Wird die „Wärmewende“ um ein Mehrfaches teurer als errechnet?

Berechnungen der Stadtwerke Leipzig haben ganz andere Investitionskosten für die Wärmewende ergeben als die Prognose des Bundeswirtschaftsministers. Pro Haushalt könnte das Ampelprojekt bis zu 80.000 € kosten.
Heizöl ist in Deutschland im Europavergleich eher günstig.
Der Dreh am Heizungsregler könnte bald erheblich teurer werden: Das „Heizungsgesetz“ verursacht womöglich höhere Investitionskosten als veranschlagt. Zudem wird Energie ab Januar teurer.Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Von 20. Dezember 2023

Hat sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit seiner „Wärmewende“ komplett zuungunsten der Bürger verrechnet? Diesen Schluss legen Zahlen nahe, die die Stadtwerke Leipzig errechnet haben.

Nach Angaben der Stadtwerke könnte die flächendeckende Umrüstung der städtischen Heiz-Infrastruktur auf Öko-Fernwärme und Wärmepumpenstrom gemäß den Vorgaben des „Gebäudeenergiegesetzes“ (GEG) in den kommenden 15 Jahren bis zu 30 Milliarden Euro kosten. Das berichtet unter anderem „Focus online“ unter Berufung auf die „Bild“. Die Stadt Leipzig will ihr Soll im Hinblick auf die Wärmewende schon bis 2038 erfüllt haben.

Es handelt sich um Investitionen, die finanziell letztlich vom Bürger getragen werden müssten, sei es nun durch Hausbesitzer, Mieter oder den Steuerzahler ganz allgemein.

Allein den „Umbau der Stromerzeugung“ für Wärmepumpen veranschlagen die Stadtwerke laut „Focus“ mit einer Milliarde Euro. Der „Ausbau der Fernwärme und der Wärmeerzeugung“ solle sogar „etwa 2,5 Milliarden Euro“ kosten. Den Löwenanteil – nämlich bis zu 25 Milliarden – müssten die Immobilienbesitzer in den kommenden Jahren selbst drauflegen, um ihre Heizungsanlagen umzurüsten, Fußbodenheizungen einzuziehen oder Dämmungsarbeiten an ihren Hausfassaden zu finanzieren. Im günstigsten Fall wären dafür nach den Berechnungen der Leipziger Stadtwerke allerdings „nur“ sieben Milliarden Euro nötig.

Gesamtbelastungen pro Haushalt: 29.000 bis 80.000 € – deutschlandweit im Billionenbereich

In Leipzig lebten nach Angaben der Stadt Ende 2022 rund 625.000 Menschen in etwa 357.000 Haushalten. Somit käme auf jeden Haushalt in den kommenden 22 Jahren im Durchschnitt ein Mehraufwand von gut 29.000 € zu. Sollten sogar die vollen 28,5 Milliarden aufgewendet werden müssen, lägen die Kosten bei rund 80.000 € pro Leipziger Haushalt. Nach Angaben der „Bild“ (Bezahlschranke) würde somit jeder Einwohner der sächsischen Metropole im Schnitt mit bis zu 45.000 € belastet. Im günstigsten Fall mit 16.800 €.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte in seinem „Gebäudeenergiegesetz“ nach Angaben der „Bild“ noch einen „Erfüllungsaufwand“ von „grob“ 130 Milliarden für alle deutschen Verbraucher bis zum Jahr 2045 angegeben – nach Abzug der über eine Laufzeit von 18 Jahren ausgerechneten Einsparungen (BT-Drucksache 20/6875, Seite 5, PDF). Bei einer Einwohnerzahl von 84,5 Millionen Ende 2022 hätte das einen Mehraufwand für die „Wärmewende“ von lediglich rund 1.540 € pro Kopf ergeben.

Überträgt man die aktuellen Berechnungen der Leipziger Stadtwerke aber auf die gesamte Bundesrepublik, müsste man von einer Zusatzbelastung ausgehen, die zwischen 1.420 und 3.850 Milliarden Euro liegt – also weit entfernt von Habecks Prognose. Das sind selbstverständlich nur geschätzte Zahlen. Zum Vergleich: Die gesamten Steuereinnahmen von Kommunen, Ländern und dem Bund betrugen laut „Statista“ im Jahr 2022 rund 856 Milliarden Euro.

Linke Tasche, rechte Tasche: Förderung bis zu 70 Prozent möglich

Ganz allein lassen werde man die Haus- und Wohnungsbesitzer aber nicht, betont der „Focus“. Wer über mehr als 40.000 € Jahreseinkommen verfüge, werde staatlicherseits „bei der Sanierung der Alt-Heizung eine Grundförderung“ von 30 Prozent der Investitionskosten erhalten. Haushalte mit weniger hohem Einkommen hätten zudem einen Anspruch auf „einen Förderbonus von weiteren 30 Prozent“.

Für Haushalte, die noch mit Gas-, Öl-, Kohle- oder Nachtspeicheranlagen heizten, welche „bei Antragstellung“ über 20 Jahre alt seien, sei ein zusätzlicher „Klima-Geschwindigkeitsbonus“ von 20 Prozent geplant. Die maximal mögliche Gesamtförderung sei allerdings auf 70 Prozent der Investitionskosten begrenzt und werde zudem bei 30.000 € gedeckelt. Dass der Bürger in seiner Rolle als Steuerzahler im Laufe der Jahre selbst für seine eigene Entlastung zur Kasse gebeten wird, erwähnte der „Focus“ nicht.

