Die „Mobile Fanbotschaft“ auf der Euro 2008
Das „feuerrote Fanmobil“ war nicht nur der heimliche Star des EM-Turniers, sondern wohl auch das gefragteste Fotomodell überhaupt. Dieser 50 Jahre alte Mercedes-Feuerwehrbus diente an den Spielorten unserer Nationalmannschaft als „Mobile Fanbotschaft“ und legte in dreieinhalb Turnierwochen insgesamt 3.732 km zurück. Während des gesamten Turniers war an den „deutschen“ Spielorten Klagenfurt, Wien und Basel ein 12-köpfiges Team mit zehn Praktikern aus der Fan-Projektarbeit und zwei externen Webmastern für die Fans da. Kernstücke der umfangreichen Fanbetreuung durch die „Mobile Fanbotschaft“ waren die 24-Stunden-Helpline und die stets aktuelle Website (www.fanguide-em2008.de), die selbstverständlich durch Streetworker in den Innenstädten, Fan-Zonen und Stadien ergänzt wurden. Seitens des nationalen und europäischen Verbandes erfuhr dieses Projekt eine hohe Wertschätzung. Die Epoch Times sprach mit Matthias Stein, einem der deutschen „Fanbotschafter“ in der Schweiz und in Österreich, der nun schon zum wiederholten Male bei einer solchen Fanbetreuungsmaßnahme der Koordinationsstelle Fan-Projekte (KOS) dabei war.
ETD: Herr Stein, worin bestand die Arbeit der „Fanbotschaft?“
Stein: Das Fanmobil, unsere sogenannte „Fanbotschaft”, ist im eigentlichen Sinne tatsächlich so wie eine Botschaft im Ausland zu sehen und wir machen vorrangig das, was eine Botschaft im Ausland auch für seine Bürger tut: vermitteln, helfen und Informationen geben. Dabei können dies alle möglichen Infos sein, die die Fans bei uns am Bus bekommen. Von Wissenswertem zu Land und Leuten oder wie komme ich zum Stadion, wo kann ich meine gebuchte Karte für die KO-Runde abholen bis hin zur kostenlosen Mitnahme des „Fanguides”, einem kleinen Heftchen mit allen wichtigen Informationen. Dazu hatten wir auch noch eine 24-Stunden-Hotline, um bei Problemen helfen oder vermitteln zu können.
Unsere Teamleitung war auch zu jeder Zeit in die Spielbesprechungen mit der Polizei und der UEFA eingebunden. Darüber hinaus hatten wir regelmäßige Meetings mit dem DFB und wir waren mit den örtlichen Organisationskomitees vernetzt.
ETD: Wie konnten die Fans diese Fanbotschaft finden?
Stein: Das Fanmobil stand immer an markanten Stellen in den jeweiligen Spielorten – in Klagenfurt standen wir direkt in der Fanmeile; in Wien am Schwedenplatz, wo eh fast jeder vorbei musste und in Basel standen wir auch unmittelbar am Fanboulevard. Natürlich sind auch Mitarbeiter unseres Teams im Stadion als Ansprechpartner für die Fans präsent gewesen.
ETD: Wie lange gibt es diese Fanbotschaften schon und wer arbeitet in den Fanbotschaften?
Stein: Das hat sich eigentlich schon seit 1990, bei der WM in Italien, bei jedem Turnier bewährt. Hier arbeiten Fan-Projektmitarbeiter von den verschiedensten Vereinen in Deutschland, die den Fans schon aus den Ligen bekannt sind und die auch selbst, und das ist besonders wichtig, die Fan-Szene kennen. Diese Mitarbeiter sind von ihren Arbeitgebern freigestellt, oder besser „abgestellt“ wurden – so wie auch die Nationalspieler von ihren Clubs an die Nationalmannschaft „abgestellt“ werden. Diese ganze Maßnahme lief dann über die Koordinationsstelle der Fan-Projekte; der DFB hat diese Sache bezuschusst und alles war eingebettet in das von der UEFA geförderte „Fans-Embassies-Programm“.
ETD: Gab es irgendwelche Vorfälle, die besonders positiv oder negativ waren?
