Flick findet seine Bestimmung: Cheftrainer des FC Bayern
Hansi Flick ist ein anderer Typ als Joachim Löw. Trotzdem hat der einstige Assistent von seinem langjährigen Chef vieles abgeschaut und gelernt, auch das Zupacken, wenn sich plötzlich die Chance des Lebens eröffnet.
Und so hat Flick mit 54 Jahren seine Bestimmung im Fußball gefunden: Cheftrainer des FC Bayern. Anfangs war es eine Kurzzeitlösung für zwei Spiele, dann eine bis Weihnachten – und jetzt eine mindestens bis zum Sommer. Und Flick will mehr: Er möchte den Chefposten dauerhaft besetzen. Eine Rückkehr in die zweite Reihe kann er sich bei Bayern nicht mehr vorstellen.
„Jetzt geht das Ganze bis zum Sommer. Und es macht mir definitiv Spaß. Bayern München ist ein Topverein, der so viel Power hat. Warten wir ab, was die Zukunft bringt“, sagte Flick vor den finalen Tagen der Vorbereitung auf den Rückrundenstart am Sonntag in Berlin gegen Hertha BSC mit Ex-Bayern-Coach Jürgen Klinsmann. Es ist ein heikler Auftakt ins Jahr 2020 – ein womöglich richtungweisender.
„Wir müssen einen guten, erfolgreichen Fußball zeigen. Das ist unsere Aufgabe als Trainerteam“, sagte Flick. Er sieht seinen Job nicht als „One-Man-Show“. Er ist Teamworker, Menschenfänger und ein Chef, der sich um alle kümmert, der jedem einzelnen Mitarbeiter Wertschätzung vermittelt. So will er ein Klima schaffen, das Leistung ermöglicht.
Das führt zurück zum 59-jährigen Löw, dem ewigen Bundestrainer, den der DFB 2006 vom Assistenten zum Klinsmann-Nachfolger beförderte. So wie es mit Flick im Herbst passierte, als Niko Kovac nach einem 1:5 in Frankfurt gehen musste und er als Chefcoach auf Zeit übernahm. 2006 dachte auch keiner, dass der Jogi mal der Bundestrainer mit den meisten Länderspielen werden würde (aktuell 181). Löw holte damals den Hansi als Co-Trainer. Acht Jahre später wurde das Duo im letzten gemeinsamen Länderspiel in Rio de Janeiro Weltmeister.
Die Wege der Gefährten trennten sich. Fast sechs Jahre später trainieren sie nun die beiden wichtigsten deutschen Fußballteams. Der Aufstieg vom zweiten zum ersten Mann, der Titel gewinnt, das ist nun auch Flicks Ziel. Bayerns Triple-Coach Jupp Heynckes, der vor über 30 Jahren beim FC Bayern Trainer des Jungprofis Flick war, ist ebenfalls ein Vorbild. „Man kann sich orientieren, das mache ich auch“, sagte Flick. Aber er sagte auch: „Man braucht seine eigene Identität. Ich will meine eigene Idee von Fußball umsetzen.“
Flicks akribische Arbeit gefällt den Münchner Bossen – und den Spielern. Es ist ungewöhnlich in diesem Business, dass Profis so leidenschaftlich für einen Trainer werben, wie das bei Flick der Fall ist. Im Trainingslager in Katar wirkte das in den täglichen Presserunden fast wie eine Endlos-Werbeschleife pro Hansi.
Das ging so weit, dass Manuel Neuer seine Vertragsverlängerung mit der Besetzung des Trainerpostens verknüpfte. „Für mich ist erstmal wichtig, wie der Weg weitergeht mit Hansi Flick“, sagte der Kapitän. Er traut Flick zu, eine Ära zu prägen, eine langfristige Lösung zu werden. „Natürlich kann er das sein, weil er gute Arbeit leistet.“
Bayern-Urgestein Thomas Müller hat etliche Trainer erlebt: „Ich kannte Hansi bisher als Co-Trainer bei der Nationalmannschaft. Was für ein Typ er ist, das wusste ich. Seine Qualitäten als Cheftrainer konnte ich nicht hundertprozentig einschätzen. Aber wie er es macht, als Chef vor einer Mannschaft zu sprechen, war sehr positiv.“
Müller ist ein Profiteur des Trainerwechsel. Flick sei jedoch nicht nur ein Gute-Laune-Chef, so Müller: „Er hat ganz klare Vorstellungen, die er umgesetzt haben will.“ Er gebe den Spielern einen „Leitfaden“ an die Hand. Die Spieler wiederum sehnen sich nach Konstanz. „Ich bin im fünften Jahr bei Bayern und habe schon den fünften Trainer, was untypisch ist für einen Club wie Bayern“, sagte Joshua Kimmich.
Der Nationalspieler schätzt nicht nur Flicks empathisches Auftreten, sondern auch dessen fußballerischen Ansatz. „Wie wir spielen, ist wieder attraktiver geworden. Wir attackieren höher, wir pressen höher, wir zwingen den Gegner auch mal zu Fehlern“, erläuterte Kimmich. „Wir Spieler sind zufrieden, und das merkt man auch.“
Natürlich sind Ergebnisse und Trophäen die Messlatte, an der ein Bayern-Trainer bewertet wird. Im einzigen Testspiel gab es ein 2:5 gegen den 1. FC Nürnberg. „Hier ist es so: Wenn du Zweiter wirst mit einem Tor Unterschied, hast du keine gute Saison gespielt“, sagte Flick selbst. Eine erfolgreiche Liga-Jagd auf RB Leipzig könnte ihm die Zukunft sichern. Auch in der Champions League sollte für Flick im Achtelfinale gegen den FC Chelsea besser nicht Endstation sein.
Acht von zehn Partien konnte Flick vor der Winterpause gewinnen. Er sei „vollkommen relaxed“, behauptete er. Ein bisschen geflunkert war die Aussage schon. Ein Bayern-Trainer ist niemals entspannt. Und die eindringliche Forderung nach Neuzugängen als Reaktion auf die lange Verletztenliste zum Rückrundenstart belegte Flicks Anspannung. „Wenn alle fit und gesund sind, hat der Kader sehr hohe Qualität“, sagte er. Aktuell fehlen aber Süle, Hernández, Martínez, Coman und Gnabry. Lewandowski wurde operiert, soll aber schnell zurück sein.
„Der Hansi spürt jetzt als Cheftrainer den Erwartungsdruck“, sagte Hasan Salihamidzic. Flick ist aktuell die erste Option für die Zeit über den Sommer hinaus. Salihamidzic und dem neuen Vorstandsmitglied Oliver Kahn gefiel, was sie in der vergangenen Woche in Katar sahen. „Das Trainingslager war ein bisschen intensiver als die, die wir in den letzten Jahren hatten“, stellte Salihamidzic zufrieden fest.
Den Bossen gefällt auch, wie intensiv sich den Nachwuchskickern vom „Bayern Campus“ plötzlich gewidmet wird. Den 18-jährigen Joshua Zirkzee wechselte Flick vor Weihnachten zweimal als Joker ein. Beide Male traf der Holländer und wurde zum Matchwinner. „Er hat als Stürmer das umgesetzt, was gefordert ist: Er hat Tore erzielt“, sagte Flick. Vielleicht werde aus Zirkzee oder einem anderen Eigengewächs irgendwann doch mal wieder ein neuer Thomas Müller, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger oder David Alaba, bemerkte der engagierte Talentförderer Flick: „Das würde uns allen gut tun.“ Auch ihm. (dpa)
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