WHO-Pandemievertrag: Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht

Mit allen legalen Mitteln gegen den Pandemievertrag der WHO: Zwei deutsche Aktivisten haben eine Verfassungsbeschwerde und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht gestellt.
Das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass die Vorschrift bis Mitte 2024 überarbeitet werden muss.
Symbolbild: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe soll die Unterschrift unter dem WHO-Pandemievertrag 2024 verbieten, meinen zwei Grundrechtsaktivisten.Foto: Uli Deck/dpa
Von 19. Juni 2023

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (BverfG) muss sich mit einer Verfassungsbeschwerde und einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Bundesregierung auseinandersetzen. Es geht um eine noch stärkere Machtübertragung an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf durch einen internationalen „Pandemievertrag“ („WHO CA+“), der im Mai 2024 von den derzeit 194 Mitgliedsstaaten unterzeichnet werden soll.

Der Bundestag hatte bereits am 12. Mai auf Antrag der Ampelkoalition zugestimmt, der WHO „im Falle einer Gesundheitskrise“ noch mehr Befugnisse über nationales Recht hinweg zu gewähren, damit diese „ihr Mandat vollumfänglich“ erfüllen könne. Außerdem soll sich die Bundesregierung dafür starkmachen, unter anderem deutlich mehr deutsches Steuergeld an die WHO zu zahlen und auch andere Nationen zu höheren Beitragszahlungen zu bewegen (BT-Drucksache 20/6712, PDF).

WHO-Machterweiterung vs. Grundrechte

Diese Entscheidung halten der ehemalige Thüringer Landeskriminalamtspräsident Uwe Kranz und seine Mitstreiterin, die Musiklehrerin und Menschenrechtsaktivistin Marianne Grimmenstein-Balas von der „Gemeinwohl-Lobby“ (GWL) für kritikwürdig. Den CA+-Vertrag betrachten beide nach Informationen des Portals „Philosophia-perennis.com“ sogar als unvereinbar mit dem Grundgesetz und mit internationalen Grund- und Menschenrechtsabkommen. Der Rechtsweg nach Paragraph 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG sei damit erschöpft.

Wie die „Gesellschaft der Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“ (MWGFD) auf ihrer Website berichtet, geht es den beiden aber gerade darum, sämtliche „grundgesetzlich garantierten Freiheiten gegenüber dem Staat“ zu nutzen, obwohl sie wüssten, „dass die Agenda ohne Rücksicht auf Verluste und Verletzung der Grundrechte auf Biegen und Brechen durchgezogen werden soll“. Sie hofften, dass sich bis 2024 „zumindest die Bürger in Deutschland […] als wehrhafte Demokraten zeigen“ würden.

Angst vor totaler Kontrolle

Wie viele andere Kritiker auf der ganzen Welt befürchten Grimmenstein-Balas, Kranz und die MWGFD, dass es in Wahrheit gar nicht um Gesundheitsschutz geht, sondern um die Machtausweitung und Kontrolle eines supranationalen Gremiums, das nicht demokratisch gewählt oder beaufsichtigt wird.

Am Ende könnte die Welt auf einen Fingerschnips des WHO-Chefs Tedros Adhanom Ghebreyesus hin in der Dystopie eines Sozialkreditsystems nach chinesischem Vorbild landen – einfach per Ausrufung eines Gesundheitsnotstands („Public Health Emergency of International Concern“, kurz: PHEIC), der automatisch Gesetzeskraft in den Mitgliedstaaten entfalten würde. „Nach den derzeitigen Formulierungen, die enormen Auslegungsspielraum erlauben, würde hierzu schon eine Grippe ausreichen“, stellt die MWGFD fest.

Nach der Vorstellung von Grimmenstein-Balas und Kranz soll das Bundesverfassungsgericht nun dafür sorgen, dass es nicht so weit kommt.

Dazu möge das BVerfG dem Gesetzgeber die „Zustimmung zu den Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IHR) 2005 und dem Internationalen Pandemievertrag (CA+) […] untersagen“, „falls die Verordnungen in den vorgesehenen Übereinkommen, die mit dem Grundgesetz und dem Völkerrecht kollidieren, nicht restlos bis zur 77. Sitzung der Weltgesundheitsversammlung [im Mai 2024] ausgeräumt werden“. Sollten die Bedenken nicht geklärt werden, so der Antrag auf einstweilige Verfügung, solle das BVerfG verfügen, dass die Bundesrepublik Deutschland aus der WHO austreten müsse. Eine Reaktion aus Karlsruhe liegt noch nicht vor.

Widerstand reagiert mit Symposium, offenem Brief und Petitionen

Ex-LKA-Chef Uwe Kranz hatte bereits am 8. Mai ein Pressesymposium veranstaltet und drei Tage später einen offenen Brief an den Bundestag verfasst, um auf die drohenden Gefahren hinzuweisen (Video auf „Rumble.com“, Offener Brief auf „Journalistenwatch.com“).

Es existieren auch mehrere Online-Petitionen, die eine deutsche Unterschrift unter den Pandemievertrag verhindern wollen, zum Beispiel direkt beim Bundestag und auf der Seite „Citizengo.org“. Beide haben das nötige Quorum von 50.000 Stimmen schon überschritten. Der Citizengo.org-Petition schlossen sich sogar über eine halbe Million Menschen an. Nun muss sich der Petitionsausschuss des Bundestags in öffentlicher Sitzung mit dem Thema befassen. Ein Termin dafür steht noch nicht fest.

