„Aufgabe, Frauen zu schützen“: IBA verteidigt Vorgehen bei Boxerinnen Khelif und Lin
Am Montag, 5. August, hat der internationale Boxverband IBA in Paris eine Pressekonferenz gegeben. Darin hat er seine Entscheidung verteidigt, die Sportlerinnen Imane Khelif und Lin Yu-Ting 2023 von den Weltmeisterschaften in Neu-Delhi auszuschließen. Beide befinden sich bei den Olympischen Spielen 2024 in der französischen Hauptstadt auf Medaillenkurs.
Die hohen Testosteronwerte und die Feststellung von XY-Chromosomen bei den Boxerinnen hatten Debatten über die Zulässigkeit ihres Starts in olympischen Frauenwettbewerben ausgelöst.
IBA gibt Auskunft zu Hintergründen ihrer Entscheidung
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hingegen spricht von einer „Hexenjagd“. Zudem verweist es darauf, dass man im Juni des Vorjahres der IBA den Status als Weltverband für den Boxsport aberkannt habe. Grund seien „Reformen in den Bereichen Führung, Finanzen und Ethik“, die dieser unterlassen habe.
Im Rahmen der Pressekonferenz standen IBA-CEO Chris Roberts, Trainer-Vertreter Gabriele Martinelli und der Mediziner Dr. Ioannis Filippatos Medienvertretern Rede und Antwort. Filippatos ist auch Präsident der European Boxing Confederation. Zugeschaltet war während der Veranstaltung auch Verbandschef Umar Kremlew.
Erörtert wurden im Zuge der Pressekonferenz die Hintergründe der Tests, die 2023 zu der Disqualifikation der Boxerinnen während der Weltmeisterschaft geführt hatten. Beide hatten zuvor über mehrere Jahre hinweg an internationalen Turnieren teilgenommen – offenbar ohne dass es zu Beanstandungen gekommen wäre.
Erste Bedenken während der Weltmeisterschaften in Istanbul 2022
Erstmals seien jedoch der IBA zufolge vier Athletinnen während der Weltmeisterschaften 2022 in Istanbul getestet worden. Anlass waren Bedenken, die Gegnerinnen, Trainer oder Mediziner geäußert hätten. Erscheinung und Leistungsstärke der Betroffenen hätten Zweifel an deren Zuordbarkeit zum weiblichen Geschlecht genährt.
Am 17. Mai 2022 waren die Boxerinnen – darunter Khelif und Lin – zu Bluttests beim unabhängigen Sistem-Tip-Institut in Istanbul geladen worden. Sieben Tage später habe dieses die Resultate übermittelt. Khelif und Lin hatten zu diesem Zeitpunkt bereits Silber beziehungsweise Gold in ihren jeweiligen Kategorien gewonnen.
Nach Beratung mit ihrer Rechtsabteilung entschloss sich die IBA dazu, die Sportlerinnen nicht nachträglich zu disqualifizieren oder die Preisgelder zu widerrufen. Stattdessen solle ein weiterer unabhängiger Test durchgeführt werden. Da man vonseiten des Verbandes die komplizierte Prozedur des Organisierens von Überprüfungen in den jeweiligen Heimatländern scheute, wartete man bis zum nächsten IBA-Turnier.
Khelif und Lin hätten Testosteronwerte gehabt, „wie sie Männer aufweisen“
Bei diesem handelte es sich um die Weltmeisterschaften in Neu-Delhi im März 2023. Dort habe das Labor Dr. Lal PathLabs am 17. März einen solchen Test durchgeführt und die Resultate am 23. März übergeben. Tags darauf setzte die IBA Khelif und Lin darüber in Kenntnis, dass sie die Kriterien nicht erfüllten.
Den Sportlerinnen seien Kopien der Testergebnisse ausgehändigt worden, außerdem habe man sie über die Möglichkeit einer Beschwerde am Sportgerichtshof CAS belehrt. Beide seien im Turnier geblieben, weshalb am 26. März der Vorstand der IBA über die Frage der Disqualifikation zu beraten hatte. Diese wurde ausgesprochen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Lin bereits Bronze gewonnen und Khelif stand unmittelbar vor ihrem Kampf um Gold. Filippatos äußerte bezüglich der Ergebnisse der Tests:
„Beide hatten hohe Werte von Testosteron – Werte, wie sie Männer aufweisen.“
Außerdem seien – wie schon nach der WM in Istanbul – XY-Chromosomen festgestellt worden. Eine Disqualifikation sei erfolgt, um andere Athleten zu schützen. Die Frauenkategorie solle nur Frauen offen stehen. Wem dies nicht gefalle, solle eine gemischte Kategorie schaffen. Lin legte keinen Einspruch gegen die Entscheidung ein, Khelif zog ihren anfänglich eingereichten später zurück.
