Wenn Liberale aufmucken: Stimmung in den Ampelfraktionen immer schlechter
Wird Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) es schaffen, seine Vision von einem „Dynamisierungspaket“ für die schwächelnde deutsche Wirtschaft ohne neue Schuldenberge unter Dach und Fach zu bekommen? Bei einem Scheitern wäre wohl der Fortbestand der Ampelregierung in Gefahr. Denn Lindner hat seinen Plänen für eine „Wirtschaftswende“ höchste Priorität eingeräumt.
Neues Ungemach droht derzeit bezüglich des bereits überarbeiteten, aber noch immer nicht in Kraft getretenen Wachstumschancengesetzes (WCG). Das 3,2-Milliarden-Paket könnte am 22. März 2024 am Widerstand der Länderkammer vollends zerschellen – und mit ihm Lindners „Dynamisierungspaket“. Denn ohne das WCG würden wichtige Elemente daraus ausfallen, unter anderem die verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten für Wohngebäude und Unternehmer, die im Sinne der grünen Transformationspolitik Investitionen tätigen. Und ob die Wirtschaftswende ohne den Baustein WCG gelingt, bleibt fraglich.
Wachstumschancengesetz könnte im März scheitern – und dann?
Die unionsgeführten Länder im Bundesrat hatten nach der Vermittlungsausschusssitzung vom 21. Februar 2024 sogar der aktualisierten Kompromissfassung des WCG nur geringe Chancen auf eine finale Einigung eingeräumt. Als Hauptdruckmittel von CDU und CSU dient das Thema Agrardiesel: Nur wenn die Ampel doch noch von ihren schrittweisen Steuererhöhungen bis 2026 absehen werde, wolle man grünes Licht für das Gesetz geben. Zunächst aber muss der Kompromiss laut Bundesrat am 23. Februar 2024 noch einmal die Hürde Bundestag überspringen.
Die aktuelle Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bestätigte laut „Handelsblatt“ (Bezahlschranke) nach der Ausschusssitzung, dass die Bundesregierung nun „mit der Landwirtschaft weitere Gespräche über Entlastungen“ führen wolle.
Finanzminister Lindner warf der Union noch am selben Abend auf seinem X-Kanal vor, „sich dem Ruf der deutschen Wirtschaft nach Klarheit zu weiteren Entlastungen […] verweigert“ zu haben. Er hoffe auf ein „Umdenken in den nächsten Wochen“.
Lindner hofft auf „Agenda-Moment“
Nach Informationen der „Bild“ will Lindner sich nur bis zum 12. März Zeit lassen, bis er die Pläne für seine „Wirtschaftswende“ bei der FDP-Fraktionsklausur zur Beratung freigibt – ungeachtet der Hängepartie beim WCG. Bis „Mitte März“ wollten auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eigene Konzepte für die Wirtschaft vorlegen.
Lindner hoffe dann auf einen gemeinsamen „Agenda-Moment, ein wirtschaftliches Aufbruchpaket, das über alles hinausgeht, was bisher geplant“ sei, zitiert ihn die „Welt“. Nach Informationen der „Bild“ hatte der 45-Jährige zudem in der FDP-Fraktionssitzung vom 20. Februar angekündigt, seine Ideen am 27. und 28. April während des FDP-Bundesparteitags zur Abstimmung zu stellen.
Ohne eine Wende in der Wirtschaftspolitik seien „alle sozialen und ökologischen Vorhaben nicht realisierbar“, hatte Lindner bereits am 5. Februar 2024 in der „Welt am Sonntag“ klargestellt. Dabei fällt die Wirtschaft per se ja nicht in sein Ressort, sondern in das von Bundesminister Robert Habeck (Grüne). Der favorisiert bislang ein kreditfinanziertes „Sondervermögen“ für Unternehmen, während Lindner neue Schulden oder Steuererhöhungen strikt ablehnt.
Kompromiss entscheidend für Ampel-Zukunft
Bis zum Sommer will Lindner trotz aller Widerstände eine Einigung innerhalb der Ampel in trockenen Tüchern haben und „die Umsetzung einleiten“, wie die „Bild“ schreibt. Sollte seine „Wirtschaftswende“ aber an internen Differenzen scheitern, werde es auch mit dem Bundeshaushalt 2025 nicht klappen, sagte Lindner laut „Welt“ voraus. Dann sei auch der Moment gekommen, um über ein „Ende der Koalition“ zu entscheiden.
Auch abseits der Konjunktur- und Haushaltsprobleme haben es der Finanzminister, seine FDP und die übrigen Ampelparteien mit allerlei anderen Schwierigkeiten zu tun.
Demokratiefördergesetz nicht im Sinne mancher FDP-MdBs
Stichwort „Demokratiefördergesetz“: Wie die „Welt“ berichtet, könnten mit Gerald Ullrich und Tim Wagner zwei FDP-Abgeordnete dem umfangreichen Vorhaben von SPD-Innenministerin Nancy Faeser ihre Stimme verweigern, obwohl die Neuerung im Koalitionsvertrag vereinbart worden war.
