Wenn Kinder kriminell werden: Polizei richtet für Ahaus eigene Ermittlungskommission ein
Die Bewohner der 40.000-Einwohner-Stadt Ahaus im Münsterland (NRW) unweit der niederländischen Grenze leiden seit Monaten unter den Straftaten einer Bande von Kindern und Jugendlichen. Nach Informationen der Stadt hätten sie andere Kinder und Jugendliche immer wieder „massiv bedrängt, bedroht und auch verletzt“.
Ein Sprecher der Kreispolizei Borken beschrieb die Gang gegenüber der „Bild“ jüngst als eine „lose Gruppe von 23 Kindern und Jugendlichen im Alter von 9 bis 17 Jahren, die sich in der Innenstadt“ aufhalte.
Mädchen oder junge Frauen seien nicht darunter, bestätigte der Sprecher auf Anfrage der Epoch Times. 14 der Tatverdächtigen hätten einen Migrationshintergrund, sechs allerdings nicht. Bei den übrigen drei sei die Herkunft unbekannt. Mit 14 Personen sei der überwiegende Teil unter 14 Jahre alt und somit strafunmündig. Acht Mitglieder der Bande seien zwischen 14 und 17 Jahre alt. Die Erziehung obliege in manchen Fällen den leiblichen Eltern, aber auch „Pflegefamilien sowie das Jugendamt“ seien „eingebunden“, so der Polizeisprecher.
„Fehlendes Unrechtsbewusstsein“ und „Wunsch nach Anerkennung“
Wie die Stadt Ahaus bereits am 30. April in einer Pressemitteilung bekannt gegeben hatte, trieben die Bandenmitglieder ihr Unwesen bislang vor allem in der Nähe von Schulen, aber auch im Schlossgarten, auf dem Marienplatz, im Umfeld des Bahnhofs und des Ahauser Kulturquadrats.
„Aus den bislang erfolgten Vernehmungen lassen sich zum Teil sowohl fehlendes Unrechtsbewusstsein, als auch der Wunsch, zu einer Gruppe dazuzugehören und anerkannt zu werden, ablesen“, teilte der Borkener Polizeisprecher auf Anfrage mit.
Anführer noch ein Kind
Kopf der Bande soll nach Informationen der „Bild“ ein zwölfjähriger Junge sein. Der Borkener Polizeisprecher hatte gegenüber dem WDR sogar von nur elf Jahren gesprochen. Laut „Bild“ steht der Junge im Verdacht, sich Beleidigungen, Bedrohungen und schwerer Körperverletzung schuldig gemacht zu haben. Insgesamt 50 Straftaten habe der Junge wohl bereits verübt. Da er in seinem Alter nach deutschem Recht als „strafunmündig“ gelte, müsse er vonseiten eines Gerichts aber keine Strafe fürchten.
Das Tatspektrum der Gang erstreckt sich nach Informationen der „Bild“ nicht nur auf Nachstellungen, Erniedrigungen und Schlägereien: Zuweilen würden die Bandenmitglieder ihre Taten auch filmen und ihre Opfer mit dem Videomaterial erpressen. Außerdem gingen vermutlich Delikte wie Sachbeschädigung, Ruhestörung oder Hausfriedensbruch auf das Konto der Bande, womöglich sogar Einbrüche und Drogenhandel, so die „Bild“. Auch des Diebstahls habe sich die Bande verdächtig gemacht, berichtet der WDR.
Verbale und körperliche Gewalt
Nach Angaben der „Bild“ sollen Schülerinnen, die bei einer Schlägerei nach dem Motto 15 gegen einen „dazwischengegangen“ seien, nach eigenen Worten von der Runde „als Huren und Schlampen beschimpft“ worden sein. Erst als eins der Mädchen um Hilfe gerufen habe, habe sich die Bande aus dem Staub gemacht. Ein 13-jähriger Junge war nach WDR-Informationen zudem derart gedemütigt, bespuckt und geschlagen worden, dass er auf eigenen Wunsch die Schule gewechselt habe.
Zu den Opfern sollen nach Informationen des WDR aber nicht nur ganz junge Leute gehören: Auch ein 30-Jähriger habe sich schon wegen Bedrohung bei der Polizei gemeldet. Ein älterer Herr sei Augenzeugen zufolge zudem als „Nazischwein“ beschimpft worden, ergänzte die „Bild“.
