FCB-Herbst-Krise: Mentalitätsdebatte und Personalsorgen
Augsburg (dpa) – Nachdem die bedienten Bosse mit finsteren Mienen die Münchner Kabine verlassen hatten, äußerte Kapitän Manuel Neuer einen kurzen Wunsch.
Auf die Frage, ob der FC Bayern nach dieser selbst verschuldeten 2:2-Enttäuschung beim FC Augsburg wieder in eine Herbst-Krise stürzt, antwortete der Torwart: „Ich hoffe nicht.“
Dabei spricht fast alles dafür: Der schlechteste Saisonstart seit neun Jahren, Mentalitätsprobleme, ein weiterhin frustrierter Thomas Müller und zu allem Überfluss der Kreuzbandriss bei Abwehrchef Niklas Süle. Der Fußball-Rekordmeister hat sich und Trainer Niko Kovac wie schon vor einem Jahr in gefährliche Turbulenzen gestürzt. Der scheidende Präsident Uli Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge verzichteten am Wochenende auf eine öffentliche Analyse. Neuer beurteilte das Derby-Gastspiel als „nicht Bayern-like“.
„Sie werden die Punkte von letztem Jahr anschauen und Parallelen ziehen. Das ist Ihr gutes Recht“, äußerte Kovac, den nun ähnliche Diskussionen wie schon vor zwölf Monaten erwarten. Mit nur vier Siegen und 15 Zählern stehen die Münchner nach acht Ligapartien so schlecht da wie letztmals im Herbst 2010 unter Trainer Louis van Gaal (11 Punkte). Der Niederländer wurde noch vor Saisonende gefeuert.
Auf eine Trainerdebatte wollte sich Sportdirektor Hasan Salihamidzic am Samstagabend freilich nicht einlassen. „Wir ziehen alle an einem Strang, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen“, sagte er.
Dabei räumte Kovac selbst ein, dass seine Ansagen vom Team nicht befolgt wurden. „Was mich maßlos ärgert, ist die Tatsache, dass wir in entscheidenden Situationen nicht so verteidigen, wie ich mir das vorstelle“, bemängelte er. Sowohl beim 0:1 durch Augsburgs Marco Richter als auch beim 2:2 in der Nachspielzeit von Alfred Finnbogason ließ sich die Bayern düpieren. „Wir haben zweimal geschlafen“, schimpfte Kovac und befand: „Umsetzen müssen es die Spieler.“
Torwart Neuer eröffnete dazu eine Mentalitätsdebatte. „Ich denke, dass es natürlich auch ein Kopfproblem ist“, haderte er nach den zwei Gegentoren. Wenn man dem Gegner so hinterherlaufe und sich die Punkte dann klauen lasse, sei das nicht der Anspruch, unterstrich er. Die Patzer passen „ein bisschen ins Bild“, fand der Routinier. „Ich will nicht sagen, dass es überheblich ist, aber es ist ein bisschen lässig und ein bisschen zu selbstbewusst“, resümierte Neuer.
Neben den Defensivpatzern und Ungenauigkeiten im Spielaufbau sorgte die Abschlussschwäche dafür, dass die Münchner vor dem Gruppenspiel in der Champions League am Dienstag (21.00 Uhr) bei Olympiakos Piräus noch mehr unter Druck stehen. Die Treffer von Tor-Rekordler Robert Lewandowski, der als zweiter Bundesligaspieler nach Pierre-Emerick Aubameyang in jedem der ersten acht Saisonspiele mindestens ein Tor erzielte, und Nationalspieler Serge Gnabry reichten nicht.
Das lag auch an Philippe Coutinho und Thomas Müller. Der Brasilianer vergab aus wenigen Metern freistehend vor FCA-Torhüter Tomas Koubek ebenso wie Müller in der Nachspielzeit das 3:1. Hätte Coutinho die Partie vorentschieden, dann hätte er Trainer Kovac gestärkt. Der Coach hatte den Neuzugang im sechsten Pflichtspiel nacheinander Müller vorgezogen. „Wir leben in einer Leistungsgesellschaft“, sagte Kovac zu der brisanten Personalie. Übersetzt hieß das: Der 30 Jahre alte Müller ist nicht (mehr) gut genug für die Startelf.
Auf diese nächste brisante Kovac-Aussage hätte Müller auf dem Platz antworten können, indem er als Joker das entscheidende Tor macht. Der Weltmeister von 2014 aber vergab. Sein persönliches Happy End blieb aus. Und am Ende standen Kovac, Coutinho und Müller als Verlierer da.
Dass die Münchner den Großteil der Saison ohne ihren Abwehrchef Süle bewältigen müssen, verkompliziert die Lage. Der Nationalspieler verdrehte sich bei einem Zweikampf ohne Fremdeinwirkung das linke Knie, am Sonntag folgte die befürchtete Diagnose: Kreuzbandriss.
Der 24-Jährige fällt nach einer Operation bis in das EM-Jahr 2020 hinein aus. Immerhin hat Kovac Ersatz für Süle im Kader. Benjamin Pavard, Lucas Hernández, Jérôme Boateng und Javi Martinez können in der Innenverteidigung spielen, alles aktuelle oder frühere Eeltmeister. Vergangene Triumphe aber sind keine Garantien für Erfolge, das wissen die Bayern und auch Kovac.
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