Wie halten es die Parteien mit der EU-weiten Aufarbeitung der Corona-Politik?

Die Aufarbeitung der Corona-Politik spielt in den meisten Parteiprogrammen zur EU-Wahl keine große Rolle. Auch nicht beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das mit Friedrich Pürner einen prominenten Maßnahmenkritiker in seinen Reihen hat. Die Epoch Times hat die Grundpositionen der chancenreichsten Parteien zusammengetragen.
Teststation für Corona-Schnelltests im Frühjahr 2022. «Eine Aufarbeitung heißt für mich, das Land (...) wieder zusammenzuführen», sagt Vize-Kanzler Habeck.
Das Archivbild zeigt einen aufblasbaren Wegweiser zu einer Corona-Teststation im Frühjahr 2022.Foto: Christian Charisius/dpa
Von 22. Mai 2024

Dr. Friedrich Pürner, der ehemalige Leiter des Gesundheitsamtes Aichach-Friedberg und prominenter Corona-Maßnahmenkritiker, hatte im Januar 2024 erklärt, für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zur EU-Wahl anzutreten. Dort wolle er sich vorwiegend für die Aufarbeitung der Corona-Krise einsetzen, versprach der im Oktober 2020 bei der bayerischen Landesregierung in Ungnade gefallene Mediziner.

Der Partei war das Anliegen Pürners ein Listenplatz 6 für die EU-Wahl wert. Nach jüngsten Erhebungen der Forschungsgruppe Wahlen und von INSA würden sich – Stand Mitte Mai – fünf bis sieben Prozent der Wahlberechtigten für das BSW entscheiden. Bei der EU-Wahl 2019 hatte die Linkspartei nur 5,5 Prozent der Stimmen bekommen – und konnte trotzdem fünf Abgeordnete ins Parlament entsenden. Das BSW hat die Linken, aus deren Reihen es selbst hervorgegangen war, in der Wählergunst inzwischen klar überholt. Für BSW-Kandidat Pürner könnte es also klappen.

Doch im EU-Wahlprogramm des BSW taucht der Begriff „Corona-Aufarbeitung“ im Wortlaut nicht ein einziges Mal auf. Auch ein konkreter Standpunkt zur Debatte um den WHO-Pandemievertrag (WHO CA+) und die Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) fehlt. Die Schwerpunkte des BSW für die EU liegen offensichtlich woanders, nämlich primär bei den Themen Frieden, Freiheit, Wirtschaft, Soziales, Klima und Migration.

Lediglich im allerletzten Abschnitt ihres EU-Programms (PDF) greift die Wagenknecht-Partei einen Randaspekt der Corona-Zeit auf: den „Digital Services Act“ (DSA) der Europäischen Union. Der behält sich Eingriffe in die sozialen Netzwerke bei angeblicher „Desinformation“ ausdrücklich vor – eine Zensurpraxis, mit der viele Kritiker der Corona-Politik schon ab 2020 Bekanntschaft schließen mussten. Das BSW fordert den DSA wegen seiner „staatliche[n] Umsetzung der Cancel Culture“ als unvereinbar „mit dem europäischen Erbe der Aufklärung“ wieder abzuschaffen.

Die Epoch Times fragte sowohl bei der Parteispitze als auch bei Dr. Friedrich Pürner nach, warum das Thema Corona-Aufarbeitung in ihrem Wahlzielkatalog keinen größeren Stellenwert genießt.

Eine Antwort blieb bis zum Redaktionsschluss in beiden Fällen aus.

Im April hatte Sahra Wagenknecht der dpa mitgeteilt, dass ihre Partei einen Untersuchungsausschuss im Hinblick auf die Corona-Aufarbeitung fordere: „Eine Enquete-Kommission reicht nicht aus“, sagte die BSW-Chefin. „Notwendig ist ein Untersuchungsausschuss, um die Zeit mit den größten Grundrechtseinschränkungen in der Geschichte der Bundesrepublik zu beleuchten.“

Auf dem Telegram-Kanal „Sahras Offizieller Infokanal“ wurde am 22. Mai 2024 eine Stellungnahme zur Frage gepostet, warum das BSW eine knappe Woche zuvor nicht über einen Antrag der AfD-Fraktion mit abgestimmt hatte, nach dem der Bundestag den WHO CA+ und die neuen IGV ablehnen sollte.

