Deutschland als neues Zentrum der islamischen Gülen-Bewegung
Schon seit Jahren ist die islamische Gülen-Bewegung in Deutschland mit Schulen, Vereinen und Nachhilfezentren aktiv.
Seit dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei im Juli 2016 gibt es vermehrt Hinweise, dass die umstrittene Organisation die Bundesrepublik zu ihrem neuen Zentrum erkoren hat. Wegen ihrer Verfolgung durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sind hunderte Mitglieder nach Deutschland geflohen, von wo aus sie nun ihre bedrängten Brüder und Schwestern in aller Welt unterstützen.
Da sich die Institutionen der Bewegung nicht direkt zum islamischen Prediger Fethullah Gülen bekennen, der in den USA im Exil lebt, kann nur indirekt auf ihre Zugehörigkeit geschlossen werden. Laut Medienberichten gehören rund zwei Dutzend staatlich anerkannte Privatschulen in Deutschland dazu sowie rund 150 Nachhilfezentren und etwa 300 Vereine. In fast allen deutschen Großstädten soll sie zudem Wohnheime für Studenten, sogenannte Lichthäuser, unterhalten.
Kritiker werfen der Bewegung vor, trotz ihres betont säkularen Auftretens eine autoritär geführte Sekte zu sein, die einen konservativen Islam vertritt. Seit Jahren gibt es kritische Fragen zu ihren Aktivitäten in Deutschland und Appelle an die deutschen Behörden, die Strukturen, Finanzierung und Ziele der frommen Bruderschaft unter die Lupe zu nehmen. Überwiegend bleibt die Einschätzung der Bewegung in der politischen Öffentlichkeit aber positiv.
Viele Deutsche sehen sie noch immer als moderate Bewegung für Dialog und Bildung, die zu Unrecht verfolgt wird. Selbst der Präsident des Bundesnachrichtendiensts (BND), Bruno Kahl, bezeichnete sie im März 2017 als „zivile Vereinigung zur religiösen und säkularen Weiterbildung“. Dabei macht nicht nur Ankara sie für den Putschversuch verantwortlich. Auch die türkische Opposition und viele Experten sehen sie kritisch.
Die türkische Regierungspartei AKP war lange mit der Gülen-Bewegung verbündet, und bei Besuchen in Deutschland setzte sich Erdogan wiederholt für die Eröffnung „türkischer Schulen“ ein. Seitdem sich Erdogan und Gülen 2013 über die Verteilung der Macht zerstritten haben, gerät die Gülen-Bewegung aber auch in Deutschland unter Druck. Besonders seit dem Putschversuch sind viele Eltern auf Distanz gegangen und haben ihre Kinder von den Schulen genommen.
Zugleich sind seit 2016 hunderte Gülen-Anhänger vor der Verfolgung in der Türkei nach Deutschland geflohen. Laut der türkischen Regierung halten sich auch die Staatsanwälte Zekeriya Öz und Celal Kara in Deutschland auf sowie der Theologe Adil Öksüz, der eine führende Rolle bei dem Putschversuch gespielt haben soll. Ankara dringt auf ihre Auslieferung, doch geben die deutschen Behörden an, keine Kenntnis über ihren Aufenthalt zu haben.
Von Deutschland aus setzt sich die Bewegung auch für ihre bedrängten Mitglieder in der Welt ein. So übernahm im März 2017 ein Berliner Bildungsverein mehrere Schulen der Bewegung in Äthiopien, die die staatliche türkische Maarif-Stiftung unter ihre Kontrolle zu bringen versuchte. Medienberichten zufolge haben auch etliche Lehrer von Gülen-Schulen außerhalb der Türkei, denen die Ausweisung in ihre Heimat drohte, in Deutschland Asyl erhalten.
Die Haltung der Bundesregierung bleibt ambivalent. In einem internen Bericht warnte die Botschaft in Ankara im Februar 2018 laut dem „Spiegel“, die Bewegung arbeite an der „gezielten Unterwanderung staatlicher Strukturen“, und ihr „konspirativer Teil“ zeichne sich durch „strikte Hierarchien“ aus. Ende November berichtete das Nachrichtenmagazin aber, die Regierung stelle zehn Millionen Euro für das Berliner Mehr-Religionen-Projekt House of One bereit. Mit beteiligt: die Gülen-Bewegung. (afp)
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