Wenn der Kronzeuge auspackt: Kommunalpolitiker unter Druck

Der mutmaßliche Drahtzieher im Fall der Chinesen-Schleuserbande von Nordrhein-Westfalen hat Kommunalpolitiker aus den Reihen von CDU und SPD schwer belastet. Die Beschuldigten bestreiten samt und sonders, etwas mit kriminellen Geschäften zu tun zu haben. Bis zur Aufklärung werden wohl noch Monate ins Land gehen.
Das Wappen der Bundespolizei ziert den Ärmel einer Uniformjacke an einem deutschen Grenzübergang.
Das Symbolbild zeigt das Wappen der Bundespolizei auf dem Ärmel einer Uniformjacke an einem deutschen Grenzübergang.Foto: Pressefoto Bundespolizei
Von 13. Juni 2024

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat seit Wochen alle Hände voll zu tun, um das Netzwerk hinter der NRW-Schleuserbande zu entwirren, die Mitte April 2024 einer zweitägigen Großrazzia unterzogen worden war. Die Bande soll in den vergangenen neun Jahren vorwiegend reichen Chinesen Visa und Aufenthaltstitel für Deutschland verschafft und dafür jeweils hohe Geldbeträge kassiert haben. Wie ist der Stand der Dinge?

Mehreren Medienberichten zufolge hat der Hauptverdächtige, der Frechener Rechtsanwalt Claus B. (42), zuletzt schwere Anschuldigungen gegen eine ganze Reihe von angeblichen Mittätern oder Mitwissern erhoben. Seine Aussagen belasten zumeist aktuelle oder ehemalige Behördenmitarbeiter in Düren, Solingen oder dem Rhein-Erft-Kreis. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte als erstes Medium darüber berichtet.

Dürener Landkreis im Fokus

Nach Einlassungen von B. sollen der Dürener Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU), außerdem der ehemalige Leiter des Ausländerdezernats, Dirk Hürtgen (CDU), und dessen Nachfolgerin Sybille Haußmann (Grüne) von den Geschäftsmodellen gewusst haben, die den Hintergrund für die Schleusungen gebildet hätten. Hürtgen arbeitet nach Angaben der Kreis-Website heute als Leiter des Dezernats II, der Beteiligungsgesellschaft des Kreises Düren.

Landrat Wolfgang Spelthahn steht nach Informationen des rbb-Magazins „Kontraste“ unter dem Anfangsverdacht der Korruption. Er soll an der Seite des Hauptbeschuldigten Claus B. zwei Reisen nach China unternommen haben, zuletzt im Sommer 2023 (Video auf „rbb-online“). Nach Informationen der „Jungen Freiheit“ (JF) ist Spelthahn auch Präsident des Regionalligisten 1. FC Düren.

Der Fußballverein solle von zwei Unternehmen hohe Spenden erhalten haben, die in Zusammenhang mit der Schleuserbande stehen könnten. Die Verträge seien nach den Worten Spelthahns allerdings „transparent dokumentiert, ordnungsgemäß versteuert und abgewickelt und vom gesamten Vorstand“ getragen worden, berichtet die JF. Auch dem „Kontraste“-Rechercheteam gegenüber hatte es der Dürener Landrat abgelehnt, sich etwas vorwerfen zu lassen. Im Gegenteil wolle er nun „alles tun, um diesen Anfangsverdacht zu entkräften“.

Verdiente Jens Bröker an Vermittlertätigkeiten?

Als Vermittler zwischen den Schleusern und den drei Dürener Landkreisspitzen soll nach Aussagen von Claus B. der Sozialdemokrat Jens Bröker fungiert haben, berichtet der „Kölner Stadt-Anzeiger“. Das könne ihm rund 300.000 Euro eingebracht haben. Ein mutmaßlicher Komplize Brökers solle sogar 400.000 Euro für eine Firmengründung erhalten haben. Claus B. habe zudem ausgesagt, dass er „ziemlich sicher“ sei, dass auch Landrat Spelthahn finanzielle Zuwendungen über Bröker oder dessen Helfer bekommen habe.

Bröker hatte nach WDR-Angaben als Referatsleiter beim Landkreis Düren gearbeitet, hatte einst gegen Spelthahn kandidiert und war früher als Geschäftsführer für den SPD-Bezirk Heinsberg und Euskirchen aktiv gewesen. Er gehörte neben dem Hotelgeschäftsführer Werner Stump, einem früheren CDU-Landrat im Rhein-Erft-Kreis, von Beginn an zum Kreis der hauptverdächtigen mutmaßlichen Helfer auf Landkreisebene.

Auch die Dürener Kreisdezernenten Hürtgen und Haußmann weisen laut „Stadt-Anzeiger“ jegliche Vorwürfe und Verdächtigungen zurück. Man habe sämtliche dienstlichen Entscheidungen stets „auf Basis der Gesetzeslage“ getroffen und von Firmenverflechtungen oder anderen illegalen Machenschaften zur Einschleusungen von Ausländern nichts gewusst. Vonseiten des Landrats habe es nie eine Beeinflussung der beiden Dezernenten gegeben.

