Wirtschaftsinstitut: Bürger müssen Fehler der Haushaltspolitik ausbaden

Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) sagt für das Jahr 2024 politisch bedingte Belastungen für die meisten Steuerzahler voraus. Besonders Gering- und Durchschnittsverdiener müssten bluten.
Die Inflation in Deutschland hat zuletzt an Tempo verloren.
Neben dem seit Jahren spürbar gestiegenen Preisniveau müssen sich Gering- und Normalverdiener auf zusätzliche Belastungen durch die Haushaltspolitik einstellen.Foto: Sina Schuldt/dpa
Von 5. Januar 2024

„Die Versäumnisse der Regierung und die unsachgerechte und verfassungswidrige Haushaltspolitik müssen am Ende die Steuerzahler ausbaden.“ Was viele kritische Bürger bereits ahnten, ist nun durch Fachleute untermauert worden: Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) schließt seine Analyse zu den Auswirkungen der zum 1. Januar 2024 angepassten Steuerpolitik mit einem Fazit, das den Verlautbarungen aus der Bundesregierung fast schon Hohn spricht.

Demnach kommen jene Steuererleichterungen in Höhe von 15 Milliarden Euro, die Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) angekündigt hatte, bestenfalls in den Taschen von ohnehin gut verdienenden Bürgern an. „Im neuen Jahr werden die meisten Steuerzahler höher belastet als noch 2023“, heißt es gleich zu Beginn einer Pressemitteilung aus der Feder von IW-Autor Dr. Martin Beznoska, einem Experten für Finanz- und Steuerpolitik.

„Insbesondere Gering- und Durchschnittsverdiener“ müssten dagegen „mehr an den Staat abtreten“. Nach Informationen der „Bild“ hatte das IW Daten aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Jahres 2018 ausgewertet, der „größten freiwilligen Haushaltserhebung Deutschlands“. Die Ergebnisse des EVS 2023 liegen laut „Statista“ bis jetzt nicht vor.

Ärmere zahlen drauf, Reichere profitieren

Besonders hart betroffen wären nach der Auswertung des IW Köln „Alleinerziehende mit einem Kind“: So müsse „eine alleinerziehende Person mit einem Jahresbruttoeinkommen [JBE] von weniger als 36.000 Euro […] ein Minus von 144 Euro“ verkraften. Auch ein alleinstehender Bürger mit 50.000 Euro JBE habe am Ende des Jahres „40 Euro mehr an Steuern und Abgaben“ zu berappen. Für Familien mit 42.000 Euro bedeute die aktuelle Steuergesetzgebung 33 Euro Minus.

Mit 262 Euro besonders stark profitieren, könnten dagegen Familien mit zwei Kindern und einem JBE von 130.000 Euro. Auch bei nur 90.000 JBE blieben für sie unterm Strich 83 Euro übrig. Ein Single mit 100.000 JBE könne sich auf 79 Euro mehr im Geldbeutel freuen. Eine Alleinerziehende mit einem Kind habe immerhin 43 Euro mehr zur Verfügung, sofern sie 72.000 Euro brutto nach Hause bringe.

Eine Tabellengrafik belegt die Berechnungen des IW auch für Singles, Alleinerziehende mit einem Kind und Familien mit zwei Kindern, die finanziell zwischen den genannten Eckwerten stehen.

Die Grafik zeigt drei Tabellen zur politisch bedingten Be- und Entlastung in deutschen Haushalten für das Jahr 2024. Quelle: Bildschirmfoto/IW Köln

Die Grafik zeigt drei Tabellen zur politisch bedingten Be- und Entlastung in deutschen Haushalten für das Jahr 2024. Foto: Bildschirmfoto/IW Köln

Steuererleichterungen können Mehrbelastung nicht immer kompensieren

Zwar werde es eine „steuerliche Entlastung bei der Einkommensteuer“ und beim Solidaritätsbeitrag geben, räumte das IW ein. Diese aber könne die höheren Privatausgaben für Sozialbeiträge, für die CO₂-Steuer, für steigende Energienetzentgelte und für die auf 19 Prozent erhöhte Mehrwertsteuer auf Gas und für Gaststättenbesuche nicht immer ausgleichen.

„Heizen, Kochen und Tanken werden teurer“, hatte Beznoska bereits am 30. Dezember 2023 in der „Welt am Sonntag“ beklagt. Die Erklärung von Finanzminister Lindner:

Nur wegen der Krisen wurden Sätze der Mehrwertsteuer zeitweilig reduziert, bereits seit Jahren geplante CO₂-Preise wurden verschoben, und mit dem Geld der Steuerzahler wurden Strompreise und Netzentgelte temporär subventioniert.“

Dennoch, so Lindner laut „Welt am Sonntag“, dürfe man sich nicht „an diese Form der Krisenpolitik“ gewöhnen, denn sie sei „nicht nachhaltig finanzierbar“. „Wir müssen den Exit schaffen“, schloss der FDP-Parteichef. Gelingen soll das mit „einer Politik für einen neuen wirtschaftlichen Aufschwung“. Wie genau Lindner sich solch eine Aufschwungpolitik vorstellt, blieb im Vagen.

Hoffnung auf „Klimageld“ vorerst vergeblich?

Ginge es nach IW-Autor Beznoska, der Wirtschaftsweisen Prof. Veronika Grimm und der SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken, so soll es nun das „Klimageld“ im Sinne der ärmeren Bevölkerungsschichten richten.