Stein: Vorfälle von irgendwelchen negativen Ereignissen, die die Medien besonders interessiert hätten, gab es nicht – nur am Vorabend des Polenspiels gab es ein paar Verhaftungen von einigen wenigen Fans, die sich nicht benehmen konnten.
Richtige Highlights waren dann die Zusammenarbeit bei den Final- und Halbfinalspielen mit den Kollegen der Fanbotschaften der jeweils anderen Nation. Wir haben dann in Basel eine gemeinsame deutsch-türkische Fanbotschaft und in Wien eine deutsch-spanische Fanbotschaft „eröffnet” – das war eine tolle Sache.
Gerade auch beim Spiel Deutschland – Türkei war es eine sehr angenehme Atmosphäre. Es kamen auch sehr viele Migranten aus dem deutschsprachigen Raum zu unserer Botschaft, die dann zusammen mit ihren deutschen Arbeitskollegen, Nachbarn oder Freunden anreisten. Man sah oft Gruppen, in denen der eine ein türkisches Trikot und der andere ein deutsches Trikot trug. Auch nach dem Spiel wurde zusammen gefeiert und ich habe oft gesehen, dass Deutsche zu den Türken gegangen sind, ihnen auf die Schulter geklopft haben und gesagt haben „Kopf hoch, das war knapp und ihr hättet auch gewinnen können”. Das war eine sehr angenehme Atmosphäre.
Positiv war für mich auch zu sehen, wie professionell und sachlich die deutsche Polizei auf der Basis von österreichisch-schweizerischem Recht im Zuge der Amtshilfe auch agieren kann. Die haben gerade in Klagenfurt einen super Job gemacht – wirklich sehr ruhig und sehr sachlich – das würde ich mir im Ligaalltag auch gerne öfter mal in dieser Form wünschen.
ETD: Stichwort „Klagenfurt”: Dort haben ja haarsträubende Gerüchte über Fußballfans in den Zeitungen gestanden…
Stein: Das war tatsächlich sehr abenteuerlich und es wurde gerade in Klagenfurt vor den Spielen eine Panik sondergleichen verbreitet. Also da standen dann in den Zeitungen sogenannte „Hinweise”, dass die Frauen nur noch in Gruppen auf die Straße gehen sollten – und das auch nicht abends – weil sie ja sonst in Scharen von den Fans missbraucht werden würden. Auch wurde von der Stadtverwaltung Pfefferspray an Verkäuferinnen ausgegeben – ich vermute mal, weil deutsche Hooligans dafür bekannt sind, Bäckerläden zu überfallen, um 100 kleine Brötchen zu erpressen. Keine Geschichte war den Gazetten zu skurril, auch nicht die, dass die polnischen Fans Armbänder hätten, mit denen man Polizeihunde anlocken und töten könne. In dem Zusammenhang wurde außerdem noch publiziert, dass in den Baumärkten angeblich plötzlich alle Spitzhacken und Ketten von Hooligans aufgekauft wurden… Es wurde sehr viel Unsinn über die Medien verbreitet und für meine Begriffe hat weder das Organisationskomitee noch die Stadtverwaltung, noch die Kärntner Landesregierung wirklich etwas Effizientes dagegen unternommen.
ETD: Wie fällt denn Ihr Fazit für die EM und für die Fanbotschaft aus, Herr Stein?
Stein: Es ist ein sehr positives Fazit, denn, gemessen an meinen Erfahrungen von der EURO ’96 in England und der EURO 2000 in Belgien und den Niederlanden, war die Fan-Betreuungsmaßnahme zur EURO 2008 sicherlich die umfangreichste und beste. Ein super Team hat fast einen Monat lang hervorragend zusammengearbeitet. Daneben muss aber auch die hervorragende Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen des DFB, sei es die Sicherheitsabteilung, das Ticketing oder die Fan-Anlaufstelle, gewürdigt werden, denn auch hier wurden neue Maßstäbe gesetzt. Das ganze war dieses Mal wieder eine sehr angenehme Geschichte.
ETD: Vielen Dank, Herr Stein, für das Gespräch.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion