„Wunderteam 2024“: Österreich gewinnt „Todesgruppe“ – und plötzlich Geheimfavorit

Trotz einer Niederlage im Auftaktspiel gegen Frankreich konnte sich Österreich am Dienstag in Berlin mit einem 3:2 gegen die Niederlande den Sieg in der „Todesgruppe“ D der EURO 2024 sichern. Im Achtelfinale trifft das Sensationsteam von Ralf Rangnick nun auf Tschechien oder die Türkei.
Die österreichische Fußball-Nationalmannschaft feiert in Berlin das 3:2 gegen die Niederlande. Österreich setzte sich in der EM-Vorrundengruppe D vor Frankreich, den Niederlanden und Polen als Erster durch.
Die österreichische Fußball-Nationalmannschaft feiert in Berlin das 3:2 gegen die Niederlande. Österreich setzte sich in der EM-Vorrundengruppe D vor Frankreich, den Niederlanden und Polen als Erster durch.Foto: Andreas Gora/dpa
Von 26. Juni 2024

Jubel in Österreich: Nach einem 3:2 im letzten Vorrundenspiel am Dienstag, 25. Juni, gegen die Niederlande ist das seit 2022 vom früheren RB-Leipzig-Coach Ralf Rangnick betreute Team Sieger der Gruppe D. Mit Vizeweltmeister Frankreich, dem Weltranglisten siebenten Niederlande und WM-Achtelfinalist Polen gewann Österreich damit eine der schwersten Vorrundengruppen. Im Achtelfinale wartet nun der Gruppenzweite der Gruppe F. Dieser wird am Mittwochabend ermittelt und ist voraussichtlich entweder Tschechien oder die Türkei.

Österreich zuletzt bei Großturnieren glücklos

Mit dem Sensationserfolg überwindet Österreich eine Art Turniertrauma, welches das Team seit mehreren Jahrzehnten bei Großveranstaltungen begleitet. In der Zeit des sogenannten Wunderteams rund um Josef Smistik und Matthias Sindelar in der Zwischenkriegszeit und in den 1950er-Jahren, als die Mannschaft 1954 WM-Dritter wurde, galt Österreich noch als Fußball-Großmacht.

In den darauffolgenden Jahrzehnten konnte man nur noch einige Achtungserfolge erzielen. Insgesamt versank Österreichs Fußball international im Mittelmaß. Bei den Weltmeisterschaften 1978 und 1982 war jeweils in der Zwischenrunde Endstation, 1990 und 1998 schon in der Vorrunde. Seither konnte sich die Mannschaft nicht mehr qualifizieren. Kurze Zwischenhochphasen konnte die Mannschaft nie dauerhaft stabilisieren.

Bei Europameisterschaften sah es lange Zeit noch trister aus. Im Jahr 2008 war Österreich erstmals seit den kleinformatigen Turnieren Anfang der 1960er mit dabei – als Mitveranstalter. Das Team überstand die Vorrunde nicht. 2016 war Österreich in Frankreich erstmal aus eigener Kraft mit dabei. Trotz teilweise überzeugender Ergebnisse in Qualifikation und Vorbereitung war der Auftritt beim Turnier selbst durchwachsen, in der Vorrunde war Endstation. 2021 bot die Mannschaft teils gefälligen Fußball, schied aber im Achtelfinale gegen den späteren Europameister Italien aus.

Lothar Matthäus sieht ÖFB-Elf als „Mitfavorit“

Im EM-Studio von RTL bezeichnete Lothar Matthäus, mit dem DFB im Jahr 1990 Weltmeister, Österreich nach dem Spiel als „auf jeden Fall“ Mitfavoriten auf den Turniersieg. Das von Rangnick trainierte Team habe „wunderbaren Fußball“ gespielt und das Spiel „70 Minuten voll im Griff gehabt“. Auch qualitativ sei das Duell der beiden deutschen Nachbarländer das bisher beste Spiel der EM gewesen.