Khelif und Lin weiblich geboren und aufgewachsen
Im Vorfeld der Pressekonferenz hatten die Verbände aus Algerien und Taiwan die IBA dazu aufgefordert, keine Details zu Testergebnissen zu veröffentlichen. Filippatos hielt sich weitgehend daran. Allerdings erklärte er, dass Khelif „laut den Bluttest-Ergebnissen ein Mann“ sei. Sie sei „ein guter Boxer, aber er halte es für seinen Job als Arzt, Frauen zu schützen“.
Imane Khelif und Lin Yu-Ting wurden weiblich geboren und sind als Mädchen aufgewachsen. In beiden Fällen handelt es sich nicht um Transgenderpersonen, die sich einem anderen Geschlecht zugehörig fühlen als jenem bei ihrer Geburt.
Allerdings leidet Khelif Berichten zufolge unter sogenanntem Hyperandrogenismus. Diese Erkrankung ist mit zu hohen Androgenwerten im Blut verbunden, die erhöhte Testosteronwerte und das Vorhandensein von XY-Chromosomen bewirkt. Es handelt sich demnach um eine Krankheit, die allerdings im sportlichen Wettbewerb potenzielle Vorteile mit sich bringt.
IOC wittert „russischen Einfluss“ in der IBA
Aus Sicht der IBA ist die Qualifikation als Mädchen oder Frau, die zur Teilnahme an den für diese konzipierten Wettbewerben stattfindet, mit dem Vorhandensein von ausschließlich XX-Chromosomen verbunden. Wer XY-Chromosomen in welchem Ausmaß auch immer aufweise, werde als biologischer Mann definiert. Das Geburtsgeschlecht spiele dann keine Rolle mehr.
Dies betonten die Funktionäre auch in der Pressekonferenz. Allerdings machten Roberts und Kremlew – wie BBC anmerkte – unterschiedliche Angaben bezüglich der Reichweite der Tests. Roberts habe von „Chromosomentests“ gesprochen, Kremlew lediglich auf überprüfte Testosteronwerte hingewiesen.
Khelif selbst sah sich 2023 als Opfer einer Verschwörung sowie von politisch motiviertem Mobbing. Sie äußerte damals gegenüber algerischen Medien:
„Ich wurde wegen meines Aussehens oft gemobbt, habe mich gewehrt und trotz allem weitergekämpft. Heute ist ihr Plan gelungen und ehrlich gesagt ist es ein großer Schock.“
Auch beim IOC sieht man die Bedenken gegen die Starterinnen als vorgeschoben. Die IBA steht dort im Verdacht, Gegnerinnen begünstigen und jetzt einen Kulturkampf führen zu wollen. Immerhin stehe die IBA „unter russischem Einfluss“.
Pubertät als Unterschied zwischen Khelif und Lia Thomas?
In den aktuell geltenden IOC-Richtlinien aus dem Jahr 2021 heißt es, dass in Fällen von sexuellen Entwicklungsunterschieden (DSD) Inklusion der Standard sein solle. Betroffene sollten nur dann von Frauenwettbewerben ausgeschlossen werden, wenn es „eindeutige Fairness- oder Sicherheitsprobleme“ gebe. Diese wurden im Fall von Khelif insbesondere nach ihrem Sieg nach 46 Sekunden gegen die Italienerin Angela Carini angesprochen.
Bezüglich der Schwimmerin Lia Thomas wurde der Vorteil durch erhöhte Testosteronwerte hingegen vom nationalen Schwimmverband und vom Sportgerichtshof CAS bestätigt. Zuvor hatten Verbände Thomas, als Mann geboren, und andere Transgenderathletinnen zugelassen, solange diese ihren Testosteronspiegel senkten. Ein Gutachten eines wissenschaftlichen Gremiums, das von Vorteilen allein durch ein Durchlaufen der männlichen Pubertät ausging, sorgte dort für eine 180-Grad-Wende.
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