Wirbel um Kubitscheks Auftritt in Schwerin: Was er zu sagen hatte
Die mecklenburgisch-vorpommersche Landeshauptstadt Schwerin stand in den vergangenen Tagen Kopf: Die Junge Alternative (JA) in Mecklenburg-Vorpommern hatte den Verleger und Publizisten Götz Kubitschek in den Demmlersaal des Rathauses eingeladen. Kubitschek gilt als einer der bekanntesten Vordenker und Intellektuellen der sogenannten Neuen Rechten in Deutschland. Laut Darstellung der JA auf ihrer Facebook-Seite erwartete die AfD-Jugend vom Publizisten einen „nüchternen und zugleich schonungslosen Blick auf die politische Lage und Fragen zur Rolle der AfD und des patriotischen Vorfeldes“.
Nachdem bekannt wurde, dass der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Kubitschek im Rathaus sprechen wollte, kündigte die Stadt den Mietvertrag. Am Freitag entschieden dann sowohl das Verwaltungsgericht in Schwerin als auch das Oberverwaltungsgericht in Greifswald, welches auch den Einspruch der Stadt am Abend zurückwies, dass die Stadt Schwerin den Mietvertrag unrechtmäßig gekündigt hatte und der Demmlersaal der AfD-Jugend zur Verfügung gestellt werden müsse.
120 Menschen gegen Kubitschek-Auftritt
Eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn um 19 Uhr versammelten sich laut Polizeiangaben rund 120 Menschen auf dem Marktplatz, um gegen den Auftritt Kubitscheks im Rathaus zu demonstrieren. Kurzfristig hatte der Schweriner Stadtvertreter, Wilhelm Hoog von der „Aktion Stadt und Kulturschutz“ (ASK), die Versammlung unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt – gegen rechte Hetze“ angemeldet, nachdem die Gerichtsentscheidungen bekannt geworden waren.
Vom Bündnis „Wage Mut!“ waren auch Dieter und Elisabeth Gnann dabei. Ihr Bündnis hatte im November 2022 den Johannes-Stelling-Preis der SPD-Landtagsfraktion erhalten. Mit diesem Preis würdigte die Fraktion seit dem Jahr 2006 „couragiertes Verhalten und bürgerliches Engagement“.
Von der Gerichtsentscheidung am Freitag hätten sie sich verhöhnt gefühlt, sagten beide. Deshalb seien sie heute hier dabei. Sie seien „jede Woche unterwegs, um gegen rechts zu demonstrieren“ und hielten nichts von Rechtsextremisten und Nazis. Sie hielten deshalb ein Transparent in der Hand, auf dem man lesen konnte „Weg mit dem Dreck!“. „Und denen bieten wir nun auch noch ein warmes Nest im Rathaus“, empörten sich beide.
Eine junge Frau, die sich ebenfalls an der Gegendemonstration beteiligte, begründete ihre Teilnahme so: „Wir dürfen Rechtsextremisten keinen Raum bieten.“ Deshalb sei es wichtig, heute hier zu sein.
Bahnverspätung und Blockade
Unterdessen füllte sich der Demmlersaal nach und nach. Um 19 Uhr sollte die Veranstaltung beginnen und alle warteten auf den angekündigten Referenten. Götz Kubitschek war aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Rathaus: Sein Zug hatte sich verspätet. Als er gute 15 Minuten später eintraf, folgte die nächste Verzögerung: Demonstranten blockierten den Eingang zum Rathaus und verwehrten Kubitschek und dem AfD-Fraktionsvorsitzenden Nikolaus Kramer, der gemeinsam mit dem Referenten angekommen war, den Einlass. „Nazis raus“-Rufe schallten den Männern entgegen.
Der dreimaligen Aufforderung durch die Polizei, den Weg freizugeben, folgten die Blockierer nicht. Am Ende mussten Polizisten die Demonstranten wegziehen – der Weg war danach frei. Gegen die Blockierer wurde inzwischen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Nötigung eingeleitet. Ein weiteres Ermittlungsverfahren wurde gegen einen Ordner der Veranstaltung im Rathaus eingeleitet. Hier besteht nach Auskunft der Polizei der Verdacht der versuchten Körperverletzung gegen einen Blockadeteilnehmer.
Mit gut 45 Minuten Verspätung betrat Götz Kubitschek den Demmlersaal und wurde von den Anwesenden mit Applaus empfangen. Wer war der Mann, dessen Auftritt die Stadt Schwerin verbieten wollte? Den der Verfassungsschutz als Rechtsextremist einstuft? Der als ein wichtiger Vordenker der Neuen Rechten gilt?
Wer einen Redner erwartet hatte, der zum Umsturz aufrufen würde und sich im Saal, in dem 48 Stunden später wieder die Schweriner Stadtvertretung tagen würde, als Hetzer betätigen würde, der würde enttäuscht gewesen sein. Kubitschek betont bereits am Anfang, dass er es – nach den Vorfällen der vergangenen Tage – nicht für möglich gehalten hätte, am Ende doch im Demmlersaal auftreten zu dürfen. Dass Gerichte es am Ende doch möglich gemacht hätten, sei etwas Besonderes.
