Wie ein verbotener Slogan für viel Ärger sorgen kann
Die verbotene Formulierung „Alles für Deutschland“ sorgte in den vergangenen Tagen gleich mehrfach für Schlagzeilen. Und das im doppelten Sinne des Wortes: Zwei AfD-Politiker und ein „Spiegel“-Kolumnist waren damit konfrontiert worden, die Worte verwendet zu haben.
Bei dem Slogan handelt es sich nach Informationen der „Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus“ um eine Losung der „Sturmabteilung“ (SA) der NSDAP. Die Verwendung kann bestraft werden.
SA-Spruch auf Passauer AfD-Wahlplakat
Der erste Fall war Anfang der Woche deutschlandweit bekannt geworden. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) waren in Passau schon vor dem Wochenende mehrere Wahlkampfplakate der AfD aufgetaucht, auf denen der Satz abgedruckt war.
„Auf den Plakaten wird das AfD-Logo so umgedeutet, dass es für die Anfangsbuchstaben der NS-Parole ‚Alles für Deutschland‘ steht. Eigentlich steht das Kürzel der Partei für ‚Alternative für Deutschland‘“, erklärte das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) den Sachverhalt. Öffentlich gemacht hatte den Fall der „X“-Nutzer „Sinom Tiev“.
AfD-Landeschef Protschka distanziert sich
Die Polizei habe schon am Freitagabend, 8. September, mehrere Exemplare abgehängt, berichtete unter anderem die SZ. Am Montag, 11. September, habe sich der bayerische AfD-Landesvorsitzende Stephan Protschka auf Nachfrage von den Plakaten distanziert: Die Werbeflächen seien nicht vom Landesverband genehmigt worden. Wahrscheinlich stammten sie „von einem lokalen Bezirkstagskandidaten“, zitiert ihn das Münchener Blatt.
Er selbst habe vom Kreisverbandschef vor Ort sofort telefonisch verlangt, die Plakate abzuhängen. Auch wenn man „nicht alles auf die Goldwaage legen“ müsse, gebe es „gewisse Sprüche“, die man einfach nicht verwende, so Protschka. „Alles für Deutschland“ gehöre dazu.
Die Kriminalpolizei ermittelt
Nach Angaben des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ steckte der AfD-Kommunalpolitiker Johann Meier hinter den Plakaten: Der Listenkandidat habe damit für die Bezirkswahl am 8. Oktober werben wollen. Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft hätten die Ermittlungen wegen des mutmaßlich „strafrechtlich relevanten Inhalts“ bereits aufgenommen, schreibt die SZ.
Meier selbst hatte die Idee zu dem Plakat schon am Abend des 10. September gegenüber der „Passauer Neuen Presse“ (PNP) zugegeben. Dass es sich um einen SA-Spruch handele, habe er „nicht gewusst“. Als er davon erfahren habe, habe er den Plakatierern sofort Einhalt geboten. „Ich hoffe, damit ist die Kuh vom Eis“, zitiert ihn die PNP. Wie die „Neue Presse“ weiter berichtet, habe sich Meier bereits einige Tage zuvor „bei der Lokalredaktion beklagt, dass AfD-Wahlplakate in Pocking ‚beschmiert‘ worden seien“: Manche seien mit dem Wort „Nazi“ versehen worden.
Als weniger schwerwiegend hatte wohl der AfD-Landtagsabgeordnete Ralf Stadler die Verwendung der SA-Parole durch einen Parteikollegen empfunden. „Der ist da sehr kreativ“, habe Stadler laut RND in einem Video-Interview mit Sinom Tiev über Meier geäußert und darauf verwiesen, dass die SA auch die Worte „Grüß Gott“ benutzt habe. Man dürfe wohl „bald nicht mehr Deutsch“ sprechen, „wenn man alles so hindreht“, zitiert ihn das RND.
Auch der „Spiegel“ trat ins Fettnäpfchen
Beinahe um die gleiche Zeit war derselbe Wahlspruch für kurze Zeit auch im „Spiegel“ selbst aufgetaucht – und zwar über einer Kolumne von Stefan Kuzmany. Dessen Text drehte sich um den „Deutschland-Pakt“, den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einige Tage zuvor im Bundestag angemahnt hatte.
