Es war trotzdem schön

Trotz Finalniederlage war die EURO 2008 ein gutes Turnier
Titelbild
(Markus Gilliar-Pool/Bongarts/Getty Images)
Von 1. Juli 2008

Der österreichische Kaiser Franz Josef hätte bestimmt seine Freude an der EURO 2008 gehabt. Der spanische König Juan Carlos war definitiv erfreut ob der Leistung seiner Elf. Kronprinz Felipe von Spanien, angereist mit seiner Letizia, jubelte im Wiener Ernst-Happel-Stadion ebenfalls den Seinen bei ihrem 1:0-Sieg über unsere Mannschaft zu. Bundeskanzlerin Angela Merkel trug die Niederlage mit Fassung – der Handkuss von Juan Carlos vor dem Match dürfte hier für emotionalen Ausgleich gesorgt haben.

Die Wiener dürfen wieder sanft entschlummern

Drei Wochen Fußball-Mania gingen am Sonntag in Österreich und der Schweiz zu Ende, für die Mannen um Bundestrainer Joachim „Jogi“ Löw bedeutete die Niederlage gegen die nunmehrigen „Campeones“ aus Spanien das Ende des erhofften Sommermärchens. Und die Wiener, alles in allem auf die EURO gut zu sprechen, haben sich ihre Bettruhe zu halbwegs ansprechenden Zeiten redlich verdient.

Als Höhepunkt sei hier das Spiel Türkei – Kroatien genannt. Um 1 Uhr früh ging´s auf den Straßen noch rund, mit Hupkonzert und Autokonvoi der türkischen Schlachtenbummler auf dem Gürtel, einer der größten Wiener Straßen. Alles kein Problem, wäre das nicht erst der Anfang gewesen… „Türkiye“ mit Hupkonzert bis halb 4 Uhr morgens – da sah man den Arbeitskollegen in Wien am nächsten Morgen an, wer in stärker von aus der Türkei stammenden Bewohnern bevölkerten Gegenden wohnt und wer nicht. Dazu kam noch die in Wien grassierende „Krocha“-Epidemie, die Jugendlichen zu Hunderten das Gehirn ausschaltete und sie zu nachtschlafender Zeit in Parks und öffentlichen Plätzen zu teilweise Uralt-„Krachern“ (auf gut österreichisch „Krocha“) wie „Eins, zwei, Polizei“ abtanzen ließ. Ein Trend, der hoffentlich nie seinen Weg nach Deutschland finden wird. Doch so oft hat man die EURO ja nicht vor der Haustür, und spätestens beim Spiel Deutschland – Türkei war der Wettergott gnädig. Es regnete, was die himmlische Regenmaschine hergab, und im Vergleich zur türkischen Gemeinde ist die deutsche Gemeinde in Wien eine eher kleine. Jubelnde Fanmassen fielen auch aus diesem Grund ebenso ins Wasser wie der obligate Autokonvoi.

Ja, hier kam für Spanien schon ein gewisser Bonus zum Tragen. Die meisten Österreicher in den Public Viewing-Zonen hielten für die spanischen Toreros die Daumen. Teilweise, und das gestanden auch viele Österreicher unumwunden ein, nahm die Anti-Deutschland-Stimmung dabei unschöne Züge an. Ein Spiel hört doch immer dann auf, eines zu sein, wenn man nicht mehr beim positiven Anfeuern der eigenen Mannschaft bleibt, sondern gleichzeitig ein anderes Team runtermacht. Das mussten viele Deutsche nicht nur vor dem Match Österreich – Deutschland erleben, nein auch danach wurden „Deutschland, Deutschland, Auf Wiedersehen“-Rufe laut. Nicht die beste, doch auch eine Seite dieser sonst so vorbildlichen Europameisterschaft.