Den Konsens der anderen stören
Der Verleger sprach weiter von „bleiernen Jahren“, die kurz nach der Wende begonnen und bis zu den Wahlerfolgen der AfD angehalten hätten. Nun seien diese aber vorbei. Die AfD als Partei, aber auch er mit seiner verlegerischen Tätigkeit als politisches „Vorfeld“, würden durch die Aufladung der Debatten jetzt die „Demokratiewirklichkeit“ auf die Probe stellen. „Es geht nun wieder um etwas“, so Kubitschek. Die Rechte sei der „Lackmustest“ für die Demokratie. „Was wir tun, ist ein Demokratiefest“, so der Publizist aus Schnellroda in Sachsen-Anhalt.
Den anderen Parteien warf Kubitschek vor, dass sie sich in der Vergangenheit in einem gemeinsamen Konsens eingerichtet hätten. Das ließe sich belegen, wenn man darauf schaue, dass alle anderen die politische Landschaft bestimmenden Parteien sich in Nuancen unterscheiden, aber im Kern einig sind. Die AfD störe nun genau diesen Konsens, berechtigterweise, wie Kubitschek betont. Genau das sei Demokratie. Es gehe um den „Kampf um Denkmöglichkeiten“. Der AfD attestierte der parteilose Verleger, dass sie zeige, was es heiße, eine „wirkliche Alternative“ zu haben.
„Lassen Sie sich hier nicht die Butter vom Brot nehmen“, ermutigte Kubitschek die Anwesenden. Dieser Kampf um Meinungshoheit, Redeanteile und Wählerstimmen müsse geführt werden. In der Demokratie gehe es genau darum, genau auf einen bestimmten Zeitpunkt ausgerichtet, die Masse zu überzeugen. Dieser Kulminationspunkt sei in der Demokratie die Wahlen.
Carl Schmitt als Lehrmeister
Unweigerlich musste man an dieser Stelle an die „Freund-Feind Theorie“ des Staatsrechtlers Carl Schmitt denken. Kubitschek hatte schon 2010 auf seinem Blog geschrieben: „Schmitt zu lesen, ist wie Bach zu hören: Beiläufig, schlagartig, nachhaltig stellt sich Klarheit in der eigenen Gedankenführung ein.“
Ohne den Namen Carl Schmitt zu nennen, merkte man schnell, wer als Lehrer hinter der von Kubitscheks aufgemachten Lageanalyse steht. In seinem 1932 erschienenen Werk „Der Begriff des Politischen“ entwickelte Schmitt auf wenigen Seiten eine historisch-begriffliche Analyse des Politischen. Die politische Welt existiert demnach nur, wenn Menschen die Unterscheidung von Freund und Feind treffen und diese Entscheidung Grund genug ist, ihr Leben im Kampf gegen den Feind zu opfern.
Kubitschek forderte im Demmlersaal nicht das Todesopfer im Kampf gegen den Feind ein. Der Verleger machte aber deutlich, dass es in der politischen Auseinandersetzung der AfD mit den anderen Parteien nicht darum gehe, irgendwann ein Teil der Anderen zu sein, sondern eine grundsätzliche politische Wende herbeizuführen. „Gewöhnen Sie sich nie den alternativen, grundsätzlich anderen Blick ab“, forderte Kubitschek.
Immer wieder nahm Kubitschek an diesem Abend Bezug auf den „Kampf der Ideen“. Der AfD attestierte der Verleger einen Platz an der „Front“, während er mit seiner Tätigkeit in der „Etappe“ sitzen und das „Rüstzeug“ liefern würde.
Kubitschek hat „Kreide gefressen“
Im „Kampf um die Meinungshoheit“ komme, so der Publizist, vor allem den „freien Medien“ eine wichtige Rolle zu. Kubitschek meinte hier Medien, die aus dem von ihm empfundenen „Mainstream“ herausfallen. Auch diese würden den Konsens der „Zeitgeistmedien“ stören. Das, so Kubitschek, könne in der Auseinandersetzung auch zur Radikalisierung der Leser führen. Weiter sehe er durchaus auch Tendenzen bei den sogenannten „alternativen Medien“, nicht nur die andere Sicht der Dinge zu verbreiten, sondern auch „zu lügen“. Für Kubitschek zwar ein kritikwürdiger Umstand, den man aber im Kampf um die Meinungshoheit in Kauf nehmen müsse.
„Was zählt, sind Meinungen, die geglaubt werden.“ Kubitschek meinte damit vor allem, dass es notwendig sei, eine Gegenmeinung zum Konsens zu etablieren und die Medienkonsumenten damit kritisch gegenüber dem zu machen, was täglich in den Medien berichtet werde. „Die öffentliche Meinung ist im Moment die veröffentlichte Meinung“, so Kubitschek. Daher gelte es, Alternativen zu etablieren.
Miterlebt hatte diesen Abend auch Dr. Daniel Trepsdorf, Kreisvorsitzender der Linken in Schwerin und Leiter des Regionalzentrums für demokratische Kultur. Gegenüber dem NDR sagte der Stadtvertreter: Kubitschek habe in Schwerin „Kreide gefressen“ und hielt einen eher gemäßigten Vortrag. Trepsdorf schätze dies als „gefährlich“ ein, da so die „eigentliche politische Leitlinie überspielt und weich gespült wurde“.
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