1976 als Fechter olympisches Gold gewonnen hatte, trat 2013 die Nachfolge von Jacques Rogge an.
In seiner Rede zeigte sich der Amtsinhaber selbstkritisch, ohne explizit auf bestimmte Konfliktthemen einzugehen. Der britische „Daily Express“ zitiert ihn mit den Worten:
„Nach 12 Jahren im Amt des IOC-Präsidenten ist unserer Organisation am besten mit einem Führungswechsel gedient. Ich bin nicht der beste Kapitän. Neue Zeiten verlangen nach neuen Führern. Ändere dich oder werde verändert.“
Nachfolger soll im Juni 2025 sein Amt antreten
Bis Juni 2025 werde er noch im Amt bleiben, ehe sein Nachfolger, der im März zuvor von der IOC-Mitgliederversammlung gewählt werden soll, dieses antritt. Bach fügte hinzu:
„Um die Glaubwürdigkeit des IOC zu wahren, müssen wir alle, und insbesondere ich als Ihr Präsident, die höchsten Standards guter Regierungsführung respektieren, die wir uns selbst gesetzt haben. Ich stehe Ihnen für unsere geliebte olympische Bewegung zur Verfügung.“
Gleichzeitig beklagte Bach die aus seiner Sicht unsichere Zukunft der olympischen Bewegung in einer immer stärker polarisierten Welt. Die Trends, so Bach, seien eindeutig.
„Entkopplung der Volkswirtschaften, engstirniges Eigeninteresse übertrumpft die Rechtsstaatlichkeit. In dieser neuen Weltordnung werden Kooperation und Kompromiss leider als abwertende Begriffe angesehen.“
Kontroversen rund um den Umgang mit Russland – aber auch Konflikte mit den USA
Kritiker werfen Bach vor, sich selbst parteiisch verhalten zu haben. Eine Kontroverse betraf unter anderem die Suspendierung Russlands von den Winterspielen 2018 in Pyeongchang. Während die offizielle Begründung dafür lautete, dass es nachweislich systematisches Doping gebe, sahen andere einen Kotau vor westlichen Interessen.
Ähnliches zeigte sich nach dem Beginn des Ukraine-Krieges 2022, als zahlreiche russische Sportler und Funktionäre von der Mitwirkung an Olympia ausgeschlossen wurden. Der russische Verband warf der IOC-Spitze vor, aus „Neonazis“ zu bestehen, als russische und weißrussische Sportler von der Teilnahme an der Eröffnungsfeier ausgeschlossen waren.
Zudem durften einzelne zugelassene sogenannte „Olympische Athleten aus Russland“ nicht an Mannschaftswettbewerben teilnehmen und die russische Flagge nicht zeigen. Westliche Verbände und die Ukraine kritisierten hingegen, dass Bach keinen vollständigen Ausschluss russischer Sportler und Funktionäre verfügt habe.
Allerdings war die Arbeit der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA auch Gegenstand einer Kontroverse mit den USA. Erst jüngst drohte Bach mit einer Absage der geplanten Winterspiele in Salt Lake City 2034. Grund dafür war, dass in den USA strafrechtliche Ermittlungen gegen Verantwortliche der WADA eingeleitet worden waren. Die Amerikaner werfen der WADA vor, einen Dopingskandal rund um 23 chinesische Schwimmer vertuscht zu haben.
Bach: Chromosomen als Unterscheidungsmerkmal „wissenschaftlich nicht mehr wahr“
Zuletzt hatte sich Bach durch die Unterstützung der beiden Boxerinnen Imane Khelif und Lin Yu-ting exponiert. Die frischgebackenen Olympiasiegerinnen waren nach Berichten über Tests der IBA ins Gerede geraten. Diese sollen in beiden Fällen ergeben haben, dass die Starterinnen Testosteronwerte im männlichen Bereich und XY-Chromosomen aufwiesen.
Bach sprach von einer „Verleumdungskampagne einer unglaubwürdigen Organisation mit hochpolitischen Interessen“. Zudem machte er deutlich, dass er den Antritt der beiden Boxerinnen gar nicht als Anlass für potenzielle Kontroversen sehe:
„Frauen muss es erlaubt sein, an Frauenwettbewerben teilzunehmen. Und die beiden sind Frauen.“
Die Angelegenheit sei „nicht so einfach“, wie Beteiligte an dem „Kulturkampf“ es darstellten. Es sei „wissenschaftlich nicht mehr wahr“, dass XX- und XY-Chromosomen ein eindeutiges Merkmal zur Unterscheidung von Männern und Frauen seien. Wenn jemand „ein wissenschaftlich fundiertes System zur Identifizierung von Männern und Frauen präsentiert, sind wir die ersten, die es tun“, ergänzte Bach auf einer Pressekonferenz.
