Algerien feiert Olympiasiegerin: „Hexenjagd getrotzt“ – Kritiker: „Mann hat Frauenwettbewerb gewonnen“

Nach dem Gewinn von olympischem Gold im Boxwettbewerb der Frauen im Weltergewicht freut sich Algeriens Starterin Imane Khelif, eine passende „Antwort“ auf die gegen sie geführte „Kampagne“ gegeben zu haben. Berichte über Testosteronwerte im männlichen Bereich und XY-Chromosomen hatten eine heftige Debatte ausgelöst.
Küsste das Objekt der Begierde: Boxerin Imane Khelif
Küsste das Objekt der Begierde: Boxerin Imane KhelifFoto: Sebastian Kahnert/dpa
Von 11. August 2024

Am Freitagabend, 9. August, hat die algerische Boxerin Imane Khelif ihren Finalkampf gegen die chinesische Weltmeisterin Yang Liu nach Punkten für sich entschieden. Damit holte sie erstmals Gold in der Kategorie der Frauen bis 66 Kilogramm.

Die Sportlerin stand seit ihrem 46-Sekunden-Kampf im Achtelfinale gegen die Italienerin Angela Carini im Zentrum einer Geschlechterdebatte. Diese wurde ausgelöst durch den Umstand, dass Khelif vom Boxverband IBA 2023 bei den Weltmeisterschaften in Neu-Delhi disqualifiziert worden war.

IOC: Khelif als Frau geboren – IBA-Tests intransparent

Der Verband, dem das IOC im Vorjahr wegen behaupteter Compliance-Verstöße den Status als Weltverband aberkannt hatte, wies auf Testergebnisse am Rande seiner Weltturniere hin. Diese hätten ergeben, dass Khelif Testosteronwerte „im männlichen Bereich“ und außerdem XY-Chromosomen aufweise, was sie zu einem biologischen Mann mache.

Das IOC sprach von „willkürlichen“ Verfahren ohne ausreichende Garantien. Für das Komitee sei entscheidend, dass Khelif als Frau geboren worden und aufgewachsen sei. Sie habe zudem bereits über Jahre hinweg an Wettkämpfen teilgenommen. Aus Sicht des IOC sei ein unfairer Wettbewerbsvorteil der Boxerin nicht ersichtlich.

Die Führung des Olympiakomitees sprach von einer „Hexenjagd“ auf die Starterin, auch Khelif selbst äußerte, es sei eine „Kampagne“ geführt worden. Nach ihrem Finalsieg auf dem Court Philippe-Chatrier äußerte sie mit Blick auf ihre Goldmedaille:

„Das ist meine Antwort, ich bin eine starke Frau.“

IBA wirft olympischem Komitee Vernachlässigung der Sicherheit vor

Berichten aus ihrem Heimatland Algerien zufolge leidet Khelif unter sogenanntem Hyperandrogenismus. Diese Erkrankung ist mit zu hohen Androgenwerten im Blut verbunden, die erhöhte Testosteronwerte und das Vorhandensein von XY-Chromosomen bewirkt. Es handele sich allerdings um eine Krankheit, die im sportlichen Wettbewerb potenzielle Vorteile mit sich bringen könne.

Die IBA warf dem IOC hingegen vor, ungerechtfertigte Vorteile für Khelif zu billigen und die Sicherheit der anderen Starterinnen zu vernachlässigen. In einer Pressekonferenz in Paris verteidigte der Verband sein Vorgehen und machte deutlich, dass nach seiner Einschätzung nur Personen mit alleinigen XX-Chromosomen in Frauenwettbewerben teilnehmen sollten.

Kritiker werfen der IBA vor, sich über die genauen Ergebnisse der Tests auszuschweigen und Intransparenz zeigen. Der Verband verteidigt sich mit der Aussage, aus Datenschutzgründen keine detaillierten Ergebnisse veröffentlichen zu wollen.

Trump will „Männer im Frauensport“ gesetzlich verhindern

Die Debatte über das Antreten und die Erfolge von Khelif nahm in vielen Ländern der Welt Züge eines Kulturkampfs an. Rechte und konservative Politiker, aber auch alt-feministische Akteure wie „Emma“-Gründerin Alice Schwarzer, sahen einen Sieg „woker“ Vorstellungen gegen Frauenrechte. Nach ihrer Überzeugung hatte Khelif ungerechtfertigte Vorteile ihren Gegnerinnen gegenüber.

