Die Bundesliga als zerbrechliches Hochglanzprodukt
Im Fußball geht die Angst um. Die Corona-Krise bedroht Clubs von der Bundesliga bis in die Kreisklasse. Der Satz „Es geht ja nur noch ums Geld“ ist mittlerweile kein Vorwurf mehr, sondern ein Hilferuf.
In der aktuellen Lage geht es nicht in erster Linie um den Fußball als schönste Nebensache der Welt. Es geht um den Fußball als Arbeitgeber für rund 56.000 Menschen alleine in der 1. und 2. Liga – sowie viele weitere Arbeitnehmer in verbundenen Geschäftsfeldern. Wie groß die finanziellen Auswirkungen der bislang bis mindestens in den Mai anhaltenden Spielpause genau sein werden, weiß keiner. Fest steht aber: So groß war die Prüfung für das Milliardengeschäft noch nie. Steht der Spitzenfußball vor einer Zeitenwende?
Ohne die Einnahmen aus TV, Ticketing und Sponsoring seien viele Vereine in „akuter Gefahr“, hatte Seifert nach einer Krisensitzung der 36 Proficlubs gesagt und damit noch nicht einmal alle Problemfelder genannt. Niemand weiß derzeit, wie sich die Krise auf den Transfermarkt im Sommer auswirkt. Clubs, die mit Millioneneinnahmen durch Spielerverkäufe geplant haben, könnten große Probleme bekommen. Zudem bleiben Fanshops und Vereinsmuseen geschlossen, Stadionführungen und andere Veranstaltungen finden nicht statt.
Wie ernst die Lage ist, haben auch viele Spieler erkannt. Durch den Verzicht auf einen Teil ihres Gehalts senken sie die Ausgaben ihrer Arbeitgeber. Einige Clubs haben zudem bei einem Teil ihrer Mitarbeiterschaft auf Kurzarbeit umgestellt. Während die exakten Folgen schwer abzusehen sind, ist die grundsätzliche Rechnung simpel: Wird nicht gespielt, bricht die Geschäftsgrundlage weg. In manchen Club-Bereichen schneller, in anderen langsamer.
Werder Bremens Geschäftsführer Klaus Filbry spricht von Dimensionen, „die selbst große Vereine nicht lange durchhalten“ könnten. „Was uns als Branche jetzt trifft, war nicht vorhersehbar, nicht planbar und nicht versicherbar“, betont Filbry. Auch Rücklagen hätten da nicht geholfen. „Dafür sind die Beträge, um die es jetzt geht, einfach zu hoch.“
Für die Fußballvereine gilt wie für jedes Wirtschaftsunternehmen mit großer Konkurrenz: Stillstand ist Rückschritt. Um im harten Geschäft mithalten zu können, in der Liga zu bleiben, vielleicht um die lukrativen Europapokal-Wettbewerbe mitzuspielen, wird ein Großteil des eingenommenen Gewinns vor allem reinvestiert. Große Reserven sind bei den meisten Clubs nicht vorhanden. Wie lange die Vereine ohne Ligaspiele überleben, unterscheidet sich von Verein zu Verein und hängt nicht nur vom aktuellen Vereinsvermögen ab.
Am stärksten von der Corona-Krise betroffen seien „jene Vereine, die in ihrer Finanzstruktur einen hohen Anteil an Zuschauereinnahmen aufweisen“, sagt Sportökonom Christoph Breuer der Deutschen Presse-Agentur. „Das sind zum Beispiel Traditionsclubs in der 3. oder 2. Liga.“
Auch in der Bundesliga gibt es große Unterschiede. Der VfL Wolfsburg hat als 100-prozentige Tochter des VW-Konzerns bessere Voraussetzungen für die Krise als andere Clubs, wie Geschäftsführer Jörg Schmadtke bereits erklärte.