Weil der Topf des Klima- und Transformationsfonds (KTF) nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) um 60 Milliarden Euro Volumen erleichtert werden musste, sieht Esken die Geldflüsse aus der zum 1. Januar 2024 um 50 Prozent erhöhten CO₂-Steuer als „einzige Einnahmequelle“, aus der auch Geringverdiener bedient werden könnten – und ihrer Meinung nach auch sollten:

Damit daraus ein sozial gerechtes Instrument wird, muss der Staat die Einnahmen des CO₂-Preises als soziales Klimageld pro Kopf an die Bürgerinnen und Bürger zurückzahlen.“

Lindner scheint mit dem Prinzip „Linke Tasche – rechte Tasche“ grundsätzlich einverstanden zu sein: Wie die „Welt am Sonntag“ schreibt, habe er bereits „zugesagt, zügig einen Auszahlungsmechanismus für das Klimageld vorzulegen“. Die „Welt“ geht jedoch davon aus, dass die genaue Regelung erst im Laufe des Jahres 2025 fertiggestellt wird. Das Klimageld werde somit „wohl frühestens 2026“ wirksam werden. Nach Angaben der „Tagesschau“ fehlt vom Klimageld bislang „jede Spur“.

Reformen für Steuer und Schuldenbremse nicht in Sicht

Weit weniger kompromissbereit zeigt sich nach Informationen der „Welt“ das Bundesfinanzministerium, was eine neue Architektur von Steuersenkungen und -erhöhungen für ärmere und vermögendere Gruppen angeht. Esken hatte eine entsprechende Neujustierung vorgeschlagen, um die „arbeitende Mitte zu entlasten“.

Auch Eskens seit Wochen geäußerte Forderung, nach der die grundgesetzlich fixierte Schuldenbremse per Reform aufgeweicht werden soll, stößt laut „Welt“ ebenfalls noch immer auf Widerstand bei den FDP-Kabinettsmitgliedern. Zudem sei fraglich, ob ein solches Vorhaben die nötige Mehrheit unter den Parlamentariern finden werde.

Lindner spricht von Milliardenentlastungen

Finanzminister Lindner hatte Anfang Dezember 2023 unter anderem in einem Interview mit der Schweizer „Wirtschaftswoche“ versprochen, dass es ab 2024 „nicht nur keine Steuererhöhungen, sondern sogar Entlastungen“ in Höhe von 15 Milliarden Euro bei der Lohn- und Einkommensteuer geben würde. Sein immer wieder geäußertes Mantra, nachdem es mit ihm als Teil der Ampelregierung überhaupt keinerlei Steuererhöhungen für die Menschen geben werde, darf also offenbar nicht angetastet werden – selbst wenn die Tatsachen laut IW eine andere Sprache sprechen.

Die „Welt“ hatte bereits darauf hingewiesen, dass es sich „bei den 15 Milliarden Euro für Einkommensteuerzahler genau genommen um keine Entlastung, sondern lediglich um den gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleich der sogenannten kalten Progression“ handele.

Der andere Blickwinkel

Davon abgesehen war Lindner ähnlich wie der Finanzwissenschaftler Prof. Frank Hechtner von der Universität Erlangen-Nürnberg zu etwas anderen Ergebnissen gekommen als das IW Köln. Hechtner hatte je nach Einkommen und Familienstand einen positiven Jahreseffekt von bis zu 1.600 Euro für 2024 ausgerechnet.

Wer genau wissen möchte, was ihm ab dem kommenden Jahr allein aufgrund der Einkommensteueränderungen im Geldbeutel bleiben wird, der kann sich das vom Brutto-Netto-Rechner der „Stiftung Warentest“ ausrechnen lassen.

Wie so häufig dürfte es der Bürger aber schwer haben, einen genauen Überblick über seine persönliche Bilanz zu gewinnen, die sich infolge der vielfältigen Änderungen bei Endverbraucherpreisen, Grund- und Kinderfreibeträgen, bei der Arbeitnehmer-Sparzulage, den Netzentgelten, den Beitragsbemessungsgrenzen für Sozialabgaben und umgekehrt bei den Sozialtransfers ergeben wird.

Nach Informationen der „Welt“ nannte der frühere Gesundheitsminister und aktuelle Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) den Status quo die „unsozialste Politik überhaupt“. Denn trotz „Rekordinflation“ würden die „Steuern und Abgaben zum Jahresanfang um über 20 Milliarden Euro“ steigen. Dass die Ampel damit „ihr selbst geschaffenes Haushaltsloch“ stopfe, mache die Sache „besonders unfair“.

Hintergrund: BVerfG-Entscheid vom 15. November

Am 15. November 2023 hatte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts das „Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021“ für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Die Karlsruher Richter sahen in der jahresübergreifenden Umwidmung von Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro, die einst für den Corona-Sonderfonds gedacht waren, dann aber im Klima- und Transformationsfonds (KTF) auftauchten, eine Umgehung der Schuldenbremse des Grundgesetzes.

Der Bund dürfe sich, so der Tenor der Entscheidung, keine Notlagenkredite für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen und von einem Fonds in den anderen verschieben. Die Entscheidung hatte ein wochenlanges Hickhack um die Bundeshaushalte 2023 und 2024 verursacht.



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