Wagenknecht selbst erklärte das hauptsächlich mit dem Umstand, dass „fast alle Mitglieder unserer Gruppe […] zum Zeitpunkt der Abstimmung leider in Wahlkampfveranstaltungen und anderen vorher zugesagten Terminen gebunden“ gewesen seien. Die BSW-Gruppe bestehe ja nur aus zehn Personen. Zudem hätten in dem AfD-Antrag aus Sicht des BSW „wichtige Fragen“ gefehlt – „etwa Kritik an der privaten Finanzierung der WHO“. Das BSW selbst habe es wegen einer dreiwöchigen Vorlauffrist nicht rechtzeitig geschafft, einen eigenen Antrag zum Thema WHO einzubringen. „Die Position des BSW“ sei allerdings klar:

Selbstverständlich lehnen wir den WHO-Pandemievertrag ab und fordern eine Aufarbeitung der Fehlentscheidungen der Corona-Zeit.“

Als der Bundestag am 12. Mai 2023 mehrheitlich beschlossen hatte, der WHO mehr Befugnisse zu übertragen, hatten sich 25 der 39 Mitglieder der damals noch existenten Linksfraktion enthalten. Zehn weitere gaben ihre Stimme gar nicht erst ab – darunter auch Wagenknecht selbst. Vier Linke waren sogar für die „Stärkung und Reform“ der WHO.

dieBasis für umfangreiche Aufklärung

Die Aufarbeitung der Corona-Politik spielt in den meisten Parteiprogrammen zur EU-Wahl keine große Rolle. Bei der Basisdemokratischen Partei Deutschlands („dieBasis“) gehört sie dagegen zur Gründungsgeschichte: Die Partei war 2020 infolge der Grundrechtseinschränkungen ins Leben gerufen worden. Sie setzt sich nach eigenen Worten nicht nur „für eine Aufarbeitung des geschehenen Unrechts und eine strafrechtliche Verfolgung derer ein, die Hass und Hetze gegen Kritiker verbreitet und Menschen willkürlich ausgegrenzt und stigmatisiert haben“, sondern auch gegen „die globalistischen pseudo-gesundheitlichen Gängelverträge der Weltgesundheitsorganisation“, wie dieBasis-Spitzenkandidatin Isabel Graumann zum Wahlkampfauftakt im April verkündet hatte.

Zudem fordert dieBasis laut ihrem vorläufigen Rahmenprogramm die Abschaffung des „Digital Services Act“ sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit und erteilt somit jeglicher Impfpflicht eine Absage. Bei der Bundestagswahl 2021 konnte dieBasis 1,4 Prozent der Stimmen hinter sich versammeln.

AfD ebenfalls für „breite und öffentliche Untersuchung“

Die AfD bildet – neben den vier fraktionslosen Bundestagsmitgliedern – die einzige im Bundestag vertretene Fraktion, die am 7. April 2022 geschlossen gegen eine allgemeine Impfpflicht für Menschen über 60 gestimmt hatte. Seit April 2023 macht sich die AfD – wie inzwischen auch das BSW – zudem für eine Aufarbeitung der Corona-Politik im Rahmen eines Untersuchungsausschusses auf Bundesebene stark.

Aus ihrem EU-Wahlprogramm (PDF) geht hervor, dass sie sich auch „eine breite und öffentliche Untersuchung durch ein unabhängiges Gremium“ auf EU-Ebene wünscht, die sich vor allem mit den Schäden von COVID-19-Impfungen befassen soll. Zudem sollte nach Meinung der AfD die „Zulassung von mRNA- und vektorbasierten Corona-Injektionen“ beendet und die „juristische Aufarbeitung“ der Hintergründe innerhalb der EU-Kommission vorangetrieben werden, wie auf Seite 44 zu lesen ist. Wenige Absätze vorher stellt die AfD klar, dass ihr auch das nationale Selbstbestimmungsrecht in Gesundheitsfragen über internationale Interessen geht. In der Kurzfassung des Programms (PDF) heißt es:

Die EU oder die WHO sollen in Deutschland keine Pandemien ausrufen dürfen. Die körperliche Unversehrtheit jedes einzelnen ist für uns unantastbar. Einer EU-Impfpflicht und einem EU-Impfzertifikat werden wir uns mit aller Konsequenz entgegenstellen.“

Da „persönliche Gesundheitsdaten […] äußerste Diskretion“ verlangten und „niemals Verfügungsmasse politischer und kommerzieller Begehrlichkeiten und ideologischer Interessen sein“ dürften, lehne die AfD auch „eine zentralistische Speicherung von Patientendaten“ innerhalb eines „Europäische[n] Gesundheitsdatenraum[s] (EHDS)“ strikt ab. Auch die „Digitalisierungsverordnungen der EU“ wie etwa die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), „UploadFilter und das Leistungsschutzrecht“ gehören nach Auffassung der Partei abgeschafft, „da sie immer auch Überwachung oder Zensur zum Inhalt haben“.

