Whistleblower sieht Verantwortung bei Habeck: Northvolt hätte kein Darlehen bekommen dürfen

Hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck 600 Millionen an Krediten für die Northvolt-Batteriefabrik im schleswig-holsteinischen Heide leichtfertig frei gegeben? Diese Frage steht angesichts der Bürgschaftsverpflichtung des Staates in noch größerer Höhe im Raum. Ein wichtiges Gutachten hält Habeck für die Öffentlichkeit unter Verschluss.
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Am 25. März 2024 herrschte gute Stimmung in Lohe-Rickelshof bei Heide: Anlässlich des Spatenstichs für die Elektroauto-Batteriefabrik des schwedischen Start-ups Northvolt waren sogar der Bundeskanzler und Wirtschaftsminister Habeck nach Schleswig-Holstein gereist. Deutschland.Foto: Gregor Fischer/Getty Images
Von 30. Januar 2025

Kurz bevor Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch im Haushaltsausschuss des Bundestags Rede und Antwort zum Skandal um den klammen schwedischen VW-Batteriezulieferer Northvolt stehen sollte, sind erneut Vorwürfe gegen den Kanzlerkandidaten der Grünen laut geworden.

Wie erst jetzt bekannt wurde, hatte Habeck nach Angaben der „Berliner Zeitung“ einen externen Prüfbericht am 5. Dezember 2024 zur Verschlusssache erklärt, nachdem zunächst Mitglieder des Haushaltsausschusses im Bundestag, dann ihre Kollegen im Finanzausschuss des Landtags Schleswig-Holstein die Unterlagen sehen wollten. Bei dem Bericht handele es sich um ein kritisches Gutachten über Northvolt, das die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) erstellt hatte. Als Quelle beruft sich die „Berliner Zeitung“ auf Bernd Buchholz, den FDP-Vertreter im Wirtschaftsausschuss des Landtags von Schleswig-Holstein.

Die PwC-Dokumente dürfen nach Informationen der „Berliner Zeitung“ seither ausschließlich Abgeordnete des Bundestags und Bundesrates in Augenschein nehmen – und das auch nur unter strengen Sicherheitsvorschriften in der Geheimschutzstelle des Bundestags: Ausplaudern, Abschriften oder gar Fotografien seien selbst den Mandatsträgern verboten.

Insider: „Ihn trifft also eine klare Schuld“

Die „Berliner Zeitung“ hatte nach eigenen Angaben allerdings Kontakt zu einem Bundestagsabgeordneten, der das PwC-Gutachten bereits gelesen hat. Gegenüber der Zeitung habe der Whistleblower um Anonymität gebeten.

Nach Angaben des Informanten habe PwC bereits in den ersten Monaten des Jahres 2023 festgestellt, dass das erst 2016 gegründeten Unternehmen Northvolt bis ins Jahr 2029 hinein Verluste einfahren würde. Das sei im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) bereits im Juni 2023 bekannt gewesen. „Ihn [Habeck] trifft also eine klare Schuld“, zitiert die „Berliner Zeitung“ den namentlich nicht genannten MdB.

Denn trotz der schlechten Prognose für den Akku-Start-up habe Habeck im November desselben Jahres den Haushaltsausschuss des Bundestags darüber in Kenntnis gesetzt, dass er ein Wandeldarlehen in Höhe von 600 Millionen Euro für den Bau der neuen Northvolt-Fabrik in Lohe-Rickelshof bei Heide im Kreis Dithmarschen freigeben werde.

Das Geschäft sei schließlich bis zum Februar 2024 über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) abgewickelt worden – mit Bürgschaften von Bund und Land über je 300 Millionen Euro.

Geldprobleme schon wenige Monate nach Spatenstich

Zum Spatenstich der Northvolt-„Gigafactory“ kam es dann einige Wochen später: Am 25. März 2024 waren neben Habeck auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) dafür nach Heide gefahren.

Die Produktion von jährlich einer Million Energiespeichern für E-Fahrzeuge sollte ursprünglich 2026 anlaufen und 3.000 Menschen Arbeit geben. Die Gesamtkosten der Anlage wurden zu Beginn auf rund 4,5 Milliarden Euro taxiert. Der deutsche Staat erklärte sich zu Subventionsleistungen in Höhe von rund 900 Millionen Euro bereit.

Doch schon wenige Monate später zogen dunkle Wolken über dem Projekt auf: Anfang Juli 2024 erklärte der damalige Northvolt-Boss Peter Carlsson den vorläufigen Stillstand seiner internationalen Expansionspläne.