Ein paar Zahlen zum Turnier:
-7.000 Kilometer legten die Spieler bei der EURO am Rasen zurück
– 5.300 Journalisten berichteten aus den offiziellen Fan-Zonen
– 120.000 Besucher kamen in das „größte Kaffeehaus Europas“, Meinls Kaffewelt, das nur für die Zeit der EURO in Wien aufgebaut wurde
– 9.500 Euro kostete beim Internet-Auktionshaus Ebay eine Finalkarte. Später konnte man eine Eintrittskarte um den „Spottpreis“ von 1.000 Euro erstehen
– 190.000 Einsatzstunden leistete das österreichische Rote Kreuz
– 250.000 Menschen waren in Wien am Finaltag bei den Public Viewings unterwegs. In Berlin allein war es vor dem Brandenburger Tor eine Million Menschen.
– 34 Tonnen Müll transportierte die Wiener Müllabfuhr allein nach dem Match Österreich-Polen aus der offiziellen Fanzone. Dazu kamen noch 23 Tonnen Abfall aus der Umgegend.
– 4,50 Euro, so der stolze Preis für ein „Seidel“ Bier, also 0,33 Liter, in den offiziellen Fanzonen.

Einige kuriose Beobachtungen rund um die EURO, die meisten wie nicht anders zu erwarten vor dem Spiel der deutschen Nationalelf gegen die Österreicher. Vor dem Match Österreich – Deutschland wurden etwa eigene Leibchen mit dem Aufdruck „3:2″ fabriziert, in Anlehnung an den hinlänglich zitierten Sieg der österreichischen Mannschaft 1978 in Cordoba. Chefredakteure österreichischer Medien traten im Österreich-Dress zur Arbeit an, und der Kleinkrieg Österreich-Deutschland wurde selbst von Sekretärinnen in Wien ausgefochten – Schwarz-Rot-Gold-farbene Hawaii-Ketten für Damen deutscher Provenienz saßen sich Auge in Auge mit eingeborenen Österreicherinnen in Ketten gleicher Machart, nur eben in Rot-Weiß-Rot. Da verwunderte es einen auch nicht mehr, dass die österreichische Post im Vorfeld des Matches gegen Deutschland einen Schlüsselanhänger herausbrachte, der auf Knopfdruck den legendären Kommentar des österreichischen TV-Moderators Edi Finger zum 3:2 durch Hans Krankl abspielte: „Tor! Tor! Tor! I wea narrisch!“ – was auf gut Deutsch soviel wie „Tor! Tor! Tor! Ich werd´ verrückt!“ bedeutet. Skurril wird es allerdings, wenn in der Redaktion eines der größten Medien des Landes – es sei nicht verraten, in welcher – hochseriöse Marketing-Manager diese Schlüsselanhänger mit den verschwörerischen Worten „Aber nicht jetzt drücken“ an Redaktionsmitglieder verteilen. Und diese, verspielt wie wir Ösis nun mal sind, natürlich gleich aufs Knöpchen drücken. Ab ging die Post, von der Multimedia – in die Sport- bis hinein in die Wirtschaftsredaktion…

„Life is a Game“

Eine überlebensgroße Plakatwerbung zeigte einen Fan, in den deutschen Farben kriegsbemalt, hemmungslos schmusend mit einem in den Farben Österreichs bemalten Mädel. Dazu die Überschrift „Life is a Game“, mit dem ein Internet-Sportwettenanbieter für sich – zugegebenermaßen gelungen – Werbung machte. Eine „Liga für sich“ bildeten die russischen Oligarchen, die zum Halbfinalspiel Russland – Spanien mit den eigenen Privatjets nach Wien anreisten. 200 wollten eine Landeerlaubnis, etwas mehr als 140 konnte der Wiener Flughafen jedoch nicht abfertigen – und das bedeutete bereits einen Allzeitrekord. Stilecht wurden dann die Wiener Nobeladressen wie etwas das „Sacher“ belagert, und es kam schon einmal vor, dass ein Gucci-Täschchen um 26.000 Euro den Besitzer wechselte. Und die Kaviar-verliebten Russen für Versorgungs-Engpässe bei Kaviarschalen sorgten, die den Anbietern nicht nur die Dollarzeichen in die Augen, sondern auch die Schweißperlen auf die Stirn trieben.

Bei der nächsten Europameisterschaft haben es die russischen Fans nicht so weit bei der Anreise nach Polen und die Ukraine, standesgemäß mit den Privatjets werden Abramovich & Co. mit ihrer Entourage wohl auch dann anrollen – zur EURO 2012.

Für diesmal gilt der Lieblingsspruch von Kaiser Franz Josef:
„Es war sehr schön, es hat uns sehr gefreut!“

Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 28/08



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