Die WHO – die unterschätzte Macht?

Die WHO hatte sich zuletzt Ende Mai zu ihrer 76. Jahresversammlung getroffen. Dabei warnte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus vor einem möglichen zukünftigen Erreger, „der noch tödlicher sein könnte“ als COVID-19. Er drängte außerdem zum schnellen Abschluss des globalen „CA+-Pandemievertrags“. Es müsse einen „Paradigmenwechsel bei der weltweiten Gesundheitspolitik“ geben. Die WHO rief zudem das internationale Genom-Überwachungsnetzwerk für Krankheitserreger („IPSN“) ins Leben.

Parallel zu den Beratungen über CA+ arbeitet die WHO an einer Neufassung der Richtlinien für die „Internationalen Gesundheitsvorschriften“ („International Health Regulations“, IHR). Für große Verunsicherung sorgte die Nachricht, dass ein Mitgliedsland beantragt hatte, die Menschenrechte aus dem Vertrag streichen zu lassen. Ebenfalls viel Kritik gab es für die Entscheidung, den nordkoreanischen Gesundheitsminister Dr. Jong Min Pak in den WHO-Exekutivrat aufzunehmen. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Ron DeSantis verlangte daraufhin den erneuten Austritt der USA wie in der Ära Donald Trump. Unter Joe Biden waren die Vereinigten Staaten der WHO wieder beigetreten.

Farage: „Unterstützer von Chinas kommunistischer Partei“

Auch die Nähe zu China beschäftigt immer mehr WHO-Skeptiker. Für den Briten Nigel Farage etwa, den ehemaligen Boss der Brexit-Partei, ist längst offensichtlich, dass die WHO „weltweit die größte Unterstützerorganisation von Chinas kommunistischer Partei“ darstelle. Der CA+-Vertrag stellt aus seiner Sicht „eine Gefahr für unsere nationale Souveränität“ dar. Er plädierte dafür, auch in Fall einer Seuche nie wieder den Weg von Abriegelungen einzuschlagen.

Herr über Impfzertifikate, Daten und Meinungsfreiheit

Erst vor zwei Wochen war bekannt geworden, dass die WHO beabsichtigt, ein globales Zertifikatesystem für Impfungen nach dem Vorbild der COVID-19-Zertifikate („Grüner Pass“) der Europäischen Union zu etablieren. Offizielle Begründung: Gesundheitsschutz und Mobilitätserleichterungen im Falle einer Pandemie. Es würde sich um den ersten Baustein des „WHO Global Digital Health Certification Network“ (GDHCN) handeln.

Aufgabe des Netzwerks ist es, „eine breite Palette digitaler Produkte [zu] entwickeln“, um „eine bessere Gesundheit für alle“ zu erreichen. Die EU steht den Vorhaben aufgeschlossen gegenüber. Im vergangenen Jahr hatte die EU noch angekündigt, ihre Impfzertifikate zum 30. Juni 2023 auslaufen lassen zu wollen.

Die WHO will offenbar auch den Meinungskorridor in Gesundheitsfragen verengen: Bei der Jahrestagung 2023 wurde eine Resolution verabschiedet, auf deren Grundlage „Fehlinformationen und Desinformationen“ zum Beispiel in den sozialen Netzwerken bekämpft werden sollen. Auch dahinter soll das „Mercury-Programm“ der Bill & Melinda Gates Stiftung und der Rockefeller Foundation stehen, zweier Hauptfinanzierer der WHO. Zudem wurde WHO-Generaldirektor Tedros gebeten, den Einsatz von Verhaltenswissenschaften in der Organisation durchgängig zu verankern.

Der „Pandemievertrag“ CA+

Die „Consideration and negotiation of the zero draft of the WHO convention, agreement, or other international instrument on pandemic prevention, preparedness and response“, kurz: „Convention Agreement“, noch kürzer: „WHO CA+“, PDF) war im November 2020 vom Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, unter dem Eindruck der Corona-Krise auf dem „Pariser Friedensforum“ vorgeschlagen worden. Die WHO-Mitgliedstaaten gaben schon am 1. Dezember 2021 grünes Licht für die Erörterungen durch das Präsidium des „zwischenstaatlichen Verhandlungsgremiums“ („Intergovernmental Negotiating Body“, INB). Eine beschlussreife Fassung liegt noch nicht vor.

Dass WHO-Generaldirektor Tedros Ghebreyesus nach der Unterzeichnung des Pandemievertrages zum Welt-Gesundheits-Diktator werden könnte, verbannt Walter Feichtinger von der österreichischen Anti-Desinformationsplattform „mimikama.org“ ins Reich der Verschwörungstheorien. Noch am 17. Mai 2022 habe Ghebreyesus selbst gesagt, dass die WHO „Ausdruck der Souveränität der Mitgliedstaaten“ und zudem „genau das [sei], was die souveränen 194 Mitgliedstaaten von ihr erwarten“. Zudem sähen „Artikel 20 und 22“ [der WHO-Verfassung] vor, dass Beschlüsse der WHO für jene Mitgliedsländer nicht in Kraft treten, die fristgerecht ihre Ablehnung oder Vorbehalte kommuniziert haben. Jeder Mitgliedstaat hat damit die Möglichkeit eines Opt-out“, argumentiert Feichtinger.



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