Rauma – Perle an der Ostsee
Viele Menschen fahren im Winter in den Süden, um dem trüben deutschen Wetter zu entkommen und Wärme zu tanken. Aber warum nicht auch mal in Richtung Norden aufbrechen, nach Finnland, wenn es dort so richtig kalt ist, Schnee liegt und früh dunkel wird?
Ein besonderes Erlebnis bietet ein Besuch der Stadt Rauma, die am Bottnischen Meerbusen – einem Teil der Ostsee – im Süden des Landes gelegen ist. Hier bilden 600 Holzhäuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert das alte Stadtzentrum. Es ist eines der am besten erhaltenen Beispiele der Architektur und des Städtebaus in Nordeuropa und erhielt 1991 den Status UNESCO-Weltkulturerbe.
Tatsächlich ist Rauma die drittälteste Stadt Finnlands. Die Altstadt geht bis auf das späte Mittelalter zurück. 1442 wurden ihr die Stadtrechte zugesprochen. Im 17. Jahrhundert verwüsteten zwei verheerende Brände die Stadt.
In der darauffolgenden prosperierenden Zeit als Hafenstadt und besonders im großen Zeitalter der Segelschifffahrt in den 1890er-Jahren wurden die Gebäude errichtet, die auch heute noch zu sehen sind. Viele der Gebäude an den Hauptstraßen erhielten damals kunstvolle Neorenaissancefassaden. Glücklicherweise wurde Rauma seit mehr als 340 Jahren von weiteren Bränden verschont.
Farbenfrohe Altstadt
Die mittelalterliche Struktur der Altstadt mit ihren Grundstücken, Höfen und unregelmäßig angeordneten Straßenzügen und -belägen ist weitestgehend erhalten geblieben. Die Wohnhäuser stehen an den Straßen. Nebengebäude wie ehemalige Ställe und Getreidespeicher wurden um kleine Höfe herumgebaut.
Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann sich das bebaute Stadtgebiet von Rauma über Alt-Rauma hinaus auszudehnen. Die Stadt erschloss dabei auch Gebiete, die vormals von Meer bedeckt waren. Möglich wurde dies durch natürliche Landhebungen, die sich über Jahrhunderte vollzogen und immer noch vollziehen. So verschob sich die Küstenlinie um rund eineinhalb Kilometer.
Von den frühen Häusern sind noch manche Keller erhalten geblieben. Die meisten Gebäude haben über einem Steinfundament einen eingeschossigen Holzaufbau mit einem Spitzgiebeldach. Die kunstvolle Gestaltung der Häuserfronten zieht die Blicke an, und das besonders im Winter, wenn die Fenster erleuchtet und mit weihnachtlichen Motiven geschmückt sind.
Besonders eindrucksvoll sind auch die Farben, in denen die Häuser gestrichen sind. Das aus Schweden bekannte Falunrot ist hier nur eine der vielen Nuancen. Gelb, grün, hell- und dunkelblau, grau, ocker und orange – das kräftige Zusammenspiel der Farben verleiht den Straßenzügen eine ganz besondere, energiegeladene Ausstrahlung.
Der Schein von direkt unter den Dachvorsprüngen montierten Straßenlampen beleuchtet effektvoll die vielen hölzernen Details an den Fassaden und Fenstern der Häuser. In der Tat: Finnen können mit dem wenigen Tageslicht des Nordens umgehen und schaffen im Stadtbild mit künstlichem Licht eine feierliche Atmosphäre.
Dazu kommt, dass sie eine Advents- und Weihnachtskultur pflegen, die der in Deutschland ähnlich ist – mit Weihnachtsmärkten und Adventsfenstern. Beides ist in der Altstadt zu finden. Finnland hat darüber hinaus einen einmaligen Standortvorteil: In Rovaniemi am Polarkreis gibt es das Weihnachtsmanndorf und Rentiere, die den Schlitten von Santa Claus ziehen, worauf die Einheimischen stolz sind.
Historisches Wissen über jedes Haus
Wie es auf dem Land üblich war, so hat auch in der Altstadt von Rauma jedes Haus seinen eigenen Namen. So war es möglich, auf historischen Karten und Dokumenten Grundstücke, Hausnamen und deren Bewohner über die Jahrhunderte zurückzuverfolgen. Dabei ist die Datenlage für Gebäude aus dem 19. Jahrhundert sehr gut, denn für alle existieren Aufzeichnungen.
