Agnelli als Europacup-Reformer – FC Bayern zwischen Fronten
Zwischen Europas superreichen Top-Clubs und ihren eigenen Profi-Ligen tobt ein Machtkampf um die Zukunft der Champions League – und Karl-Heinz Rummenigge steht mit Bayern München zwischen den Fronten.
Während der Bayern-Boss aus Loyalität zum deutschen Fußball-Markt bei dem brisanten Königsklassen-Thema einen verbalen Eiertanz nach dem anderen aufführt, fährt Andrea Agnelli von Juventus Turin einen knallharten Konfrontationskurs, der für massiven Unfrieden in Europas Fußball-Elite sorgt.
Der eiskalte Juve-Chef treibt als Rummenigges Nachfolger an der Spitze der European Club Association (ECA) eine für die Top-Clubs verführerische Champions-League-Reform voran. Die Ligaverbände um die Deutsche Fußball Liga und die englische Premier League formieren sich zum Protest gegen die Idee einer europäischen Königsklasse im Gewand der US-Profiligen ohne Auf- und Abstiegsmöglichkeit und mit Spielen am für die nationalen Wettbewerbe heiligen Wochenende. Ein solches Modell soll schon im Herbst beschlossen werden, in Kraft treten würde es in fünf Jahren.
Vor Treffen der Vertreter der European Leagues in Madrid zur Beratung der Lage eskalierte der Konflikt erstmals durch provokante Agnelli-Aussagen. „Ich kann nur davon ausgehen, dass bei diesem Treffen weitere Vorwürfe und Missverständnisse zur Wahrung des Status quo vorgebracht werden, ohne dass versucht wird, die Strategie und die Vision zu verstehen, die die ECA und die UEFA aus ihren kollektiven Beiträgen gestalten“, schrieb Agnelli in einem Brief an die ECA-Mitglieder, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Indirekt legte er den Club-Vertretern nahe, nicht am Madrid-Meeting teilzunehmen. Und wenn doch: hinterher keine öffentlichen Kommentare abgeben. Diesen Maulkorb konnte die Führung der European Leagues (EPL) nicht hinnehmen. „Unsere Mitgliedsclubs sind groß genug, um ein eigenes Urteil zu fällen, ohne Anweisungen des ECA-Präsidenten zu erhalten“, erwiderte EPL-Chef Lars-Christer Olsson, der sich in Nyon mit UEFA-Boss Aleksander Ceferin treffen will, um die Sicht der Ligen klarzumachen.
Groß genug sind die Clubs, aber manch einer ist einer Zwickmühle, da sowohl den nationalen Ligen wie auch den ECA-Interessen verpflichtet. Das trifft auf die Bayern oder Borussia Dortmund zu, wie auch auf die Top-Clubs aus England, wo Tradition und Kommerz die Premier League zu einem Erfolgsmodell machen. „Ich liebe die Bundesliga. Aber man muss im Dialog mit anderen natürlich kompromissbereit sein. Du kannst dich gegen alles wenden und einsetzen, aber in letzter Konsequenz bist du dann nicht mehr mit dabei. Das kann auch nicht unser Interesse sein“, sagte Borussia-Geschäftsführer Watzke.
Rummenigge beschleicht wie Agnelli in diesen Tagen immer wieder das gleiche ungute Gefühl. Wie der Turin-Boss muss auch der Bayern-Chef tatenlos zusehen, wie in Liverpool und Amsterdam die Kandidaten für den Königsklassen-Thron ermittelt werden. Dem Selbstverständnis der Serienmeister aus Deutschland und Italien reichen die nationalen Titel nicht aus. Wer in der Champions League dauerhaft nicht mitmischen kann, droht abgehängt zu werden.
Im Gegensatz zu Agnelli, der in Italien überhaupt keine ernsthafte nationale Konkurrenz mehr hat und dringend neue Märkte erschließen muss, um sein Fußball-Produkt weltweit teuer verkaufen zu können, muss Rummenigge auch immer das Brot-und-Butter-Geschäft der Bundesliga im Blick behalten. „Wenn ich gefragt werde, dann werde ich für den deutschen Weg einstehen“, versprach er bei Sky.
Viel Hoffnung hat Rummenigge aber offenbar nicht, dass eine Champions League im Super-League-Format dauerhaft verhindert werden kann. „Ich glaube schon, dass in Deutschland viel mit Tradition argumentiert wird. Das ist in anderen Ländern anders. Dort wird mehr aus geschäftlicher Sicht auf den Fußball geguckt.“
Agnelli ist dafür der Antreiber. Im März tüftelte er mit der UEFA erstmals konkrete Ideen einer neuen Königsklasse für den neuen Vermarktungszyklus ab 2024 aus. In einem Drei-Stufen-Modell soll der Wettbewerb organisiert sein. Wer einmal dabei ist, kann kaum wieder rausfliegen. Diese ökonomische Planbarkeit im Milliardengeschäft behagt dem Fiat-Spross Agnelli. „Wir sind diejenigen, die planen müssen, wir sind die, die investieren. Um ein Unternehmen führen zu können, benötigt man die komplette Übersicht“, sagte er. (dpa)
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