WEF 2022: Xi Jinping gibt sich als „Weltenführer“ in Davos
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Normalerweise findet das jährliche Treffen des von Klaus Schwab 1971 gegründeten Weltwirtschaftsforums (WEF) im Schweizer Luftkurort Davos statt. Befürworter finden den Plan einer großen vereinten Weltgemeinschaft zukunftsweisend. Kritiker nennen das WEF ein Treffen einer globalistischen Elite, manche sehen es als ein „Symbol des Kapitalismus“, andere als einen Plan zu einem elitären Weltsozialismus. Vielen bekannt ist im Zusammenhang mit dem WEF ein Zitat aus einem seiner Videos von 2016 mit „8 Vorhersagen für die Welt in 2030“, einer Art sozialistischen Heilsversprechung: „Im Jahr 2030 werden Sie nichts besitzen und glücklich sein“.
Ähnlich geprägt begann das diesjährige Treffen: mit chinesischen Tempel-Gongs. Dem symbolträchtigen Anfang folgte nach vier Minuten des ersten Willkommens durch Klaus Schwab die erste Ansprache eines Regierungschefs. Und wie im Vorjahr war dies „seine Exzellenz, Xi Jinping, Präsident der Volksrepublik China“.
Es war ein „absurdes Déjà-vu“, schreibt die „Welt“, in dem Xi Jinping die „Weltgemeinschaft“ ermahnt und vom „harmonischen Sozialismus“ träume. Fast wortgleich zu seiner Rede von 2021 forderte er: „Lassen Sie uns voller Vertrauen die Hände reichen für eine gemeinsame Zukunft“.
Erneut findet das Treffen des World Economic Forums virtuell und unter dem Motto „Davos Agenda“ vom 17. bis zum 21. Januar statt.
Der (chinesische) Tiger und die Post-COVID-Welt
Xi Jinping begann mit Bildern. Das neue Mondjahr beginnt in China am 1. Februar. Es wird das Jahr des Tigers sein. Der Tiger, er werde in der chinesischen Kultur als Symbol für Tapferkeit und Stärke angesehen.
Ein weiteres Bild: Der Drache. Chinesen würden oft vom „temperamentvollen Drachen und vom dynamischen Tiger“ sprechen oder auch von einem „hochfliegenden Drachen und einem springenden Tiger“. Xi sprach von großen Herausforderungen, denen zu begegnen sei, vor denen die Menschheit stehe – und dass man „dem Tiger Flügel verleihen“ müsse. Und man müsse „mit dem Mut und der Stärke des Tigers handeln, um alle Hindernisse auf unserem Weg nach vorne zu überwinden“.
Warum man den Tiger entfesseln sollte, ließ der chinesische Staatschef nicht lange unerklärt: „um den Schatten der Pandemie zu beseitigen“. Was er nicht sagte, war, dass diese Pandemie von China aus in die viel zu spät gewarnte Welt kam – und dass seine „Zero-Covid“-Strategie die chinesische Bevölkerung massiv unter Druck setzt und für immer mehr negative Schlagzeilen sorgt.
Xi, der selbsternannte Weltführer?
Auch von Widersprüchen spricht der chinesische Staatschef, Widersprüche, durch deren Bewegung sich die Welt entwickle. Xi feuert ein Schlagwort nach dem anderen ab und beteuert: „China ist ein Land, das hält, was es verspricht.“
Internationale Zusammenarbeit gegen die Pandemie, gemeinsame Verteidigungslinien gegen das Virus, beschleunigter Aufbau einer globalen Gesundheitsgemeinschaft, Impfstoffe als mächtige Waffe. Nach einigen Sätzen zu weltweiten wirtschaftlichen Problemen erklärt Chinas Machthaber: „Die wirtschaftliche Globalisierung ist der Trend der Zeit.“ Es erscheint, als sehe Peking diesen Trend als eine Naturgewalt an.
Xi gerät in seiner Rede immer mehr ins sozialistische Führer-Fahrwasser. Sprach er zunächst von Widersprüchen, durch die sich die Welt entwickle, erklärt er wenig später, man solle die Barrieren beseitigen, sich öffnen und Integration anstreben. Im Mittelpunkt solle das globale Regierungssystem stehen, mit der Welthandelsorganisation im Zentrum. Die Grundsätze, nach denen man sich ausrichten müsste, seien Fairness und Gerechtigkeit.
Dann spricht der kommunistische Führer noch einige Regime-untypische Punkte an, von denen wohl jeder Chinese nur zu träumen wagt: gemeinsame Werte der Menschheit, „Dialog statt Konfrontation“ und „Inklusion statt Ausgrenzung“. Er sprach sich gegen Protektionismus aus – meinte aber offenbar nicht den, den ausländische Firmen in China erleiden. Gleichsam sprach er sich gegen Hegemonie und Machtpolitik aus – meinte aber offenbar nicht jene im Südchinesischen Meer, die Unterdrückung Hongkongs oder die Heim-ins-Reich-Rhetorik gegenüber Taiwan.
