Guardiola büßt an Zauber ein – Bayern hilft nur Wunder
Weder Pep Guardiola noch Rummenigge noch Philipp Lahm und Co. konnten sich das schockierende Habfinal-Erlebnis mit der geballten Messi-Magie in der Champions League wirklich erklären.
„Ich bin traurig, nicht wegen dem Ergebnis, sondern einfach, wie das Spiel gelaufen ist. Die Mannschaft hat 77 Minuten heldenhaft gekämpft, gefightet“, sagte Rummenigge in seiner Ansprache nachts um fünf vor Zwölf und mühte sich um aufbauende Worte. Helfen konnte das wie auch der aufmunternde Beifall der Edelfans im „Salon Cataluña“ des feinen Banketthotels nicht. „Wir sind an unsere Grenzen gestoßen“, gestand Sportvorstand Matthias Sammer. Ohne Ausnahmekönner wie Robben, Ribéry oder Alaba sind die Bayern kein Gegner auf Augenhöhe. „Jetzt müssen wir uns erst mal schütteln“, sagte Sammer.
Nach einer kurzen Nacht schritt Guardiola am Donnerstagmorgen gefasst Richtung Sonderflieger mit dem Namenszug „Leverkusen“ – dem Inbegriff für zweite Plätze im deutschen Fußball. Eine deprimierende letzte Saisonphase steht nun für den Triplesieger von 2013 an. Zwei Jahre nach dem Königsklassen-Triumph und ein Jahr nach dem Double startet der FC Ruhmreich mit größter Wahrscheinlichkeit ohne rauschende Final-Party, dafür aber mit einem Kater und quälenden Fragen in die Sommerpause. Was fehlt zu den Triumphen von 2013? Muss der Umbruch früher vollzogen werden? Gestaltet Pep das Team nun ganz nach seinen Wünschen um?
Guardiola, der in nicht einmal zwei Bayern-Jahren mehr K.o.-Pleiten in der Königsklasse kassierte als in seiner vierjährigen Erfolgsära als Barça-Trainer, mochte der von einer kaum zu glaubenden Verletztenmisere verfolgten Mannschaft „keinen Vorwurf machen“. Angesichts der großen Personalprobleme dankte er sogar seiner Formation: „Ich bin sehr stolz auf meine Spieler. Ein großes Lob.“
Die 95 639 Augenzeugen im Stadion huldigten aber einem einzelnen Akteur: Lionel Messi. Der argentinische Weltstar, der mit Guardiola in vier Jahren 14 Titel gewann, entzauberte seinen Ex-Chef und war am Ende auch vom weltbesten Torwart Manuel Neuer nicht aufzuhalten. „Ein paar Mal bin ich der Gewinner gewesen und am Ende der Verlierer“, erklärte der Welttorhüter, erstmals bezwungen vom viermaligen Weltfußballer. Nach Messis Treffern Nummer 76 und 77 in der Champions League legte Neymar – natürlich nach Vorarbeit von Messi – beim ungestümen Münchner Bestreben auf das so wertvolle Auswärtstor nach. „Das letzte Tor ist natürlich auch noch mal ein Killer“, ergänzte Thomas Müller nach dem glorreichen Tag des 111-Tore-Sturms. Für Verwunderung sorgte Guardiola, als er Müller wie schon gegen den BVB auswechselte.
Das groteske Pokal-Aus gegen Borussia Dortmund schmerzt das Königsklassen-Ausscheiden vor Augen noch einmal richtig nach; zuletzt gab es 2011 keinen Finalauftritt der Münchner. Ein Jahr nach dem krachenden K.o. gegen Real Madrid dürfte Guardiola die Halbfinal-Schmach gegen seine große Liebe noch tiefer ins Herz getroffen haben. Zumal er sich anders als gegen die „Königlichen“ nicht von seinem Credo des absoluten Ballbesitzes abbringen ließ. „Ich werde Fußball nicht auf andere Weise spielen lassen“, versicherte Guardiola. Ein Jahr läuft der Vertrag des Spaniers noch bei seiner schwierigen Mission, die Bayern zum dritten Champions-League-Triumph nach 2001 und 2013 zu führen. Die Münchner Verantwortlichen wollen gerne mit ihm verlängern.
Um doch noch dieses Jahr – am 6. Juni im Berliner Olympiastadion – um Europas Krone zu kämpfen, brauchen die Bayern am Dienstag in der heimischen Arena eine „Fußball-Sensation“ (Müller) oder vielmehr ein „Fußball-Wunder“ (Rummenigge). Dem konfusen 1:3 gegen Porto ließen sie das monumentale 6:1 auf dem Weg ins Halbfinale folgen. Aber gegen dieses Barcelona und erst recht gegen diesen Messi zieht das keiner ernsthaft in Betracht.
Nur einer Mannschaft ist es in 23 Jahren Champions League gelungen, einen Drei-Tore-Rückstand aufzuholen. Deportivo La Coruña wendete 2004 im Viertelfinale nach einem 1:4 beim AC Mailand im Rückspiel noch mit einem 4:0-Heimsieg das Blatt.
Sollte man wie Barcelona vor zwei Jahren gegen München mit dem damals angeschlagenen Messi sogar in beiden Spielen untergehen, ist die Stimmung richtig dahin. Für den 25. Meistertitel wollen sich die Münchner trotzdem an gleich zwei Tagen am Pfingstwochenende im Stadion und auf dem Rathausbalkon feiern lassen – da sind die bayerischen Feierbiester anderes gewöhnt.
Guardiolas Nach-Nachfolger in Barcelona, Luis Enrique, dachte dagegen schon an sein großes Endspiel in Berlin gegen den Erzrivalen Real Madrid oder Juventus Turin. „Ich hoffe, dass meine beste Nacht noch kommt“, erklärte Peps langjähriger Weggefährte. Guardiola wird nach dem vielleicht traumatischen Erlebnis im Camp Nou am Samstag, wenn es im Derby gegen den FC Augsburg geht, erst einmal an die besten Nächte der jüngeren Bayern-Historie erinnert: Die Bayern lassen Triple-Trainer und Barcelona-Bezwinger Jupp Heynckes zum 70. Geburtstag hochleben.
(dpa)
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