Im September darauf kündigte die Northvolt-Konzernspitze sogar einen Stellenabbau unter seiner 6.500 Köpfe starken Gesamtbelegschaft an – wegen der angespannten finanziellen Lage. Zwei Wochen wurden rund 1.600 Mitarbeiter in Schweden vor die Tür gesetzt.

Konzernmutter beantragte in den USA Insolvenz

Für das Werk in Heide standen nach Einschätzung von Deutschland-Chef Christofer Haux aber lediglich eine Bauverzögerung oder -änderung zur Debatte. „Heide ist und bleibt ein Grundpfeiler in unserer Expansion“, bekräftigte er Anfang Oktober 2024 gegenüber dem Wirtschaftsausschuss des Landtags in Kiel.

Mitte November musste Haux allerdings einräumen, dass es mit der Inbetriebnahme der „Gigafactory“ in Heide bis Ende 2026 nichts werden würde: Neue Zielmarke war nun die zweite Jahreshälfte 2027.

Die schwedische Konzernleitung hatte inzwischen Gläubigerschutz gemäß „Chapter 11“ des US-Insolvenzrechts in Amerika beantragt, um neue Finanzierungsquellen erschließen und überleben zu können. CEO Peter Carlsson trat zurück. Die deutsche Northvolt-Tochter finanziere sich aber unabhängig von der Muttergesellschaft, hieß es.

Steuerzahler könnte für 620 Millionen haften

Anfang Dezember 2024 hatte die „Bild“ darüber berichtet, dass das Finanzministerium den Haushaltsausschuss des Bundestags um eine Geldspritze von gut 620 Millionen Euro gebeten habe, um die jeweiligen 300 Millionen starken, sofort fälligen Bürgschaften des Bundes und des Landes Schleswig-Holstein gegenüber der KfW erfüllen zu können. Die rund 20 zusätzlichen Millionen hatten sich aus Zinsverpflichtungen ergeben.

Daraufhin habe der CDU-Bundestagsabgeordnete und Haushaltspolitiker Andreas Mattfeldt Wirtschaftsminister Habeck zur Klärung der Lage in den Haushaltsausschuss einbestellt. Ob Northvolt nachträglich für das Geld wird haften können, ist bis heute ungeklärt.

Heute geht Mattfeldt nach Informationen der „Bild“ davon aus, dass Habeck bei seiner 600-Millionen-Kreditfreigabe entweder „geschlampt oder die Augen bewusst verschlossen“ habe. Denn das PwC-Gutachten habe „trotz Schönmalerei die erheblichen Risiken der Northvolt-Ansiedlung in Heide aufgezeigt“.

CSU-Generalsekretär Martin Huber hatte Anfang Dezember sogar einen Untersuchungsausschuss verlangt.

Berichtspflichten nicht erfüllt?

Nach Angaben der „Berliner Zeitung“ steht für den schleswig-holsteinischen Wirtschaftspolitiker Bernd Buchholz inzwischen auch die Frage im Raum, ob Northvolt seine vereinbarte Pflicht gegenüber der Bundesregierung erfüllt hatte, jedes Quartal einen eigenen Bericht vorzulegen.

Falls dem nicht so gewesen sei, müsse sich das BMWK „fragen lassen, warum man diesen Bericht nicht eingefordert“ habe. Falls die Northvolt-Quartalsberichte jedoch vollständig eingereicht worden seien, hätte der Wirtschaftsminister nach Ansicht von Buchholz erst recht „hellhörig“ werden müssen. Denn dann hätte Northvolt offenlegen müssen, dass die im Businessplan kalkulierten Verluste zu niedrig angesetzt gewesen waren.

Nach Informationen der „Bild“ stimmte nun auch Bundestagsvizepräsident und FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki in den Chor der Kritiker ein: Dass Habeck das PwC-Gutachten nach dessen Anforderung durch die Haushaltspolitiker von Bund und Land Anfang Dezember 2024 unter Verschluss genommen habe, sei juristisch gar nicht erlaubt. Kubicki vermute, dass Habeck bei Bekanntwerden um seine Chancen bei der Bundestagswahl bange.

BMWK-Sprecherin verweist auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

Habeck habe derartige Spekulationen über eine Sprecherin zurückweisen lassen: Dem Minister seien „zu jedem Zeitpunkt der Schutz von personen- und unternehmensbezogenen Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen wichtig“. Auch Northvolt selbst habe „ein objektiv schutzwürdiges Interesse“ daran, dass dessen „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ vertraulich behandelt würden. Es stehe interessierten Abgeordneten frei, die Geheimschutzstelle aufzusuchen.



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