100 Jahre KP und zig Millionen Tote
Schließlich erinnerte Xi an den 100. Gründungstag der Kommunistischen Partei in China, den man im vergangenen Jahr gefeiert habe. Im „Schwarzbuch des Kommunismus“ wird von 65 Millionen Menschen berichtet, die allein in den 70 Jahren kommunistischer Herrschaft im Reich der Mitte eines unnatürlichen Todes starben. Pekings Machthaber sieht die Geschichte der KP Chinas anders: „Durch ein Jahrhundert hartnäckigen Kampfes hat die KPC das chinesische Volk gesammelt und geführt, um bemerkenswerte Errungenschaften beim Fortschritt der Nation und der Verbesserung des Lebens der Menschen zu erreichen.“
Der oberste KP-Führer lobt sein Land weiter, spricht von einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand, dem planmäßig gewonnenen Kampf gegen die Armut und einer historischen Lösung zur Beendigung der absoluten Armut. Es bleibt unklar, wessen Wohlstand Xi damit meinte. Im Mai 2020 gab Chinas Premierminister Li Keqiang auf einer Pressekonferenz zur Wirtschaftslage Chinas zu, dass 42 Prozent der Bevölkerung von monatlich 125 Euro leben müssten. Das reicht nicht einmal für die Miete in einer mittelgroßen Stadt.
Xi verspricht als Lösung für dieses Problem: „Alle Arten von Kapital sind willkommen“, allerdings „in Übereinstimmung mit Gesetzen und Vorschriften“. Kenner der realen Situation im von sich bereichernden KP-Funktionären übersäten China sind alarmiert. China werde sich zu einem „modernen Sozialismus“ entwickeln – auch das erklärte er bereits im Vorjahr.
Will sich Schwab mit China vereinen?
Klaus Schwab reagierte mit lobenden Worten. Er hob noch einmal hervor, wie wichtig es sei, sich zu vereinen, wie der chinesische Staatschef erklärt habe. Ziel sei, eine noch widerstandsfähigere, inklusive und nachhaltigere globale Wirtschaftsentwicklung voranzutreiben.
Schwab erklärte, Xi habe erneut daran erinnert, Meinungsverschiedenheiten zu bestimmten Themen beiseite zu schieben – schließlich gehörten wir zu einer einzigen globalen Menschheitsfamilie, die sich mehr und mehr miteinander verbinde. Auf welche Meinungsverschiedenheiten er anspielte, wurde nicht klar.
Nochmal 100 Jahre Kommunismus?
Chinas Außenminister Wang Yi fand andere Worte, um Xi Jinpings Rede vor dem Weltwirtschaftsforum zu erläutern. Wie das Außenministerium in den Staatsmedien berichtete, erklärte der Minister, dass das Jahr 2022 das Schlüsseljahr für das chinesische Volk sei, um voller Begeisterung in Richtung der „Zielsetzung der zweiten Hundert Jahre“ zu marschieren – eine klare Ansage für die nächsten 100 Jahre KP-Herrschaft.
Wang Yi kündigte an, dass die „diplomatische Front“ sich noch enger in der Nähe der Parteizentrale zusammenschließe, als deren Kern Genosse Xi Jinping gelte. „Wir werden […] unser Bestes geben, um eine neue Situation der Großstaat-Diplomatie der neuen Ära mit chinesischem Charakter zu erschaffen“.
Übersetzt aus der Sprache des Politbüros bedeutet das: Der chinesische Sozialismus soll sich auf die ganze Welt ausbreiten und diese anleiten.
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Finanzmärkte, Handel, Medien, Ideologie, internationales Recht, Weltraum und vieles mehr sind potenzielle Krisenfelder, auf denen im übertragenen Sinn ein Krieg tobt. Für die KP China bedeutet es jedoch Krieg im wahrsten Sinne des Wortes. Diese Partei, die die Regierung Chinas stellt, vertritt den Grundgedanken der „uneingeschränkten Kriegsführung“.
Zu den Mitteln des Kampfes gehören das Hacken von IT-Systemen, Terrorismus, psychologische, biochemische, ökologische, atomare und elektronische Kriegsführung, die Verbreitung von Drogen, Schmuggel, Sanktionen und so weiter.
Der Schlüsselpunkt dazu sind nicht unbedingt die unter Waffen stehenden Streitkräfte, sondern die „Generalisierung von Krieg“ für jeden chinesischen Landesbürger. „Uneingeschränkte Kriegsführung“ meint, dass „alle Waffen und Technologien nach Belieben eingesetzt werden können; was bedeutet, dass alle Grenzen zwischen Krieg und Frieden, zwischen militärischer Welt und ziviler Welt aufgebrochen werden.“
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