Das Narrativ lautete, bei Imane Khelif handele es sich aufgrund der Testosteronwerte und der laut IBA nachgewiesenen XY-Chromosomen um einen biologischen Mann. Medien titelten von einem „algerischen Schläger“. US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump kündigte an, im Fall eines Wahlsieges Gesetze auf den Weg zu bringen, die verhinderten, dass „Männer am Frauensport teilnehmen“.

Kritik an der Teilnahme Khelifs am olympischen Frauenboxen übten auch X-Eigentümer Elon Musk und „Harry Potter“-Autorin J. K. Rowling. Demgegenüber betonte IOC-Präsident Thomas Bach, es habe „nie ein Zweifel daran bestanden“, dass es sich bei Khelif um eine Frau handeln würde. Mit Blick auf die Herkunft von IBA-Chef Umar Kremlew witterte er eine „russische Desinformationskampagne“.

Schwimmerin Riley Gaines: „Bürgerrechtsdebatte unserer Zeit“

Die Schwimmerin Riley Gaines meldete sich in der Debatte ebenfalls zu Wort. Sie hatte mehrfach erste Plätze zugunsten der transsexuellen Konkurrentin Lia Thomas eingebüßt, ehe die Schwimmverbände eine Kehrtwende einlegten.

Lia Thomas war vom Heimatverband von der Teilnahme an den Olympischen Spielen ausgeschlossen worden. Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) hat das Urteil bestätigt. Der Unterschied in beiden Fällen besteht aus Sicht der Entscheidungsträger offenbar darin, dass Thomas als biologischer Mann geboren ist und die männliche Pubertät durchmachte. Dies schaffe einen Wettbewerbsvorteil, der jenen der als Frau geborenen Imane Khelif aufgrund ihrer unterschiedlichen geschlechtlichen Entwicklung substanziell übersteige.

Gaines vermag diese unterschiedliche Handlung nicht nachvollziehen. Auf X äußert sie: „Jeder weiß, dass diese Boxer männlich sind, auch das IOC und die Frauen im Ring.“ Diese Geschlechterdebatte sei „das Bürgerrechtsthema unserer Zeit“. Es komme auf die Chromosomen an. Bereits zuvor hatte sie die Frage aufgeworfen, warum „wir überhaupt Frauensport haben, wenn auch mittelmäßige Männer mitmachen dürfen“.

Algerien feiert Imane Khelif als Siegerin über „Belästigung und Hass“

Die Plattform „Fair Play For Women“ resümierte das Finale mit den Worten „Männliche Kraft schlägt weibliches Talent“. Ein „männlicher Boxer“ sei nun olympischer Champion.

In ihrer Heimat Algerien hingegen ist die Wahrnehmung eine andere. Hier ist die Rede von „Hexenjagd, Belästigung und Hass“, denen sie getrotzt habe.

Ein anderer X-Nutzer aus dem Land sieht in der Boxerin auch ein Symbol gegen westlichen Neokolonialismus. Bei der Pressekonferenz hat sie auf das Ansinnen, eine Frage in französischer Sprache zu beantworten, in englischer Sprache deutlich gemacht, dass sie auf Arabisch antworten werde. „Dafür hat sie sich noch eine Medaille verdient“, äußert ein algerischer X-Nutzer. Algerien wurde 1962 nach einem blutigen Krieg von der französischen Kolonialmacht unabhängig.

Weitere von der IBA ausgeschlossene Boxerin am Samstag im Einsatz

Einige Nutzer konnten der Debatte als solcher wenig abgewinnen. Sie vertreten mit Blick auf das Frauenboxen augenscheinlich eine ähnliche Position, wie sie der DFB noch Anfang der 1970er-Jahre bezüglich des Frauenfußballs vertreten hatte. Damals lehnte der Verband diesen noch „aus grundsätzlichen und ästhetischen Gründen“ ab.

Am Samstag wird mit Lin Yu-ting (28) aus Taiwan eine weitere Boxerin um eine Goldmedaille kämpfen, die von der IBA aufgrund männlicher Geschlechtsmerkmale disqualifiziert worden war. Im Federgewicht tritt sie gegen die Polin Julia Szeremeta an.

 



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