Das deutsche Debakel: Bundesliga gegen Premier League 0:3
Das Echo ist laut und schrill und aufgeschreckt. „Deutsches Desaster“, titelte der „Kicker“. „Wir sind nur noch zweitklassig“, kommentierte die „Bild“.
Nach genau einem Monat sind die deutsch-englischen Duelle in der Fußball-Champions-League so ausgegangen, wie es nicht einmal die größten Skeptiker befürchtet hatten. Dreimal sind die Vereine aus der deutschen Bundesliga an ihren englischen Gegnern gescheitert. Von insgesamt sechs Spielen gingen aus deutscher Sicht fünf verloren.
Beim Torverhältnis hieß es am Ende 17:3 für die Premier League. Und besonders peinlich ist für den FC Bayern München, für Borussia Dortmund und Schalke 04, dass ihre drei Treffer in sechs Achtelfinal- Spielen aus zwei Elfmetern und einem Eigentor resultierten.
Warum nun zum ersten Mal seit 2006 kein Bundesliga-Verein mehr zu den besten acht Teams der Champions League gehört und was das für den deutschen Fußball bedeutet, dazu gibt es grob gesagt zwei Ansichten. Die einen sehen darin angesichts des großen wirtschaftlichen Gefälles zwischen der Premier League und der Bundesliga keine Überraschung.
Die anderen halten diesen Dreifach-K.o. für ein Alarmzeichen und stellen ihn in eine Reihe mit dem WM-Aus der Nationalmannschaft und den jüngsten ebenfalls pro-englischen Entwicklungen im Jugendfußball.
Dazu gehört auch der frühere Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack, der schon 2006 vom FC Bayern zum FC Chelsea wechselte, weil er der Überzeugung war, die Champions League eher mit einem englischen Club gewinnen zu können. „Wir sind bei der WM zeitig ausgeschieden und in der Nations League abgestiegen. In der Champions League ist für alle deutschen Mannschaften im Achtelfinale Schluss“, sagte der 42-Jährige als Studiogast des TV-Senders Sky nach dem 1:3 (1:1) der Bayern gegen den FC Liverpool. „Das ist ein Fingerzeig, dass wir nicht alles richtig machen. Der deutsche Fußball ist generell an einem Punkt, wo wir uns mal hinterfragen müssen.“
Unterstützung erhielt die Bundesliga dagegen ausgerechnet von einem, der sie 2015 Richtung England verließ. Jürgen Klopp, der Trainer des FC Liverpool und große Triumphator des Mittwochabends, sagte nach dem Rückspiel in München: „Über die beiden Ligen sagen diese Champions-League-Spiele nicht so wahnsinnig viel aus. Das Problem der Premier League ist nicht, dass alle Mannschaften dort besser sind als in der Bundesliga. Es gibt dort aber nunmal sechs, sieben Clubs, die in jeder Liga der Welt vorne mitspielen würden. Das ist so. Das macht es so speziell.“ Ansonsten „sind wir ja nicht besser als Bayern oder sonstwas. Bayern hätte auch weiterkommen können.“ Selbst Dortmund gegen Tottenham sei eigentlich „ein offenes Spiel“ gewesen.
Fakt ist: Mit vier Clubs unter den besten Acht in der Königsklasse haben die Engländer in diesem Jahr auch die jahrelange Dominanz der Spanier in diesem Wettbewerb beendet. Die vier Viertelfinalisten Manchester United (3.), Manchester City (5.), der FC Liverpool (7.) und Tottenham Hotspur (10.) gehören genau wie der FC Chelsea (8.) und der FC Arsenal (9.) zu den zehn umsatzstärksten Vereinen Europas, die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte jedes Jahr in ihrer „Football Money League“ ermittelt. Zum Vergleich: Aus der Bundesliga zählt nur der FC Bayern München als Vierter zu diesen Top 10.
Belege für die wirtschaftliche Überlegenheit der englischen Clubs gibt es genug. Der Schalke-Bezwinger Manchester City hat in den vergangenen fünf Jahren mehr als 800 Millionen Euro in neue Spieler investiert – und dabei nach Recherchen der Enthüllungsplattform „Football Leaks“ auch mehrfach gegen die Finanzierungsauflagen („Financial Fair Play“) des europäischen Verbandes UEFA verstoßen. Auch im Kader des FC Liverpool stecken seit der Verpflichtung von Jürgen Klopp Transferausgaben von rund 430 Millionen Euro.
„Was die Top-Talente anbetrifft, sind wir überholt worden. In der Premier League ist zudem das nötige Kapital da“, sagte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc. „Dass sich das in der Qualität niederschlägt, ist keine Überraschung.“
Der deutsche Blick auf den englischen Fußball war allerdings nicht immer so selbstkritisch. Dass die englischen Clubs ihr vieles Geld nur planlos verprassen, ist eine der weit verbreiteten Fehleinschätzungen, die spätestens jetzt nicht mehr haltbar ist.
Zum Vergleich: Die drei Achtelfinal-Sieger Liverpool, Man City und Tottenham haben ihre Trainer seit der Ankunft von Klopp (2015), Pep Guardiola (2016) und Mauricio Pochettino (2014) nicht ausgetauscht. Alle Clubs folgen einer klaren sportlichen Linie.
Eine der Forderungen, die aus diesen deutsch-englischen Champions-League-Duellen resultiert, ist deshalb auch die Abschaffung der 50+1-Regel, die den Einfluss von Investoren ausschließlich im deutschen Profifußball erschwert. „Wir müssen zwei Schritte zurückgehen und definieren: Was wollen wir?“, sagte Hannovers Manager Horst Heldt. „Ich kann mich doch nicht beschweren, dass wir international nicht mehr auf Augenhöhe sind, aber auf der anderen Seite ist die Wettbewerbsfähigkeit nicht gegeben.“
Die Gegenmeinung vertritt Julian Nagelsmann. Er sieht die Dinge sportlich. „Einfach nicht so viel jammern, sondern akzeptieren, wie es ist!“, sagte der Trainer von 1899 Hoffenheim. (dpa)
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