EM-Vergabe: Deutschland als Favorit mit Restzweifeln
Vor der Entscheidung über den EM-Gastgeber 2024 herrscht beim Deutschen Fußball-Bund vorsichtiger Optimismus. Im Zweikampf mit der Türkei gilt Deutschland als Favorit.
Die Entscheidung treffen die Mitglieder des UEFA-Exekutivkomitees am Donnerstag bei ihrer Sitzung am Genfer See. Im Wahlkampf-Endspurt setzt der DFB auch auf Uwe Seeler und Joachim Löw.
Wie stehen die deutschen Chancen auf einen EM-Zuschlag?
Die DFB-Delegation um Frontmann Philipp Lahm und Präsident Reinhard Grindel kann selbstbewusst zur UEFA nach Nyon reisen. Die Prognosen deuten auf einen Sieg hin, wenn auch einen knappen. „Ich glaube, wir gehen mit einem leichten Vorsprung in die nächste Woche“, sagte Bundestrainer Joachim Löw am Wochenende in London.
Hoffnung macht der UEFA-Evaluationsbericht, in dem der DFB besser bewertet wurde als die Türkei. Menschenrechte und wirtschaftliche Verlässlichkeit sind die deutschen Pluspunkte. Eine Garantie bietet das technische Zeugnis aber nicht. Katar schnitt vor der Vergabe der WM 2022 mit Abstand am schlechtesten ab und bekam den Zuschlag der FIFA.
Worauf kommt es für den DFB im Schlussspurt der Vergabe noch an?
Ruhe bewahren und keinen verbalen Fauxpas begehen. Dieses Motto hat der DFB sich für die finalen Stunden vor der Kür selbst auferlegt. Besonders kritische oder spöttische Kommentare über den Konkurrenten sind strikt untersagt. Grindel muss am Mittwochabend im Zirkel der UEFA-Wahlmänner noch Klinken putzen. Den finalen Ausschlag könnte dann die Präsentation auf der UEFA-Bühne am Donnerstag geben, wenn der DFB ein Video mit Größen wie Uwe Seeler zeigt und unter anderen Löw und Lahm auf dem Podium sind.
Wie will der Konkurrent Türkei punkten?
Dreimal scheiterte die Türkei bereits mit einer EM-Bewerbung für die Turniere 2008, 2012 und 2016 denkbar knapp mit 6:7-Stimmen an Frankreich. Jetzt setzt man auf die Erschließung neuer Fußball-Märkte als Tor gen Osten und vor allem auf eine im Gegensatz zu Deutschland bedingungslose Unterstützung durch die eigene Regierung. Präsident Recep Tayyip Erdogan ist großer Fußball-Fan und schaltete sich persönlich in den Wahlkampf ein. Das kommt wohl speziell bei Wahlmännern aus Osteuropa gut an, wo der Politiker nicht so umstritten ist wie in Deutschland.
Spielt die Özil-Affäre eine Rolle?
So aufgeregt Fußball-Deutschland über die Fotos von Mesut Özil mit Erdogan auch debattierte, der Schaden für die deutsche EM-Kandidatur ist trotz der Rassismus-Vorwürfe des Ex-Nationalspielers begrenzt. Kein UEFA-Wahlmann dürfte sein Votum pro Deutschland deshalb überdenken. In den UEFA-Zirkeln gab es sicher Häme über den verkorksten deutschen WM-Sommer aber bei der EM-Wahl spielen andere Kriterien eine Rolle – zum Beispiel die ökonomischen Perspektiven für den Kontinentalverband oder eine reibungslose Turnierorganisation.
Wie läuft die Wahl am Donnerstag?
Wahlberechtigt sind die Mitglieder des UEFA-Exekutivkomitees mit Ausnahme von DFB-Chef Reinhard Grindel und dem türkischen Vertreter Servet Yardimci. Inklusive UEFA-Chef Aleksander Ceferin verbleiben 18 Wahlmänner. Allerdings fehlt der Schwede Lars-Christer Olsson aus gesundheitlichen Gründen und wohl auch der ECA-Vertreter Andrea Agnelli, womit noch 16 Stimmen zu vergeben sind.
Da es nur zwei Kandidaten gibt verzichtet die UEFA auf eine mathematisch irrelevante Stimmengewichtung mit zwei Sonderpunkten für die präferierte Kandidatur. Alle Wahlmänner müssen einfach ein Kreuz auf ihrem Stimmzettel machen. Bei einem Patt würde die Stimme Ceferins den Ausschlag geben. Der Slowene gilt als sicherer Unterstützer der deutschen Bewerbung.
Wo würde 2024 in Deutschland gespielt werden?
Um jedem Verdacht der Mauschelei vorzubeugen, band der DFB bei der Wahl seiner Spielorte auch Transparency International ein. Das Bewerbungsverfahren endete in einem Evaluationsbericht. Letztlich wurden die demnach besten zehn Stadien ausgewählt: Berlin, München, Düsseldorf, Stuttgart, Köln, Hamburg, Leipzig, Dortmund, Gelsenkirchen und Frankfurt. Keine EM-Spiele wird es hingegen in Nürnberg, Hannover, Mönchengladbach und Bremen geben.
Was würde ein Wahlniederlage für den DFB und seinen Präsidenten Reinhard Grindel bedeuten?
Ein EM-K.o. wäre für den deutschen Fußball auf den Tag genau drei Monate nach dem WM-Scheitern in Russland der nächste Nackenschlag. Die sonst so große internationale Reputation wäre erstmal dahin. Sogar Generalsekretär Friedrich Curtius rechnet dann mit neuen Debatten. „Es ist leider normal, dass im Falle eines Misserfolgs wieder Struktur- und Personaldiskussionen geführt werden, auch wenn dies vielleicht nicht immer gerecht ist“, sagte er der „FAZ“.
Präsident Grindel könnte eine Niederlage den Job kosten. Seine Position ist nach dem WM-Debakel und einem miserablen Krisenmanagement im Fall Özil ohnehin geschwächt. Der Ruf nach einer grundlegenden Strukturreform im deutschen Fußball und einer Zukunft ohne Grindel dürfte schnell laut werden. (dpa)
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