Frankreich erklärt Islamischem Staat den Krieg – Was geschah am 13. November?
Erste Spuren weisen nach Belgien. Womöglich wollten die Attentäter sogar ein noch größeres Blutbad anrichten. Nach einem Bericht des „Wall Street Journal“ könnte ein Anschlag auf das mit knapp 80 000 Fans besetzte Stadion versucht worden sein, in dem die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gegen Frankreich spielte.
Der französische Präsident François Hollande sprach von einem „Kriegsakt“ des IS und kündigte „angemessene Entscheidungen“ an. Premierminister Manuel Valls sagte am Samstagabend dem Sender TF1: „Ja, wir sind im Krieg.“ Frankreich werde handeln, um diesen Feind zu zerstören. „Wir ergreifen daher außergewöhnliche Maßnahmen. Und diesen Krieg werden wir gewinnen“, schrieb Valls auf Twitter.
Im Internet war eine zunächst nicht verifizierbare Erklärung aufgetaucht, in der sich der IS zu den Anschlägen von Freitagabend bekennt. Darin hieß es: „Eine treue Gruppe der Armee des Kalifats (…) griff die Hauptstadt der Unzucht und Laster an.“ Frankreich wird außerdem angedroht: „Dieser Überfall ist nur der erste Tropfen Regen und eine Warnung.“
Der Pariser Staatsanwalt François Molins sagte, die Terroristen hätten bei ihren Taten Syrien und Irak erwähnt. In beiden Ländern beherrscht der IS große Gebiete. Frankreich fliegt Angriffe gegen Stellungen der Extremisten. Das Weiße Haus teilte mit, Sicherheitsberater von Präsident Barack Obama sähen nichts, was der französischen Einschätzung widersprechen würde, dass der IS für die Terrorserie verantwortlich sei.
Bei den etwa eine halbe Stunde andauernden Anschlägen stimmten sich mehrere Terror-Teams ab. „Wahrscheinlich sind es drei koordinierte Teams von Terroristen, auf die diese Barbareien zurückgehen.“ Sieben Terroristen seien gestorben, sechs davon hätten sich in die Luft gesprengt. Der siebte wurde erschossen. Zunächst war von acht getöteten Angreifern die Rede gewesen. Sie benutzten Sturmgewehre des Typs Kalaschnikow. Außerdem hätten sie die absolut gleiche Art von Sprengstoffwesten getragen, sagte Molins – „darauf ausgelegt, ein Maximum an Opfern zu erzeugen durch den eigenen Tod“.
Allein in der Konzerthalle „Bataclan“ richteten sie ein Massaker mit mindestens 80 Toten an. Der Vater und der Bruder eines Attentäters aus dem Veranstaltungsort wurden am Samstagabend in Gewahrsam genommen, wie die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Ermittlungskreise meldete. Der Bruder des 29-jährigen Attentäters lebt demnach in einem Ort südlich von Paris, der Vater gut 100 Kilometer weiter östlich.
Vier Tote gab es am Stadion Stade de France. In dessen Nähe gab es demnach drei Explosionen. Nach Informationen des „Wall Street Journal“ soll mindestens ein Täter ein Ticket für das Spiel gehabt haben. Er sei von einem Ordner beim Sicherheitscheck aufgehalten worden, berichtet die Zeitung (Online) unter Berufung auf einen anderen Ordner und einen Polizisten. Bei dem Mann sei etwa eine Viertelstunde nach Spielbeginn am Stadioneingang eine Sprengstoffweste entdeckt worden. Bei der Flucht habe der Mann den Sprengsatz zur Explosion gebracht. Der Polizist vermute, dass der Angreifer den Sprengstoff im Stadion zünden wollte. Ziel sei vermutlich eine Massenpanik gewesen.
Die Anschläge sind die schlimmste Terrorserie in Europa seit mehr als zehn Jahren. Im März 2004 waren bei mehreren Anschlägen auf Züge in Madrid 191 Menschen getötet und annähernd 2000 verletzt worden – auch diese Anschläge gingen auf das Konto islamistischer Terroristen.
Die Anschläge von Paris ereigneten sich nur zehn Monate nach dem Attentat auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“. Das Auswärtige Amt hatte zunächst keine Gewissheit, ob unter den Opfern auch Deutsche sind.
In Belgien wurden bei einer Razzia der Polizei im Brüsseler Stadtteil Molenbeek mehrere Menschen festgenommen. Einer soll am Freitagabend in der französischen Hauptstadt gewesen sein. Details nannte die Staatsanwaltschaft nicht. Die Pariser Behörden hätten in vier konkreten Fällen um Amtshilfe gebeten. Unter anderem sei es dabei um Informationen zu einem in Belgien angemeldeten Mietwagen gegangen, der in der Nähe des Pariser „Bataclan“ gefunden wurde.
Bei einem der Attentäter von Paris wurde ein syrischer Pass gefunden, berichtete die AFP unter Berufung auf Polizeikreise. Nach offiziellen Angaben aus Athen soll er Anfang Oktober als Flüchtling aus der Türkei nach Griechenland gekommen sein. Durch welche anderen Länder er weiterreiste, war nicht bekannt, wie das Athener Ministerium für Bürgerschutz mitteilte.
Wie der staatliche griechische Rundfunk (ERT) unter Berufung auf Kreise der Polizei weiter berichtete, könnte auch ein zweiter Mann, der an den Terroranschlägen beteiligt gewesen sein soll, aus der Türkei nach Griechenland in die EU eingereist sein. Eine offizielle Stellungnahme dazu lag jedoch am späten Abend nicht vor.
Staats- und Regierungschefs in aller Welt richteten sich auf einen verstärkten Kampf gegen den Terror ein. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte dem Nachbarland „jedwede Unterstützung“ zu. US-Präsident Barack Obama verurteilte die Anschläge als „abscheulichen Versuch“, die Welt zu terrorisieren. „Wir werden tun, was immer auch getan werden muss, um diese Terroristen zur Verantwortung zu ziehen.“ Syriens Machthaber Baschar al-Assad machte indes den Westen für die Ausbreitung des Terrors mitverantwortlich.
Die deutschen Behörden gehen nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit Hochdruck möglichen Bezügen nach Deutschland nach. Der CDU-Politiker verwies auf den Fall eines 51 Jahre alten Autofahrers, der möglicherweise auf dem Weg nach Paris vor gut einer Woche in Oberbayern mit einem großen Waffen-Arsenal aufgeflogen war. Der Fall werde gerade aufgeklärt, betonte der Minister nach einer Krisensitzung im Kanzleramt. „Es gibt einen Bezug nach Frankreich, aber es steht nicht fest, ob es einen Bezug zu diesem Anschlag gibt.“ De Maizière betonte, die Lage sei ernst: „Auch Deutschland steht unverändert stark im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus.“
Die großen Industrie- und Schwellenländer (G20) wollen bei ihrem Gipfel am Sonntag in der Türkei ebenfalls Front gegen den Terrorismus machen. Der türkische Staatspräsident und G20-Gastgeber Recep Tayyip Erdogan forderte einen internationalen Konsens dafür. Der Gipfel findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen im Küstenort Belek nahe Antalya statt. 12 000 Sicherheitskräfte sind im Einsatz.
(dpa)
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