Die Erstligisten nahmen in der Saison 2018/19 direkt durch die Spiele 520,1 Millionen Euro ein – hauptsächlich durch Ticketverkäufe. Das entspricht einem Anteil an den Gesamteinnahmen von 12,9 Prozent, wie aus dem DFL-Wirtschaftsreport 2020 hervorgeht. In der 2. Liga, betrug der Anteil 16,8 Prozent. Tiefere Spielklassen, in denen TV-Einnahmen eine geringere Bedeutung haben, sind noch mehr von Eintrittskartenverkäufen abhängig.
Die mediale Verwertung hat in der 1. Liga mit 36,9 Prozent (1,48 Milliarden Euro/Saison 2018/19) den größten Anteil an den Einnahmen. Ob die nächsten Tranchen der TV-Gelder wie geplant überwiesen werden, hängt vor allem wohl davon ab, ob der Ball in den nächsten Monaten wieder durch die Stadien rollt. Ob mit Zuschauern oder ohne – was zunächst aller Voraussicht nach die einzige Option sind wird -, ist dabei nur sekundär.
Die meisten Ausgaben fallen bei Spielergehältern an. Der Posten „Personal Spielbetrieb“ machte 36,8 Prozent (1,43 Milliarden Euro) des Gesamtaufwandes der höchsten deutschen Spielklasse 2018/19 aus. Zum Vergleich: „Personal Handel/Verwaltung“ schlägt nur mit 6,9 Prozent in der Bilanz zu Buche.
Im Vergleich zu anderen Top-Ligen in Europa steht die Bundesliga beim Anteil der Spielergehälter an Umsatzerlösen noch gut da. Laut der letzten Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte liegt der Anteil der deutschen Eliteklasse bei 53 Prozent, in der Premier League bei 59, in Spanien bei 66 und in der Ligue 1 bei 75 Prozent.
Aber auch so ist klar: Das größte Einsparpotenzial liegt bei den Spielergehältern. Ob der Verzicht, der bei einigen Vereinen bei rund 20 Prozent liegt, da ausreicht, ist auf Dauer fraglich und hängt ebenfalls entscheidend von der Dauer der Spielpause und weiteren Einnahmemöglichkeiten ab.
Die Solidaritätsaktion der vier Champions-League-Teilnehmer Bayern München, Borussia Dortmund, RB Leipzig und Bayer Leverkusen mit insgesamt 20 Millionen Euro für Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga ist löblich, aber wird nachhaltig den betroffenen Vereinen nur wenig helfen.
Auf der Suche nach neuen Geldquellen könnten Investoren aus Sicht von Sportökonom Breuer von der Deutschen Sporthochschule Köln zunehmend wichtig werden. Die im deutschen Fußball geltende 50+1-Regel schränkt dabei allerdings den Handlungsrahmen der Vereine ein.
„Ich kann natürlich auch mit der 50+1-Regel Investoren suchen, die dann halt nicht die Stimmenmehrheit übernehmen“, sagt Breuer. „Aber es würde zusätzliche Möglichkeiten geben, wenn es die 50+1-Regelung nicht gäbe.“ Im internationalen Vergleich – zum Beispiel mit englischen Clubs – könnte sich der Wettbewerbsnachteil für die Bundesligisten ausweiten.
Bei allen Ungewissheiten und Unwägbarkeiten scheint festzustehen: „Es wird überall Abstriche geben“, wie es Eintracht Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic in der Tageszeitung „Die Welt“ formulierte. Der 48-Jährige bleibt dennoch zuversichtlich. Der Fußball sei immer erfinderisch gewesen. Er sei sicher, „dass es auch dieses Mal wieder Lösungen geben wird“.
Wie diese Lösungen dann aussehen und in welchem Ausmaß sie den in Deutschland beliebtesten Sport verändern, ist völlig offen. Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß prognostizierte im „Kicker“ jedoch bereits: „Es wird sehr wahrscheinlich eine neue Fußballwelt geben.“ (dpa)
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