Die Förderanträge sind nach Angaben der staatlichen Förderbank KfW frühestens ab dem 27. Februar 2024 verfügbar. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte auf AFP-Anfrage, Ziel sei es, die Förderung für den Heizungstausch 2024 „lückenlos“ fortzusetzen. Einzelheiten sind unklar. Bis Jahresende 2023 greife die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG).

Immobilienverband will „ehrliche Kostenaufstellung“

Kai Warnecke, der Bundeschef des Immobilienbesitzerverbandes „Haus und Grund“, zeigte sich nach Bekanntwerden der Leipziger-Stadtwerke-Berechnung unzufrieden: „Wir brauchen zügig eine ehrliche Kostenaufstellung der Wärmewende in Deutschland“, forderte Warnecke nach Angaben von „Apollo News“ im Gespräch mit der „Bild“. Die Bürger hätten „ein Recht darauf zu erfahren, was sie und ihre Kinder für diese Herkulesaufgabe zahlen müssen“.

Ronald Linke, der Vorsitzende von „Haus und Grund“ Leipzig, halte die Stadtwerke-Zahlen aus seiner Stadt für „völlig illusorisch“. Zudem wären die Kosten für Wärme und Strom in den Berechnungen noch gar nicht eingeflossen.

Aus für Netzentgelt-Zuschuss, Steuererhöhung für CO₂

„Erste Stadt- und Gemeindewerke“ hatten nach „Focus“-Informationen schon angekündigt, „in den kommenden Jahren die Netzentgelte pro Kilowattstunde Strom zu erhöhen“, um ihren Teil der Investitionen bezahlen zu können. Obendrein sei aufgrund der bereits beschlossenen CO₂-Preiserhöhung von 30 € auf 45 € je Tonne auch noch mit „höheren Strom- und Gastarifen“ zu rechnen.

Nach Angaben der „Frankfurter Rundschau“ (FR) wird der haushaltsbedingte Wegfall von 5,5 Milliarden Fördergeld des Bundes, das ursprünglich für die Stabilisierung der Netzentgelte gedacht war, für noch höhere Energiekosten sorgen. Das Verbraucherportal „Check24“ gehe derzeit von einem Strompreis-Aufschlag von 32 Prozent aus. Es empfehle einen Anbietervergleich und gegebenenfalls einen Wechsel. Im Fall einer Preiserhöhung bestehe dafür ein „Sonderkündigungsrecht“.

Die CO₂-Preiserhöhung der „Ampelregierung“ wird übrigens wohl auch auf Öl, Gas und Kraftstoff durchschlagen. „Ein Musterhaushalt mit einem jährlichen Gasverbrauch von 20.000 kWh“ werde allein dadurch jährlich um 60 € mehr belastet. Durch den Wegfall der „Gaspreisbremse“ könnten weitere 90 € dazu kommen.

An der Tankstelle müssen sich Autofahrer ab dem 1. Januar auf gut 13 Cent mehr für den Liter Diesel und auf gut 12 Cent Aufpreis für den Liter Benzin einstellen, wie der „Münchener Merkur“ unter Berufung auf den ADAC schreibt.

Das „Gebäudeenergiegesetz“

Nach Maßgabe des am 8. September 2023 verabschiedeten und von Beginn an umstrittenen „Gebäudeenergiegesetzes“  (GEG, BT-Drucksache 20/6875, PDF) soll die komplette Heizungsinfrastruktur Deutschlands bis zum Jahr 2045 „klimaneutral“ funktionieren. Das bedeutet, dass sämtliche Anlagen nur noch mit „erneuerbaren Energien“ betrieben werden dürfen. Die Regeln gelten zunächst nur für Neubauten in Neubaugebieten.

Die Kommunen wurden per GEG verpflichtet, einen „Wärmeplan“ für ihren Zuständigkeitsbereich zu erstellen. Städte und Gemeinden mit über 100.000 Einwohnern haben dafür bis zum 30. Juni 2026 Zeit, kleinere Kommunen dürfen bis Ende Juni 2028 daran arbeiten. Sobald der Wärmeplan vorliegt, gilt für die Einwohner, dass neu eingebaute Heizungen mindestens zu 65 Prozent von erneuerbaren Energien befeuert werden müssen. Das bedeutet in der Regel, dass eine Wärmepumpe mit „grünem“ Strom vorhanden sein muss, falls keine Reparatur im Bestand mehr möglich ist.

Eine Alternative kann ein Anschluss ans Fernwärmenetz sein, falls dies vor Ort möglich ist. Auch eine Biomasseheizung oder ein solarthermisches Heizsystem könnten zum Einsatz kommen. Gasheizungen dürfen vorerst im Heizraum bleiben, wenn sie „H2 Ready“ sind – also auch mit Wasserstoff betrieben werden können.

Ab 2045 dürfen überhaupt keine Öl- oder Gasheizungen mehr betrieben werden. Bei Verstößen drohen saftige Bußgelder von bis zu 50.000 €.



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