Mindestens 23 Straftaten seit April 2023, bislang vier Verurteilungen
„Wir gehen derzeit von 23 Straftaten aus, die der Gruppe als solcher seit April vergangenen Jahres zuzuordnen sind, davon elf seit Jahresbeginn“, erklärte ein Sprecher der Borkener Polizei auf Anfrage der Epoch Times. „Hinzu kommen weitere Straftaten, die einzelnen Mitgliedern der Gruppe angelastet werden.“
Zuletzt sei ein Bedrohungsdelikt am 21. April 2024 angezeigt worden, das wohl auf die Gangmitglieder zurückzuführen sei. In neun Fällen sei bereits „eine Anklageerhebung beantragt worden“, erklärte der Polizeisprecher. „Es kam zu vier Verurteilungen. Die Ermittlungen in weiteren Fällen dauern an.“
Ermittlungskommission soll’s richten
Nach Angaben des WDR richtete die Kreispolizei Borken am 3. Mai eine Ermittlungskommission ein, die sich um die Straftaten der Gang kümmern soll. Die Polizei, das Jugendamt und der Fachbereich „Sicherheit und Ordnung“ der Stadt Ahaus würden zudem gemeinsam mit den Schulleitungen und der Schulsozialarbeit kooperieren, um das Treiben der Bande zu beenden. Die Polizei habe ihre Streifen rund um die bisherigen Tatorte bereits verstärkt.
Nach den Worten des Polizeisprechers arbeitet die neue Kommission außerdem mit dem Ausländeramt zusammen. „Seitens der Ermittlungskommission wird zudem geprüft, ob die Bandenmitglieder in das Intensivtäterkonzept aufgenommen werden sollen und ob eine Teilnehme der Initiative ‚Kurve kriegen‘ sinnvoll erscheint“, erklärte der Sprecher. Und weiter:
Mit einem Erkennen der bandeninternen Strukturen, der Durchführung von beweissicheren Strafverfahren und einem hohen Kontrolldruck an den bekannten Treffpunkten sollen die Taten in das Licht der Öffentlichkeit gerückt werden und so ein weiteres kriminelles Agieren der Täter minimieren.“
Dazu gehöre es auch, „jeden einzelnen Tatverdächtigen in den Blick zu nehmen und zu prüfen, welche individuellen Maßnahmen geeignet erscheinen, auch um einer Wiederholungsgefahr zu begegnen. Dies können sowohl repressive als auch präventive Maßnahmen sein, gegebenenfalls auch außerhalb der polizeilichen Zuständigkeit, wie etwa durch das Jugendamt oder die Schule.“
Stadt bittet um Anzeigen – Hotline bereits eingerichtet
„Wir dulden in Ahaus keine derartigen Strukturen und wollen gemeinsam mit allen Beteiligten versuchen, diese Gruppenstrukturen aufzubrechen“, bestätigte auch Werner Leuker, der als Beigeordneter der Stadt unter anderem für den Fachbereich Jugend zuständig ist. Man habe bereits Maßnahmen „intervenierender, pädagogischer und auch strafrechtlicher Qualität“ abgestimmt.
Konkreteres über die strafrechtlichen Aspekte war der Pressemitteilung der Stadt nicht zu entnehmen, dafür aber Tipps für die Bevölkerung: Diese möge sämtliche „Vorfälle, die in Zusammenhang mit einer Gruppe stehen (können), zeitnah bei der Polizei zur Anzeige […] bringen“, bat Leuker.
Dass die Stadt bereits selbst eine telefonische Anlaufstelle (02561 / 72 388) eingerichtet habe, bei der sich Betroffene und Zeugen auf Wunsch auch anonym melden könnten, bestätigte die parteilose Ahauser Bürgermeisterin Karola Voß im WDR. Die Hotline könne zudem „verschiedene Beratungs- und Hilfeangebote“ vermitteln, betonte der Stadtbeigeordnete Leuker.
Bürgermeisterin Voß hatte die Vorfälle laut „Bild“ als „gar nicht so schlimm“ bewertet. Dennoch nehme man „die Sache natürlich trotzdem ernst“.
Zahlen zur Kinder- und Jugendkriminalität in Ahaus
Wie der Sprecher der Kreispolizei Borken auf Bitte der Epoch Times nachgeforscht hatte, war die generelle Zahl der Straftaten mit strafunmündigen Tatverdächtigen unter 14 Jahren in der Stadt Ahaus von 49 Fällen im Jahr 2022 auf 67 Fälle anno 2023 angestiegen. Im selben Zeitraum sei die Zahl jugendlicher Tatverdächtiger zwischen 14 und 17 Jahren um elf auf nur noch 138 gesunken.
In der Gruppe der Heranwachsenden im Alter zwischen 18 und 20 Jahren habe es dagegen einen leichten Anstieg von 102 auf 111 Fälle gegeben.
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