Gladbachs Titel-Zurückhaltung schwindet
Marco Rose analysierte den furiosen Bayern-Coup ruhig und völlig gelassen. Das Wörtchen „Meisterschaft“ vermied der Trainer von Borussia Mönchengladbach dabei sehr geschickt.
Mit jedem weiteren Sieg des Tabellenführers bereitet der ambitionierte Coach das Umfeld aber Stück für Stück mehr auf das vor, was in dieser Saison möglich scheint. „Jeder hat gesehen, wo wir hinwollen“, sagte Rose nach dem 2:1 (0:0) gegen den Münchner Rekordmeister im Bundesliga-Klassiker. „Das ist ein Sieg, der uns in unserer Entwicklung hilft. Dadurch können wir jetzt alle gewisse Dinge besser einordnen.“
Nach inzwischen gut zwei Monaten an der Spitze und nun schon sieben Punkten Vorsprung auf die auf Rang sieben abgerutschten Bayern konnte man dies als Fingerzeig verstehen, den die Spieler gern aufnahmen. „Das ist ein Zeichen an die Liga, dass wir nicht aufgeben und gegen eine große Mannschaft gewonnen haben. Das ist ein Big-Point“, sagte Stürmer Breel Embolo selbstbewusst. Für die Fans der Borussia ist völlig klar: Gladbach kann wirklich erstmals seit über vier Jahrzehnten Meister werden.
Parallelen zur bislang letzten Meistersaison 1976/1977 unter Udo Lattek sind durchaus vorhanden. Vor 43 Jahren verteidigte Gladbach zuletzt über Spieltage hinweg die Tabellenführung. So wie nun bereits seit dem siebten Spieltag am 6. Oktober. Vor 43 Jahren empfing Borussia zuletzt die Bayern als Tabellenführer, auch damals gewann Gladbach dieses Hinspiel. Am Saisonende stand die Meisterschaft.
Die Art und Weise, wie Borussia die lange überlegenen Bayern niederrang, führte Rose als Beleg für die Stärke seines Teams an: „Das zeigt, warum wir zu Recht da oben stehen.“ Denn in dem Moment, in dem sich die Bayern für ihr bis dahin starkes Spiel durch Ivan Perisics 1:0 (49. Minute) belohnten, kam Gladbachs unter Rose neu gewonnener, unbedingter Siegeswille zum Vorschein. Das 1:1 durch den starken neuen Linksverteidiger Ramy Bensebaini (60.) reichte den Gastgebern nicht. Borussia stürmte jetzt erst richtig los.
„Nach dem 1:1 hat Gladbach uns gezeigt, warum sie oben stehen. Sie haben richtig Power nach vorne“, sagte Bayerns Interimscoach Hansi Flick nach der zweiten Niederlage am Stück. Eine Woche zuvor hatten die Bayern 1:2 gegen Leverkusen verloren. Die angepeilte Herbstmeisterschaft ist faktisch verloren. Für Gladbach rückt sie immer näher, weil die Borussia erneut eine Qualität zeigte, die bei den Münchnern gemeinhin als Bayern-Dusel bezeichnet wird.
Für ihre furiose zweite Hälfte wurden die Borussen mit einem späten Foulelfmeter belohnt. Javier Martinez hatte Marcus Thuram gefoult und Gelb-Rot gesehen. Erneut der Algerier Bensebaini verwandelte nervenstark (90.+2). „Wenn du in der letzten Minute das 2:1 machst, dann ist das vielleicht etwas glücklich, aber es belohnt einen unfassbaren Willen“, sagte Kapitän Lars Stindl.
Danach brachen im ausverkauften Borussia Park alle Dämme, die Euphorie scheint kaum mehr zu bremsen. Unter Roses Vorgängern Lucien Favre, André Schubert und Dieter Hecking galt jahrelang die Devise, auch mit weniger zufrieden zu sein. Immerhin hatte sich die Borussia noch 2011 erst in der Relegation gegen Bochum gerettet. Dies scheint Rose endgültig nicht mehr zu kümmern.
Mit der Selbstverständlichkeit von zwei österreichischen Meisterschaften mit Salzburg vor seinem Wechsel im Sommer nach Gladbach lebt er seinen Spielern dort nun vor, grundsätzlich alles erreichen zu können. „Es fühlt sich zumindest so an, und wir freuen uns über diese Situation“, sagte Stindl auf die Frage, ob die Borussia unter Rose zum Spitzenteam gereift sei.
Charakteristisch für den 43 Jahren alten Rose ist, seine Spieler auch nach dem nächsten imposanten Auftritt weiter zu pushen und mehr zu wollen. Der Borussen-Coach verwies auf die Überlegenheit der Bayern in der ersten Hälfte, die Rose anders als manch anderer Trainer nicht einfach akzeptierte, weil es nun einmal die Bayern waren. Ziel müsse es sein, den Druck der zweiten Halbzeit auf die Bayern auch über 90 Minuten zu entfachen. „Wenn wir soweit sind, können wir auch über runde Teller reden“, sagte Rose in Anspielung auf die Meisterschale. (dpa)
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