Doch das Hamburger Nachrichtenmagazin entdeckte den womöglich strafbewehrten Fauxpas schnell und ersetzte die Schlagzeile durch die Wörter „Im Deutschland-Tempo“. Dazu gab es im Artikel einen entsprechenden Hinweis, der die versehentliche Verwendung des verbotenen Passus eingestand: „Das war von Autor und Redaktion nicht beabsichtigt und wurde nun geändert.“ Ein Bildschirmfoto von der früheren Textversion ist noch bei X zu finden. Über staatsanwaltliche Ermittlungen ist nichts bekannt.
Der Ausdruck „Deutschland-Pakt“ verblieb als Scholz-Zitat übrigens in der Kolumne. Obwohl auch diese Wortwahl nicht so recht zum SPD-Regierungschef passen mag: In den Jahren 2005 bis 2009 hatten die beiden strammrechten Parteien NPD und DVU nämlich unter diesem Schlagwort miteinander kooperiert, wie das RND schon am 6. September herausgefunden hatte.
AfD-Landeschef Höcke muss vor Gericht
Der dritte und prominenteste Fall betrifft abermals einen AfD-Vertreter, nämlich den Thüringer Landesparteisprecher und Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke. Am 13. September veröffentlichte das Landgericht Halle eine Pressemitteilung, in der von der Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen Höcke berichtet wurde.
Hintergrund ist eine Rede des AfD-Landeschefs vom 29. Mai 2021. Damals soll Höcke einen Wahlkampfauftritt mit dem Dreiklang „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“ beendet haben. Die Staatsanwaltschaft Halle ermittelt wegen des Verdachts auf Verwendung von „Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (§§ 86 Abs. 1 Nr. 4, 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 StGB)“. Bei Verurteilung droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.
Der frühere Geschichtslehrer Höcke wird sich also demnächst vor Gericht verantworten müssen. Seine Immunität als Abgeordneter wurde bereits vom Justizausschuss des Thüringer Landtages aufgehoben – schon zum siebten Mal.
„Justizkeule gegen Dissidenten“
Höcke ordnete die Immunitätsaufhebung in gewohnter Manier auf X ein: Zum siebten Male sei ihm das „auf Antrag der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Falschmeinung“ widerfahren. Und weiter:
Die Deutungshoheit der Herrschaft infrage zu stellen, ist die Aufgabe der echten Opposition. Und stets war die Justizkeule gegen Dissidenten eine der Antworten der Herausgeforderten. Nichts Neues also unter der Sonne im besten Deutschland aller Zeiten …“
Ein paar Tage später legte er nach:
Deutschland 2023 – ein Land hat seinen Kompaß [sic] verloren: Messermörder laufen frei herum, patriotische Oppositionelle werden wegen eines aus dem Zusammenhang gerissenen Halbsatzes vor Gericht gestellt.“
Verhandlungsort noch unklar
Ob sein Fall in erster Instanz vor dem Amtsgericht Merseburg oder vor dem Landgericht Halle zur Verhandlung kommen wird, steht derzeit noch nicht fest: Das Landgericht hatte die Angelegenheit nach Informationen des „Mitteldeutschen Rundfunks“ (mdr) an das Amtsgericht übergeben. Offizielle Begründung laut mdr: Dem Verfahren dürfe „nicht allein wegen Höckes ‚Bekanntheitsgrades‘ eine ‚besondere Bedeutung‘ verliehen werden“.
Doch die Staatsanwaltschaft Halle wolle das nicht akzeptieren: Sie habe umgehend Beschwerde eingelegt, bestehe auf dem Landgericht als erstem Prozessort. Der MDR erläutert die mutmaßlichen Gründe für die Hartnäckigkeit:
Startet das Verfahren wie entschieden am Amtsgericht Merseburg, kann es nach einer Berufung in zweiter Instanz am Landgericht Halle fortgesetzt werden. Sollte das Verfahren bereits am Landgericht starten, gäbe es eine Tatsachenentscheidung, gegen die Höcke dann nur noch mit einer Revision vor dem Bundesgerichtshof vorgehen könnte.“
Über die entsprechende Beschwerde der Staatsanwaltschaft muss nach Informationen des mdr nun also das Oberlandesgericht Naumburg entscheiden. Stand Freitagmittag, 15. September, lagen der Epoch Times noch keine Informationen über den Beschluss vor. Auch über den ersten Verhandlungstermin wurde noch nichts bekannt.
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