Coe mahnt strenge Regeln an: „Sonst wird keine Frau jemals wieder ein Sportereignis gewinnen“
Anders äußerte sich der frühere Mittelstreckenläufer Lord Sebastian Coe, der als möglicher Kandidat für die Nachfolge Bachs gilt. Der Präsident des Leichtathletikverbandes World Athletics mahnte in einem Gespräch mit „itv.com“ an, klare Regeln zu definieren und diese unterschiedslos einzuhalten.
Anders als im Fall des IOC, das einen weiblichen Passeintrag als Nachweis des Geschlechts ausreichen lässt, gibt es bei World Athletics restriktivere Bestimmungen. Von Frauen mit „unterschiedlicher Geschlechterentwicklung“ wird verlangt, ihren Testosteronspiegel zu senken, um an Wettbewerben teilnehmen zu dürfen.
Transgender, die bereits die männliche Pubertät durchlaufen haben, sind generell von der Teilnahme an Frauenveranstaltungen ausgeschlossen. Coe rechtfertigt dieses Vorgehen damit, dass man „die weibliche Kategorie erhalten“ müsse:
„Wenn du das nicht tust, wird keine Frau jemals wieder ein Sportereignis gewinnen.“
„If you don’t do that, then no woman will ever win another sporting event.“ Lord Coe told @stevescott_itv sport needs to ‘preserve the female category’. He was speaking hours before Imane Khelif, the boxer accused of failing a gender eligibility test, won Olympic gold. pic.twitter.com/czLhIyAEnj
— ITV News (@itvnews) August 10, 2024
Saudische Botschafterin in den USA könnte Bach nachfolgen
Gegen Coe als möglichen Nachfolger spricht allerdings, dass er als vehementer Kritiker Bachs und als Hardliner in der Politik gegen Russland gilt. Zudem gibt es auch Ambitionen, die langjährige Vorherrschaft alter weißer Europäer im weltweiten Olympiaverband zu beenden. Diese hatten seit 1972 ununterbrochen die Präsidentschaft des IOC inne.
Als mögliche weitere Kandidaten gelten unter anderem der Kolumbianer Luis Alberto Moreno und der jordanische Prinz Feisal Al-Hussein, der bereits Ambitionen auf das Amt erkennen ließ.
Als Geheimfavoritin gilt jedoch auch die saudische Prinzessin Reema bint Bandar Al-Saud. Erst jüngst hatte das IOC mit Saudi-Arabien die Ausrichtung der ersten E-Sport-Spiele im Jahr 2025 vereinbart.
Reema, die derzeit Botschafterin des Königreiches in den USA ist, hatte sich jüngst in der Debatte um die Boxerinnen Khelif und Lin zu Wort gemeldet. Dabei hatte sie von „unnötiger Kritik“ an den Sportlerinnen gesprochen und „unerbittliche und falsche Narrative“ in den Medien beklagt. Diese Positionierung spricht dafür, dass sie als Präsidentin im Wesentlichen den Kurs Bachs weiterverfolgen würde.
As an IOC member, I offer my full support to every female who has been subjected to unnecessary criticism in what should be their time to shine. @IOCMedia #Paris2024 pic.twitter.com/7Ja703nq4x
— Reema Bandar Al-Saud (@rbalsaud) August 10, 2024
Wer wählt den künftigen IOC-Präsidenten?
Die Wahl des neuen IOC-Präsidenten wird durch dessen Mitglieder durchgeführt. Die Mitgliedschaft wird ebenfalls durch Wahl auf acht Jahre erlangt. Das Vorschlagsrecht hat das Exekutivkomitee.
Mit Stand vom August 2024 besteht das IOC aus 149 Personen. Von diesen sind 111 stimmberechtigte reguläre Mitglieder. Dazu kommen 38 Ehrenmitglieder. Kraft Amtes sind die Vorsitzenden bedeutender internationaler Sportorganisationen im IOC vertreten – unter anderem der FIFA oder des Schwimmverbandes FINA.
53 IOC-Mitglieder waren Teilnehmer der Olympischen Spiele, 38 von ihnen gewannen dabei Medaillen. Die Finanzierung des Komitees erfolgt vorwiegend durch den Verkauf von TV-Rechten und sogenannten TOP-Partnerschaften. Dazu kommt der Ticketverkauf bei den Veranstaltungen selbst.
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