Venezuela: Gedenken an die Toten – Caracas steht still

Erstmals seit Ausbruch der Proteste in Venezuela bleibt eine Großkundgebung friedlich. Inmitten der dramatischen Staatskrise wittern die Gegner der Sozialisten Morgenluft. Die Opposition beruft sich schon auf Nelson Mandela.
Titelbild
Zu Ehren der Menschen, die während den Demonstrationen und Unruhen im Land getötet wurden, trägt eine Frau eine weiße Rose.Foto: Fernando Llano/dpa
Epoch Times23. April 2017

Erstmals seit Wochen haben Zehntausende Menschen im sozialistischen Venezuela ohne massive Behinderung durch Tränengas gegen Präsident Nicolás Maduro demonstrieren können.

Nachdem Demonstrationszüge zuvor reihenweise gestoppt worden waren, konnten Anhänger der Opposition am Samstag wie geplant zum Sitz der Bischofskonferenz marschieren – es war ein Trauermarsch für die bisher 21 Toten, die bei Protesten und Plünderungen getötet worden waren. Viele Menschen kleideten sich für den Schweigemarsch ganz in weiß und trugen weiße Rosen.

Überall waren die Straßen dicht gesäumt, ein Polizist mit Gasmaske streichelte den Kopf einer alten Frau, die Gewaltfreiheit anmahnte. Erstmals seit Ausbruch der Proteste Anfang April genehmigte die Polizei die geplante Route und hielt sich zurück. Die Opposition will am Montag wieder mit Hunderttausenden „richtig“ demonstrieren.

Seit dem Ausbruch der Proteste am 4. April seien mindestens 1289 Menschen festgenommen worden, teilte die Organisation Foro Penal Venezolano mit. Foro Penal ist ein Zusammenschluss von 200 Anwälten, die sich um Gefangene kümmern.

Die Opposition, die Ende 2015 die Parlamentswahl klar gewonnen hatte, fordert freie Wahlen und ein Ende der Präsidentschaft von Nicolás Maduro, dem sie die Vorbereitung einer Diktatur vorwerfen. Weitere Forderungen sind: die Freilassung von politischen Gefangenen wie des einflussreichen Oppositionspolitikers Leopoldo López; Achtung der Entscheidungen des Parlaments; sowie ein humanitärer Korridor, um die Menschen mit Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen.

„Es scheint immer unmöglich, bis es getan ist“, zitierte am Samstag Oppositionsführer Henrique Capriles den südafrikanischen Nationalhelden Nelson Mandela, der einst friedlich für die Überwindung der Apartheid gekämpft hatte. Capriles, der 2013 nur knapp gegen Maduro verloren hatte, war vor wenigen Tagen von einer Behörde wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in dem von ihm regierten Bundesstaat Miranda für 15 Jahren von der Kandidatur bei Wahlen ausgeschlossen worden – er will diese Entscheidung aber anfechten.

Wegen der zeitweisen Entmachtung des Parlaments erlebt das Land die heftigsten Proteste seit 2014 – damals starben 43 Menschen. Der Staat mit den größten Ölreserven der Welt (fast 300 Milliarden Barrel – ein Barrel entspricht 159 Liter) ist seit dem Fall des Ölpreises in die tiefste Krise seiner Geschichte gerutscht. Es wird kaum noch etwas produziert; auch die Ölförderung ist eingebrochen. Wegen der Bedienung der milliardenschweren Auslandsschulden und der höchsten Inflation der Welt können kaum noch Lebensmittel und Medikamente importiert werden, die in Euro oder Dollar zu bezahlen sind.

2016 brach die Wirtschaftsleistung um 18 Prozent ein, die Inflation könnte in diesem Jahr bei über 700 Prozent liegen. Rund 95 Prozent der Staatseinnahmen macht der Ölexport aus – in Zeiten niedriger Preise erweist sich diese Abhängigkeit für Venezuela als fatal.

Mit den Ölmilliarden wurde unter dem 2013 verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez eine Umverteilungspolitik zugunsten der Armen eingeleitet, deren Leben sich dank Sozialleistungen spürbar verbesserte. In diesen Schichten ist der Rückhalt für die Sozialisten immer noch hoch. Ebenso hält das Militär als Schlüsselfaktor bisher zu Maduro.

Venezuelas Vizepräsident Tareck El Aissami rief das Volk zur „maximalen Mobilisierung“ gegen einen möglichen Putsch auf: „Die Rechte ist voller Hass, sie erzeugt eine neue terroristische Spirale, ein Komplott mit Verbrechen, sie benutzen kriminelle Banden, um ein friedliches Volk zu attackieren.“ Auch von Seiten der gegen die Regierung demonstrierenden Menschen wird zunehmend Gewalt eingesetzt, immer wieder fliegen Molotowcocktails und es brennen Barrikaden.

Parlamentspräsident Julio Borges meinte mit Blick auf die Bewaffnung von 500.000 Milizen und die Brandmarkung der Demonstranten als Terroristen, Maduro sei allein verantwortlich für die Eskalation. Die Regierung verhindere, dass das Volk an den Urnen entscheide. Die Opposition rief das Militär zum Bruch mit Maduro auf. „Gehen Sie nicht mit der Titanic Maduros unter“, appellierte Parlaments-Vizepräsident Freddy Guevara an die Adresse von Verteidigungsminister Vladimir Padrino. (dpa)

Menschen heben bei dem Schweigemarsch in Caracas die Hände. Trotz der Sperrung vieler Metrostationen und Zufahrtsstraßen hatten sich Tausende in der Hauptstadt versammelt. Foto: Fernando Llano/dpa

Menschen heben bei dem Schweigemarsch in Caracas die Hände. Trotz der Sperrung vieler Metrostationen und Zufahrtsstraßen hatten sich Tausende in der Hauptstadt versammelt. Foto: Fernando Llano

Konfrontation: Am Rande des Marsches in Caracas schreit eine Frau Polizisten an. Foto: Ariana Cubillos/dpa

Konfrontation: Am Rande des Marsches in Caracas schreit eine Frau Polizisten an. Foto: Ariana Cubillos

Gedenken an die Toten: Eine Frau "weint" in den Farben der venezolanischen Fahne. Foto: Ariana Cubillos/dpa

Gedenken an die Toten: Eine Frau „weint“ in den Farben der venezolanischen Fahne. Foto: Ariana Cubillos

Ein Mann trägt das Bild eines Demonstranten, der zwei Tage zuvor nach Protesten im Westen Venezuelas an seinen Verletzungen starb. Foto: Ariana Cubillos/dpa

Ein Mann trägt das Bild eines Demonstranten, der zwei Tage zuvor nach Protesten im Westen Venezuelas an seinen Verletzungen starb. Foto: Ariana Cubillos



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