Guardiola mit Bayern gegen seine große Liebe
„Es ist meine erste Rückkehr nach Barcelona, meinem Zuhause. Natürlich ist es speziell für mich“, gestand der 44-Jährige vor dem Halbfinalduell seines aktuellen Clubs FC Bayern gegen seine langjährige Liebe FC Barcelona. „Es ist ein schönes Spiel, aber nicht einfach“, beschrieb Guardiola die Champions-League-Aufgabe.
Das Duell Pep gegen Barça vergrößert die ohnehin gewaltige Strahlkraft des Gigantentreffens noch einmal. Es geht für den charismatischen Starcoach nicht nur um sportlichen Ruhm, sondern auch um die Ehre. Der Katalane, der mit dem Credo vom ständigen Ballbesitz einst Lionel Messi und Co. von Titel zu Titel lenkte, wird sich nach den zwei Partien auch Bewertungen gefallen lassen müssen, wie gut die einstige und durch Stars wie Neymar oder Luis Suárez entscheidend veränderte Gefolgschaft auch ohne ihren global bewunderten Trainer nun ist.
„Ich wusste, dass es früher oder später passiert“, sagte Guardiola direkt nach der Auslosung zur Reise in die eigene Vergangenheit und versuchte so dem Ausmaß der Aufgabe einen halbwegs normalen Rahmen zu geben. Aber schon im Vorfeld wird bewertet, geschätzt und orakelt. „Wie das Barça mit Trainer Pep Guardiola“, titelte etwa das Sportblatt „Marca“ am Wochenende nach dem 8:0-Kantersieg des FC Barcelona beim FC Córdoba.
Gleichzeitig sieht „Sport“ beim in die Fremde ausgezogenen Sohn die einstige Souveränität verloren. Die Aura, die er hatte, als er von 2008 bis 2012 eine Fußball-Epoche prägte. „Guardiola ist nicht mehr der, den wir kennen. Er ist unruhiger als je zuvor“, schrieb das spanische Blatt. Irgendwo verständlich, wenn man die lange Verletztenliste der Bayern sieht. Die Vergleichbarkeit des topbesetzten Barcelona-Teams mit der gehandicapten Münchner Rumpftruppe ist ebenso wie die von Guardiolas Wirken erschwert.
„Für Pep ist es sicherlich ein besonderes Spiel“, erklärte Bayerns Mittelfeldchef Xabi Alonso und rühmte unter anderem die Führungsstärke seines aktuellen Chefs. Er wisse, „wie man die Unterstützung des Kaders erreicht“. Gepriesen wird allseits die detailversessene Spielvorbereitung Guardiolas. Aber genau darin lauert im Spiel gegen das Ex-Team womöglich eine Gefahr: Der ewige Grübler Guardiola kennt den Gegner besser als jede andere Mannschaft auf der Welt. Er wird bei seinem Matchplan Variante um Variante durchspielen – und könnte sich darin verlieren.
„Bei ihm ist es egal, wer der nächste Gegner ist. Er begegnet jedem Gegner mit der gleichen Intensität“, wiegelte Thiago Alcântara vor seiner Rückkehr ins Camp Nou ab. „Aber klar, Barça kennt er ein bisschen besser.“
Im Alter von 13 Jahren stieß Guardiola zur Jugendakademie des FC Barcelona, La Masia. Mit 19 debütierte der defensive Mittelfeldspieler in der Primera División. Zwei Jahre später gewann er unter Trainer Johan Cruyff den Europapokal der Landesmeister. Im selben Jahr bejubelte er olympisches Gold mit Spanien, Seite an Seite mit dem heutigen Barça-Trainer Luis Enrique. Früh erkannte Cruyff die Fähigkeiten Guardiolas, der das Gedankengut seines Förderers weiter trug und das Kurzpassspiel auch beeinflusst durch Louis van Gaal zur Perfektion trieb.
Insgesamt gewann der Fußball-Stratege Guardiola 16 Titel in 17 Jahren mit Barça, dessen Kapitän der 47-malige Nationalspieler von 1997 an war. Noch eindrucksvoller ist die Trophäen-Ausbeute als Trainer. Sagenhafte 14 Titel, darunter zweimal die Champions League, holte der vom Spiegel als „Ego-Shooter“ bezeichnete Guardiola in der vierjährigen Amtszeit. „Guardiola sollte mit Ehren empfangen werden. Und der ehrenhafte Empfang sollte spontan sein“, erklärte Barcelonas Präsident Josep Maria Bartomeu.
Vor seiner Münchner Zeit, die bis 2016 datiert ist und nach Wunsch von Karl-Heinz Rummenigge zu einer Ära werden soll, benötigte der vom Fußball besessene Guardiola ein Sabbatjahr in New York. Als die Jupp-Heynckes-Bayern im Halbfinale 2013 über die Katalanen mit 7:0 in Hin- und Rückspiel hinwegfegten, war der dreifache Familienvater nicht mehr im Amt. Als zuvor aber der FC Barcelona den Klinsmann-Münchnern 2009 eine 4:0-Lektion erteilte, war Guardiola gerade zu seinem ersten Königsklassen-Triumph aufgebrochen. Tragisch: Sein früherer Assistent und langjähriger Freund Tito Vilanova starb vor einem Jahr an Krebs.
Erinnerungen an die Jahrzehnte von einst werden für Guardiola („Nur das Triple ist gut genug in großen Vereinen“) nicht auszublenden sein. Die ohnehin aufreibende Spielvorbereitung wird noch mehr Kraft kosten als sonst. Seine aktuellen Stars sind aber davon überzeugt, dass ihr Trainer-Genie anders als beim Halbfinal-Debakel vor einem Jahr gegen Real die passende Strategie findet. „Der Trainer wird uns ein Rezept an die Hand geben – den Rest müssen wir Spieler erledigen“, erklärte Weltmeister Thomas Müller. „Més que un club“, mehr als ein Verein, lautet das Vereinsmotto des FC Barcelona. „Més que un partit“, mehr als ein Spiel, heißt es nun für Guardiola selbst.
(dpa)
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