NRW-Innenminister Reul erhielt Wahlkampfhilfe

Ende Mai 2024 war auch der CDU-Kreisverband Rhein-Berg ins Scheinwerferlicht geraten – jener Verband, dem der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul angehört. Nach Angaben des WDR waren bei Reuls Heimatverband kurz vor der Landtagswahl 2022 rund 30.000 Euro an Wahlkampfspenden für den Innenminister aufgelaufen. Ein Drittel davon war laut WDR von Claus B. überwiesen worden, der Rest von Unternehmen, mit denen B. verbunden sei.

Nach Informationen des WDR hatte sich Reul persönlich seit dem 18. Februar 2022 mindestens achtmal mit dem mutmaßlichen Kopf der Schleuserbande getroffen. Auch Reul bestreitet, jemals etwas über womöglich kriminelle Geschäfte des Juristen gewusst zu haben: Weder Wahlkampf-Spenden noch Einwanderungsangelegenheiten seien je unter den beiden Männern besprochen worden. Er, Reul, sei B. zum ersten Mal persönlich begegnet, nachdem dieser ihm das Angebot unterbreitet habe, den Minister zu unterstützen und sich selbst mehr für die CDU zu engagieren. Damals sei B. noch selbst in der Partei gewesen. Einen Grund zum Misstrauen habe Reul von daher nicht gesehen. Nach Informationen des WDR wird auch nicht gegen Reul ermittelt.

Über das Schleusernetzwerk soll nach Informationen der „Berliner Zeitung“ auch Geld an den CDU-Landesverband NRW der Jungen Union, an den JU-Bundesverband sowie an den CDU-Verband Rheinisch-Bergischer Kreis geflossen sein – zumeist jeweils in vierstelliger Höhe.

Anfänge in Solingen?

Das Schleusergeschäft soll nach Informationen des „Focus“ 2015 in Solingen begonnen haben. Claus B. habe zu Protokoll gegeben, dass ein örtlicher Konzernmanager und der damalige Leiter der städtischen Ausländerbehörde zusammengearbeitet hätten, um zahlungskräftige Kunden aus dem Ausland über ein spezielles Konstrukt Offener Handelsgesellschaften (OHG) nach Deutschland zu holen.

Als eine Sachbearbeiterin der Bergischen Industrie- und Handelskammer (IHK), über deren Schreibtisch derartige Fälle laufen mussten, rechtliche Zweifel angemeldet hatte, habe der Solinger Behördenchef die Frau derart unter Druck gesetzt, dass sie schließlich doch noch eine neutrale Stellungnahme zu den Akten gegeben habe. Damit sei der Weg für das Schleuser-Geschäftsmodell frei gewesen, so Claus B. laut „Focus“. Im Solinger Rathaus sollen nach seiner Darstellung auch der Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD), der Beigeordnete und Rechtsdezernent Jan Wenzel (CDU) sowie der Nachfolger des Ausländerbehördenleiters Kenntnis von dem OHG-Konstrukt gehabt haben.

Oberbürgermeister Kurzbach solle laut B. auch noch über einen anderen Weg mit der Sache zu tun haben: Im Jahr 2020 soll er eine ortsansässige Unternehmerfamilie um eine Spende für die Solinger SPD gebeten haben, die kurz darauf auch geflossen sei. Der Sohn des Unternehmerchefs gehöre allerdings ebenfalls zum Kreis der mutmaßlichen Verdächtigen im Schleuserbandenfall.

Nach Bekanntwerden dieser Details veröffentliche die Stadt eine Pressemitteilung, in der sowohl Kurzbach als auch Welzel ihre Unschuld beteuerten. Der Oberbürgermeister erklärte zudem, dass er „beim Regierungspräsidenten in Düsseldorf die Einleitung eines Disziplinarverfahrens“ gegen sich selbst beantragt habe, um sich vom „Verdacht eines Dienstvergehens zu entlasten“.

Nur noch ein Beschuldigter in U-Haft

Nach Recherchen der Epoch Times befinden sich sowohl der hauptverdächtige Rechtsanwalt als auch seine mutmaßliche rechte Hand – ein weiterer Jurist aus dem Kölner Raum – inzwischen auf freiem Fuß. Lediglich ein Beschuldigter sitze noch in Untersuchungshaft, erklärte ein Sprecher der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft auf Anfrage. Insgesamt werde gegen 58 Beschuldigte ermittelt. Über Namen durfte der Sprecher nicht reden – der Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte wegen.

Es könne erfahrungsgemäß womöglich noch Monate dauern, bis die Hintergründe der Schleuseraffäre restlos aufgeklärt sein, teilte der Sprecher mit. Man könne nie wissen, ob die „Nadel im Heuhaufen“ nach fünf oder nach 200 Tagen gefunden werde. Nähere Angaben zum Zeithorizont bis zu einem Gerichtsprozess könne er seriöserweise nicht machen. Die Pressestelle der Staatsanwaltschaft werde bis dahin auch keine „Wasserstandsmitteilungen“ machen. „Jetzt geht’s erstmal an die Auswertung“, so der Sprecher.

In allen genannten Fällen gilt die Unschuldsvermutung.



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