Die beiden Abweichler sähen die Pläne, die Faesers früheren „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ erheblich erweitern würden, eher als Zugeständnis an bestimmte NGOs. FDP-Vizeparteichef und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki nannte das Gesetz gar „eine Gefahr für unsere Demokratie“.
Umgekehrt hatte sich Kubicki am 18. Februar in der „Bild“ wegen der Blockade der Grünen im Bundestag zur bereits geplanten, deutschlandweiten Bezahlkarten-Einführung für Asylbewerber echauffiert: „Sollten die Grünen diesen minimalinvasiven Eingriff in das Asylbewerberleistungsgesetz tatsächlich torpedieren, stellt das die Fortsetzung der Koalition infrage“.
Tags darauf ruderte Kubicki im Interview bei „Welt TV“ wieder zurück: Ein vorzeitiges Ampel-Aus könne er sich „nicht vorstellen“. Noch Mitte Januar hatte das FDP-Urgestein anders geklungen, und auch in seiner Aachener Büttenrede hatte Kubicki keinen Zweifel daran gelassen, dass er die gesamte Besatzung der „MS Berlin“ mittlerweile als fehl am Platz betrachtet.
Strack-Zimmermann könnte Fraktionszwang brechen
Auch seine Parteikollegin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag und EU-Spitzenkandidatin ihrer Partei, plant laut „Welt“ offenbar, sich im Hinblick auf den Ukrainekrieg von der Ampelpolitik abzusetzen. Sie wolle aus Gewissensgründen lieber auch für den Antrag der Unionsfraktion („Für eine echte Zeitenwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“) abstimmen als nur für den Plan der Regierung („Die Ukraine und Europa entschlossen verteidigen“).
Der Grund: Das Unionspapier fordere ausdrücklich die Lieferung von Marschflugkörpern des Typs Taurus ein. Im Regierungsentwurf sei lediglich von „weitreichenden Waffensystemen“ die Rede, die ihre Wirkung „weit im rückwärtigen Bereich des russischen Aggressors“ entfalten sollten. Die Vermeidung der genauen Waffenbezeichnung sei „der SPD-Fraktionsspitze und der Starrköpfigkeit des Kanzleramtes“ geschuldet, habe Strack-Zimmermann kritisiert.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sei ebenso wie die grüne Co-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge wenig begeistert von Strack-Zimmermanns Überlegungen. Beide hätten auf den üblichen Fraktionszwang verwiesen, dem sich die Verteidigungspolitikerin verschließe. Christian Dürr, der Fraktionschef der Liberalen, habe dagegen Verständnis für seine Parteikollegin signalisiert: Immerhin kämpfe sie „seit Langem für eine Taurus-Lieferung“.
FDP-General Djir-Sarai träumt von bürgerlicher Koalition
Den Reigen der unzufriedenen Liberalen komplettiert bis auf Weiteres der FDP-Generalsekretär: Nach einem Bericht der „Welt“ hatte Bijan Djir-Sarai am vergangenen Wochenende durchblicken lassen, dass er nicht viel von der Wirtschaftskompetenz der Grünen hält. Politikern aus den Reihen der Union müsse er „nicht jedes Mal die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft erklären“, so Djir-Sarai. Er sei „davon überzeugt, dass eine bürgerliche Koalition aus CDU, CSU und FDP in der Lage wäre, die Probleme des Landes gemeinsam richtig zu analysieren und auch gemeinsam Lösungen zu finden“.
Mit Blick auf Robert Habeck habe der FDP-General angemerkt, dass das Land einen Wirtschaftsminister benötige, der die Dinge sehe, wie sie seien – und der „anschließend in der Lage“ sei, „die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen“.
Auch das löste Unmut in der Grünen-Fraktion aus. „Es ist nicht verantwortungsvoll, mit solchen Spekulationen jetzt für Verunsicherung zu sorgen“, habe etwa die grüne Fraktionschefin Katharina Dröge prompt gekontert. Sie wünsche sich stattdessen „mehr staatstragende Verantwortung von der FDP“. Emily Büning, die politische Geschäftsführerin der Grünen, empfahl Djir-Sarai im Gespräch mit dem „Tagesspiegel“, „sich darauf zu konzentrieren, das zu tun, was das Land verdient hat: Nicht die eigene Regierung schlechtzureden, sondern sich anzustrengen, es gutzumachen. Das ist das, was wir für unseren Teil tun“. Der FDP-Generalsekretär habe „wohl noch nicht mitbekommen, dass der politische Aschermittwoch vorbei ist“.
Wirtschaftsaufschwung nicht in Sicht
Am 14. Februar 2024 hatte die Bundesregierung ihre Wachstumserwartung für 2024 von ursprünglich 1,3 auf 0,2 Prozent korrigiert. Die EU-Kommission sieht laut „Welt“ ein Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent. Auch damit wäre Deutschland derzeit „Schlusslicht in der Eurozone“.
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