Union für „europäische Gesundheitsunion“

Im EU-Wahlprogramm der Union (PDF) ist nichts über den Wunsch nach einer Corona-Aufarbeitung zu lesen. Auch die Kürzel WHO und DSA tauchen nicht auf. Dafür loben die Christdemokraten die Pläne der EU, „Datenräume wie zum Beispiel den europäischen Gesundheitsdatenraum“ einzuführen (Seite 11). Auch einer „europäische Gesundheitsunion“ steht die CDU wohlwollend gegenüber, wie aus Seite 15 hervorgeht. Dort heißt es noch konkreter:

Wir wollen die digitale Europäische Patientenakte umsetzen. Gesundheitspolitik weiterentwickeln. Wir unterstützen das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) sowie EU-Aktivitäten für eine bessere Gesundheitssicherheit und auch internationale Krisenvorsorge.“

SPD für „europaweit vernetzte Gesundheitsprävention“

Auch bei der SPD ist die Corona-Aufarbeitung im EU-Wahlprogramm (PDF) kein Thema. Im Gegenteil heißt es auf Seite 43:

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig ein koordiniertes Vorgehen unter den Mitgliedsstaaten sein kann. Wir wollen deshalb eine europaweit vernetzte und patientenorientierte Gesundheitsprävention und -versorgung.“

Wie die CDU spricht sich auch die SPD für eine „starke Europäische Gesundheitsunion“ aus: „Gemeinsam können wir Lieferengpässe bekämpfen, faire Preise für Arzneimittel sicherstellen und den Pflegesektor stärken“. Ähnliches gilt bei den Sozialdemokraten für die IT-Welt: Man benötige „eine echte Verwirklichung der Digitalunion“ (Seite 15). Den DSA sieht die SPD als „Meilenstein“ auf einem Weg, den es fortzusetzen gelte. „Desinformation, sogenannten Deepfakes und anderen Manipulationen“, sagt die SPD den Kampf ebenso an wie „Hate Speech“. Abzulehnen seien allerdings auch „jegliche Form von Massenüberwachung“, die „anlasslose Speicherung von Daten“ und die „anlasslose Kontrolle digitaler Kommunikation“.

Grüne im Kampf gegen „Desinformation“ und für die WHO

Die „anlasslose Vorratsdatenspeicherung oder Chatkontrolle, biometrische Gesichtserkennung, die Überwachung von Verhalten oder Emotionen“ wollen auch die Grünen nicht, wie es auf Seite 111 ihres „Europawahlprogramms“ (PDF) heißt. Andererseits sollen „FaktencheckPlattformen“ und „Medienkompetenz“ gefördert werden. „Systematische Desinformation“ gehört für die Grünen künftig „in den Katalog der EU-Straftaten“ (S. 112), „Hassrede“ müsse „konsequent gelöscht“, „verbreitende Accounts […] gesperrt werden“. Dem DSA und dem „Digital Markets Act“ (DMA) stehen die Grünen auch deshalb positiv gegenüber. Nun gehe es um die „Vollendung des digitalen Binnenmarktes“, „um global wettbewerbsfähig zu sein“ (Seite 26).

Statt eine Corona-Aufarbeitung zu forcieren, wollen die Grünen lieber „Lehren aus der Pandemie“ ziehen (S. 52). Im Kern geht es dabei um noch mehr Zusammenhalt und gemeinsame Forschung „zu Infektionskrankheiten wie Covid-19 und deren Folgekrankheiten“. Und das offenbar nicht nur EU-weit:

Auf internationaler Ebene setzen wir uns dafür ein, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und multilaterale Gesundheitsinitiativen politisch, finanziell und personell zu stärken, die Innovationskraft der europäischen Gesundheitsforschung stärker zu fördern sowie den globalen Zugang zu bezahlbaren Medikamenten und Gesundheitsdienstleistungen für alle Menschen zu verbessern.“

Dazu gehört aus Sicht der Grünen auch eine digitale „Patient*innen-Akte“, die über den „europäische[n] Gesundheitsdatenraum“ zugänglich sein soll (S. 54).

FDP forciert Kooperation zwischen EU und WHO

Im FDP-Wahlprogramm zur EU-Parlamentswahl (PDF) ist ebenfalls kein Wort über Corona-Aufarbeitung oder den DSA zu finden. Auch der WHO-Pandemievertrag wird nicht ausdrücklich erwähnt. Stattdessen heißt es auf Seite 19:

Wir wollen die Kooperation zwischen der EU und der Weltgesundheitsorganisation ausbauen und die Implementierung der globalen Gesundheitsstrategie der EU entschlossen vorantreiben. Wir wollen einen gemeinsamen Europäischen Gesundheitsdatenraum schaffen, der die Versorgung verbessert, Innovationen ermöglicht und den Anforderungen des Datenschutzes genügt.“

„Zulassungsverfahren“ im Gesundheitswesen sollen nach Vorstellung der FDP noch stärker beschleunigt werden, „ohne Kompromisse bei der Patientensicherheit zu machen“. Auch dem „gemeinsamen Kauf von Impfstoffen“ und überhaupt der „gemeinsame[n] Beschaffung im medizinischen Bereich“ stehen die Liberalen nach wie vor positiv gegenüber, „um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten“.

Negativ sieht das Team um FDP-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann dagegen „Netzsperren, Vorratsdatenspeicherung und anlassloses Ausspionieren der Bürger“. Die DSGVO hat sich nach Meinung der FDP „als weltweiter Standard“ durchgesetzt – nun gelte es, sie „konsequent [zu] entbürokratisieren und weiter[zu]entwickeln“. Uploadfilter oder Fluggastdatenspeicherungen gehörten allerdings nicht dazu.



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