Infantinos Treue zu Mutko gefährdet WM-Integrität
FIFA-Boss Gianni Infantino hält trotz der lebenslangen IOC-Sperre an seinem WM-Cheforganisator Witali Mutko fest und stürzt den Fußball-Weltverband damit nach der längst nicht überwundenen Skandal-Ära in die nächste große Glaubwürdigkeitskrise.
Geht es nach Infantino darf Mutko trotz seiner nun aktenkundigen maßgeblichen Beteiligung am russischen Staatsdoping bei den Winterspielen 2014 die WM als nächstes russisches Mega-Sportevent im kommenden Sommer planen. Die angeblich mit Null-Toleranz geführte Anti-Doping-Politik der FIFA wird damit ad absurdum geführt.
Mit Statements aus der Phrasen-Schublade reagierte Infantinos Presseabteilung auf den Olympia-Ausschluss des obersten WM-Machers. „Diese Entscheidung hat keinen Einfluss auf die Vorbereitungen für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2018, da wir weiterhin daran arbeiten, die bestmögliche Veranstaltung zu liefern“, hieß es am Dienstagabend kurz nach dem Urteil in Lausanne, das russische Athleten lediglich unter einschneidenden Auflagen für Winter-Olympia und nur unter neutraler Flagge zulässt und Mutko für immer von den Spielen ausschließt.
Infantinos Kopf-in-den-Sand-Strategie kommt nicht überraschend. Er verfolgt sie in offensichtlicher Ehrfurcht vor Russland schon lange. Die klammen FIFA-Finanzen stürzen ihn offenbar in eine bedingungslose Abhängigkeit gegenüber dem Gastgeber, denn jeder WM-Makel würde den Weltverband wirtschaftlich in massive Bedrängnis bringen.
Noch am Freitag hatte sich Infantino kurz vor der WM-Auslosung an der Seite von Mutko gezeigt und mit Späßchen versucht, die Fragen der Weltpresse zu marginalisieren. „Du bist ein echter Bob- und Skeleton-Experte“, sagte er zu Mutko, der gerade einen wütenden Monolog über die aus seiner Sicht unfaire Berichterstattung zum Doping-Fall kritisiert hatte.
Infantinos Ablenkungsmanöver wirken hilflos. Die FIFA hat 190 Tage vor dem Eröffnungsspiel am 14. Juni im Luschniki-Stadion zwischen dem Gastgeber und Saudi-Arabien ein massives Problem, sollte Mutko nicht Einsicht walten lassen und den Posten räumen. Möglicherweise nimmt ihn sein Förderer, Russlands Staatschef Wladimir Putin, aus strategischen Gründen aus der Schusslinie.
Trevis Tygart, Vorsitzender der amerikanischen Anti-Doping-Agentur USADA, warf im Morgenmagazin des ZDF die Frage auf, ob Russlands Fußballer angesichts der Verquickungen ihres Verbandschefs nicht für das Heim-Turnier gesperrt werden müssten. Medienberichte über Dopinganschuldigungen gegen das russische WM-Team von 2014 hat Mutko im Sommer zurückgewiesen und die FIFA noch nicht intensiv verfolgt.
DOSB-Präsident Alfons Hörmann sieht die FIFA in der Bredouille: „Ich gehe davon aus, dass dieser heutige Tag auf der Ebene der FIFA sehr aufmerksam verfolgt wurde und die Drähte glühen“, sagte er bei Sky. „Für mich ist schwer vorstellbar, dass einer der auf Olympischen Boden nicht mehr willkommen ist, eine prägende und entscheidende Rolle bei der Fußball-Weltmeisterschaft spielt. Das wäre ein verhängnisvoller Signal des Fußballs gegenüber dem Weltsport.“
In den Fokus rückt nun die Ethikkommission des Fußball-Weltverbandes, die Funktionäre wegen deutlich geringerer Vergehen hart bestrafte – allerdings noch unter der Führung des Schweizer Chefermittlers Cornel Borbély und des deutschen Richters Hans-Joachim Eckert. Das Duo, das auch Vorermittlungen gegen Infantino führte, wurde auf Betreiben des FIFA-Chefs nicht wiedergewählt. Wie auch Miguel Maduro als Chef der Governance Kommission. Dieser hatte gegen Infantinos Willen verhindert, dass Mutko wieder für das FIFA-Council kandidieren darf.
Bislang gibt es von der Ethikkammer keine Äußerungen über ein Verfahren oder zumindest eine provisorische Sperre Mutkos, wie sie nach den FIFA-Regularien zwingend wäre. Informationen fließen von dem Gremium spärlich. Für öffentliche Statements ist neuerdings auch Infantinos Medienabteilung zuständig. „In Bezug auf mögliche disziplinarische oder ethische Angelegenheiten, die bestimmte Personen betreffen, obliegt es den jeweiligen FIFA-Organen, diese zu bewerten“, hieß es aus Zürich.
DFB-Präsident Reinhard Grindel forderte erneut eine Revision der FIFA-Politik in Dopingfragen. „Ich kann mich nur wiederholen, dass die Dopingproben außerhalb Russlands in der kompletten Kontrolle der WADA vorgenommen werden müssen, außerhalb des Einflussbereichs von FIFA und Russland“, sagte er kurz vor dem IOC-Urteil. „Ich kann auch nicht verstehen, warum Gianni Infantino diesen Weg zu gehen nicht bereit ist“, sagte Grindel. Beim Confed Cup hatte der FIFA-Chef ironisch über Grindel gesagt: „Er hat jeden Tag eine gute Idee.“
Die Hoheit über die Dopingproben komplett in unabhängige Hände zu geben, wird aber offenbar primär von Infantino und dem Leiter der Medizinischen Kommission, Michel D’Hooghe, verhindert. Der Belgier ist einer der wenigen verbliebenen Funktionäre aus der Ära von Joseph Blatter. Er gehörte auch zu den Wahlmännern bei der umstrittenen WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 und geriet wegen eines Bild-Geschenks aus Moskau ins Zwielicht. Allerdings stellte sich heraus, dass das Gemälde nur den Wert eines Kunstdrucks hatte. (dpa)
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