Die gesammelten Informationen wurden auf einer Website der Stadt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es ist eine Fundgrube für historisch interessierte Menschen. Die Informationen stammen größtenteils aus den Unterlagen der Feuerversicherung aus den 1830er-Jahren sowie Bau- und Umbauzeichnungen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dadurch konnten sehr viele Details zusammengetragen werden.
Man erfährt hier vieles über die Bewohner und deren Berufe und darüber, wie die Häuser geschnitten waren und welche Details sie aufwiesen, ob die Stube etwa getäfelt war oder eine Stofftapete hatte, wie viele Öfen es gab und wie die Türen beschaffen waren. Vermerkt sind auch die Umbaupläne und der weitere Besitzstand der Bewohner wie Wiesen und Ackerland, Scheunen und Schiffsanteile.
Brand in der Backstube: Eingespielte Abläufe
Über das Gebäude, in dem sich heute das Bistro „KaffeBar“ befindet, wird auf der Website über ein Brandereignis berichtet. Es zeigt einerseits, wie anfällig die Holzbauweise für Feuer war, andererseits aber auch, wie gut sich die Bewohner der Stadt einander halfen:
„Am 12. Oktober 1884 war ein Telegramm aus Rauma an die Feuerwehr gesandt worden, in dem von einem Brand berichtet wurde, der um halb sechs Uhr morgens ausgebrochen war und das Bäckereigebäude und den dazugehörigen Schuppen zerstört hatte. […] Die Brandbekämpfung sei schnell erfolgt, und das Feuer sei um sieben Uhr vollständig gelöscht gewesen. […]
Das Feuer wurde zuerst von den Bäckereiarbeitern entdeckt: dem Stallburschen, dem Stalljungen und dem Lehrling, deren Schlafplatz sich in einer vom Flur abgetrennten Ecke der Bäckerei befand, die zur Bäckereiwand hin lag. Sie wachten durch den eindringenden Rauch auf.
Der Bäcker ging sofort los, um seine Nachbarn zu wecken, von denen einer Feuerwehrmann war. Zur gleichen Zeit wurde der Feueralarm ausgelöst. Das Feuer kam bereits aus zwei Fenstern des Gebäudes, und die Backstube stand in Flammen. Der Feuerwehrkommandant berichtete, dass sich alle Bürger der Stadt, unabhängig von Alter und Geschlecht, an der Brandbekämpfung beteiligten. […] Die Bürger hatten die Aufgabe, Wasser an den Brandort zu bringen. […]
Die Bäckerei hatte in der Nacht zuvor gebacken, und die Arbeit war um acht Uhr abends eingestellt worden. Um neun Uhr lagen die Arbeiter bereits schlafend in ihren Kojen. Als wahrscheinliche Brandursache wurde ein Funke vermutet, der über den Boden geflogen war und die ganze Nacht geschwelt hatte, um sich dann am Morgen zu entzünden.“
Spitze aus Rauma
Vanha Rauma, wie die Altstadt auf Finnisch heißt, ist jedoch kein Freilichtmuseum. Hier wird gewohnt und gearbeitet, hier gibt es Friseure, Buchhändler, Restaurants, Künstlerateliers und Einrichtungsläden.
Rauma-Spitze ist seit dem 18. Jahrhundert ein Begriff für das traditionelle Handwerk des Spitzenklöppelns. Auch heute noch ist es in der Stadt in einigen Geschäften vertreten. Die Stadt hat mit raumalace.fi dazu eine Website am Start, die man sich allerdings übersetzen lassen muss.
2021 verschenkte die Stadt zu Weihnachten ein Strickmuster für einen Rauma-Spitzenpullover, das von dem Spitzenkünstler Tarmo Thorström in Zusammenarbeit mit Katrina Salo entworfen wurde. Das Muster ist sowohl für Männer als auch für Frauen und kann auch für Wollmützen und Beanies verwendet werden.
Laut der Website der Stadt Rauma wurde die Spitze ursprünglich für Kleidung verwendet, wird dafür aber heute kaum noch eingesetzt. Da es „auf der Welt viel mehr Strickerinnen als Klöpplerinnen“ gibt, sind die Initiatoren der Aktion hoffnungsfroh, der Tradition einen neuen Schub geben zu können.
Rauma hat noch so viel mehr zu bieten wie etwa bronzezeitliche Grabhügel, die ebenfalls ein Welterbe sind. Und auch wenn die Buchten der Stadt gerade von Eis bedeckt sind und Angler Löcher hacken, um zu fischen, kann man sich gut vorstellen, dass die Bootsanleger in der warmen Jahreszeit wieder gut bestückt sind und das Leben im finnischen Schärenmeer auch im Sommer prächtig ist.
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