Beobachter erklären die neu gewonnene Stärke des österreichischen Fußballs damit, dass es Teamchef Rangnick gelungen ist, Routiniers, spielstarke Individualisten und talentierte Nachwuchskräfte zu einem schlagkräftigen Kollektiv zu formen.

De facto ist Österreichs Fußball darauf auch angewiesen, denn strukturell stellt sich dessen Situation ähnlich dar wie in Dänemark, das im Laufe der 1980er-Jahre auf internationaler Ebene zu einem bedeutenden Faktor geworden war.

Mittelmäßige nationale Liga – aber Akteure mit Weltklasse-Potenzial

Der Vereinsfußball in Österreich und die dortige Bundesliga selbst erreichen international trotz regelmäßiger Ligareformen kaum Spitzenformat. Das liegt unter anderem daran, dass die früher dominanten Wiener Großclubs Rapid und Austria auch auf nationaler Ebene nur noch Mittelmaß darstellen.

Demgegenüber verfügen Clubs wie Altach oder Wolfsberg kaum über die finanziellen und infrastrukturtechnischen Kapazitäten, um Spitzenfußball zu entfalten. Nach Jahren gelang es nun dem Traditionsclub Sturm Graz, den vorherigen Abonnementmeister RB Salzburg zu entthronen.

Die besten österreichischen Spieler sind jedoch darauf angewiesen, ihre Potenziale bei Topclubs in den internationalen Eliteligen zur Entfaltung zu bringen. Dies gelingt immer häufiger. Die Nationalmannschaft kann auf Leistungsträger bauen, von denen die meisten seit Längerem Stammspieler in Vereinen der deutschen Bundesliga, der italienischen Serie A oder der französischen Ligue 1 sind.

Rangnick hat sich freie Hand als Trainer ausbedungen

Der Erfolg des Teams hängt nun davon ab, dass es der Leitung gelingt, die individuellen Potenziale bestmöglich zu kombinieren und zur Entfaltung kommen zu lassen. Während Franco Foda, dem EM-Trainer von 2021, vorgeworfen wurde, die unbestrittene Klasse des Kaders in ein zu enges taktisches Korsett zu zwängen, scheint Rangnick das passende Rezept gefunden zu haben.

Der langjährige „Head of Sport and Development Soccer“ bei der Red Bull GmbH hat sich bei seinem Amtsantritt als ÖFB-Trainer umfassende Befugnisse ausbedungen. Gleichzeitig ließ er nie einen Zweifel an seiner Entschlossenheit, das österreichische Nationalteam als seine Top-Priorität für die kommenden Jahre zu betrachten. Erst vor wenigen Wochen schlug er zugunsten der Österreicher ein wesentlich höher dotiertes Trainerangebot beim FC Bayern München aus.

Ob es Rangnick gelingen wird, den bislang größten Erfolg für das ÖFB-Team bei einer EM im Turniermodus zu übertreffen und ins Viertelfinale einzuziehen, wird sich am 2. Juli an Rangnicks alter Wirkungsstätte in Leipzig zeigen. Gelingt es, ins Viertelfinale vorzustoßen, könnte Belgien der nächste hochkarätige Gegner sein.

Doskozil spricht von „Wunderteam 2024“

Die Fußballeuphorie in Österreich kennt jedoch schon jetzt keine Grenzen mehr. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil schreibt auf Facebook jetzt schon vom „Wunderteam 2024“ und schwärmt:

„Heute haben wir gesehen, was für unsere Nationalelf im Achtelfinale alles möglich ist.“

Auch der israelische Botschafter in Österreich, David Roet, beglückwünschte die Mannschaft auf X.

Das „ballesterer“-Magazin sieht sich bei Österreichs Team zumindest, was „Rahmenbedingungen, Laune und Erfolg“ anbelangt, an die deutsche Weltmeisterelf 1990 erinnert.



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