Bloß kein «Kamikaze» – Bayern lockt der «Nervenkitzel»
„Was uns nicht passieren darf, ist, dass wir überdreht ins Spiel gehen und zu viel wollen. Wir müssen klug spielen, dürfen nicht Kamikaze nach vorne rennen“, gab Weltmeister Thomas Müller die Strategie nach dem 1:3 im Hinspiel vor.
„Wir stehen ein bisschen mit dem Rücken zur Wand, aber die Herausforderungen machen es reizvoll. Ein 2:0-Heimspielerfolg für den FC Bayern wäre kein fußballerisches Weltwunder“, sagte Müller und freute sich schon auf den „Nervenkitzel“ im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League.
Fast genau ein Jahr nach dem krachenden Halbfinal-Aus mit 0:4 gegen Real soll im 100. Münchner Pflichtspiel von Trainer Pep Guardiola die nächste bayerische Fußball-Depression unbedingt vermieden werden. „Ich weiß, es ist nicht genug, Deutscher Meister zu sein“, erklärte der spanische Starcoach am Tag vor dem Rückspiel am Dienstag (20.45 Uhr). In großen Vereinen mit dem Anspruchsdenken eines FC Bayern sei „nur das Triple genug“, ergänzte Guardiola.
Entscheidend ist das Resultat auch über den Abend hinaus. „Jeder weiß, was das Spiel für eine Auswirkung auf die nächsten Wochen hat, auch für die grundsätzliche Stimmung“, sagte Müller. Zumal es wenige Tage nach dem Zerwürfnis des Clubs mit Vereins-Doc Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt ohnehin brodelt.
Die immer wieder als „wichtigster“ und „ehrlichster“ Titel gepriesene Meisterschaft würde bei einem frühzeitigen Königsklassen-Scheitern an Glanz verlieren. Das nächste Alles-oder-Nichts-Spiel wartet mit dem Pokal-Halbfinale gegen Dortmund schon in einer Woche. Besonders großen Druck wollte Guardiola aber nicht verspüren. „Das ist Champions League und einer der Gründe, warum du einen großen Verein trainierst. Diese Situation ist: wow!“, erklärte der Spanier vor einem gefühlten Finale. Die Chance auf das vor dem Hinspiel erwartete Weiterkommen sah Guardiola „optimistisch“, aber auch „realistisch“.
Nach den grotesken Fehlern beim 1:3 vor einer Woche müssen die Münchner zum fünften Mal in ihrer glorreichen Europapokalhistorie eine Auswärtsniederlage mit zwei Toren aufholen. Bislang scheiterten sie immer dabei. Mut macht die Heimbilanz der laufenden Saison: Alle vier Spiele in der Arena wurden gewonnen – bei 13:0 Toren.
„Wir haben alle Chancen, wir spielen zu Hause. Wir haben keine gute Ausgangslage, aber auch keine unmögliche“, betonte Kapitän Philipp Lahm. „Wir brauchen nicht in Hektik zu verfallen. Wir haben 90 Minuten Zeit, um das Ergebnis zu drehen.“ Nach dem Finale 2012, dem Triumph 2013 und der Halbfinal-Schmach 2014 soll nicht wie zuletzt 2011 (Achtelfinale) schon vor der Vorschlussrunde Schluss sein. 4,9 Millionen Euro an UEFA-Prämie stehen zudem auf dem Spiel.
Lahm meldete sich vor dem Showdown erwartungsgemäß fit. Eine Aufstellung des über zwei Wochen pausierenden Bastian Schweinsteiger nach Trainingssparprogramm wäre ein Wagnis. „Der Kopf kann in diesem Spiel zu 100 Prozent unsere Beine kontrollieren“, erklärte Guardiola, der mit seinem weiterhin dezimierten Ensemble eine die schwierige Balance im Bayern-Spiel finden muss. „Wir müssen mehr Risiko gehen. Aber das ist normal nach dem Ergebnis im Hinspiel.“ Der FC Porto ist gewarnt. „Um Bayern Paroli zu bieten, muss man immer am Limit spielen. Wir müssen in allen Belangen eine fantastische Leistung bringen“, erklärte Coach Julen Lopetegui.
Holger Badstuber könnte Dante in der Deckungsreihe ersetzen. Mit Franck Ribéry rechnet Guardiola nicht. Arjen Robben, Javi Martínez, David Alaba und Medhi Benatia fehlen sowieso. „Jetzt fühlt man sich endlich mal wie in so einem Hollywoodfilm, wenn irgendwo alle wegsterben und man muss dann in die Schlacht ziehen“, schilderte Müller drastisch.
Drei Jahre ist es her, dass die Münchner nach dem 0:1 in Basel mit dem 7:0 zu Hause letztmals eine Hinspiel-Niederlage umbogen. „Wir haben schon viele Mannschaften zu Hause geschlagen, auch mit mehr als einem Tor“, sagte Manuel Neuer vor „dem wichtigsten Spiel der Saison“ optimistisch. „Es ist keineswegs so, dass mit dieser Partie die Saison steht und fällt.“ Für Guardiola, der sein Team mit einer emotionalen Kabinenansprache einschwor, steht eines vorab fest: „Die Spieler bleiben immer meine Helden.“
(dpa)
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