Lawrow: Kampfjet-Abschuss war „geplante Provokation“ – Ex-DDR-Topagent „Topas“ analysiert Ankara
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat den Abschuss eines russischen Kampfjets nahe der syrisch-türkischen Grenze als "geplante Provokation" der Türkei bezeichnet. "Wir haben ernste Zweifel daran, dass das unbeabsichtigt war", sagte Lawrow am Mittwoch in Moskau, meldete die Nachrichtenagentur DTS. Auch Alexej Puschkow, Chef des Auswärtigen Ausschusses des russischen Parlaments, betonte jetzt, der Angriff der Türkei habe "wohlüberlegt und bewusst" stattgefunden. Premierminister Dmitrij Medwedew sprach von "verbrecherischen Taten der türkischen Regierung". Das Vorstandsmitglied der Kreml-Partei "Einiges Russland", Franz Klinzewitsch, sagte, dass die türkische Luftwaffe "nur auf den passenden Moment gewartet" hätte, um "ein russisches Flugzeug abzuschießen".
Russland werde nach dem Abschuss nun aber keinen Krieg gegen das Nato-Mitglied Türkei führen, so Lawrow weiter. Premier Medwedew kündigte allerdings Konsequenzen für türkische Konzerne an.
Erdogan Doppelzüngigkeit vorgeworfen
Auch die Öffentlichkeit in Russland ist empört. Viele der Moskauer Zeitungen werfen Erdogan Doppelzüngigkeit vor. Dabei beriefen sie sich auf einen Vorfall aus dem Jahr 2012, als ein türkisches Flugzeug von Syrien abgeschossen wurde. Erdogan protestierte damals scharf: Eine "kurzfristige Verletzung der Grenze darf niemals Vorwand für einen Angriff sein", erinnert der "Spiegel" in einem Beitrag. Die Moskauer Tageszeitung "Komersant" kommentierte, dass Erdogan "sein wahres Gesicht gezeigt" habe. Er hoffe, dass die Spannungen zwischen Russland und der Nato eskalieren werden. Ein mögliches Ziel dessen könnte der Hollande-Besuch bei Putin Ende der Woche sein, um eine Allianz gegen den IS zu schmieden. Eine große russische Zeitung, die "Moskowskij Komsomolez" schrieb sogar von einem Hinterhalt, in dem die türkischen Jäger gelauert hätten.
Dass die wenigen Sekunden im türkischen Luftraum der einzige Grund für den Abschuss gewesen seien, wird jetzt immer mehr angezweifelt. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu konnte seinen Unmut über das russische Vorgehen in Syrien kaum verbergen. In einem Statement nach dem Abschuss sagte der Premier: "Statt das Feuer in Syrien zu löschen, lässt Russland es über Araber, Kurden und Turkmenen regnen." Damit bezog er sich wohl auf russische Angriffe gegen turkmenische Rebellen in Syrien, die von der Ankara-Regierung als "Brudervolk" bezeichnet werden. Davutoglu hatte deswegen angekündigt, die türkischen Streitkräfte seien "instruiert, Vergeltung zu üben, falls die Sicherheit der Grenzen der Türkei gefährdet sei", so der "Spiegel" weiter.
Die Frage nach dem Sinn
Bei der ganzen Angelegenheit sind einige Fragen im Raum, die bisher nicht beantwortet sind. Zum einen könnte man fragen, warum ein russischer Jet unbedingt über türkisches Gebiet fliegen musste. Zum anderen steht sicherlich die Frage nicht unberechtigt da, ob diese wenigen Sekunden Grund genug für einen Abschuss und damit einen ernsten Krisenfall waren. Ebenso merkwürdig scheint die Sachlage, dass die Militärbasis, auf der sich der gerettete Co-Pilot befindet, mit einem zusätzlichen Raketensystem bewacht werden muss.
Ehemaliger DDR-Topagent analysiert Ankara
Am 20. November wurde der russische Botschafter in Ankara einbestellt. Das Außenministerium der Türkei protestierte wegen der russischen Angriffe im syrischen Grenzgebiet zur Türkei und forderte deren sofortiges Ende, sonst müsse Moskau mit "schwerwiegenden Konsequenzen" rechnen, meldete RT, basierend auf einem Gastbeitrag des ehemaligen DDR-Topspions Rainer Rupp. Immer wieder forderte die Türkei eine Flugverbotszone in der Grenzregion, die jedoch selbst von den USA stets abgelehnt wurde. Rupp hinterfragte den Alleingang der Türkei bezüglich einer möglichen US-Rückendeckung.
Nach Ansicht des Ex-Geheimagenten könnte dies sogar mit einem Wandel des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Europa und einer Annäherung an Russland nach den Paris-Anschlägen zu tun haben. Selbst der US-Präsident Obama und sein Außenminister Kerry schienen diese Veränderung gut zu heißen, was einigen Kriegstreibern im amerikanischen Kongress, Pentagon und Geheimdienst Kopfzerbrechen bereitet haben dürfte.
Dies würde auch Moskau wissen, weshalb es seinen Außenminister Lawrow am Mittwoch nach Ankara schicke. Nach Rupps Verständnis sollten jetzt alle einen kühlen Kopf bewahren und nicht aus falschverstandener Bündnistreue eine verantwortungslose Abenteuer-Politik in Ankara unterstützen. Artikel 5 der NATO-Charter bedeutet nicht automatische Beistandspflicht. Wenn zum Beispiel ein Mitgliedsland ein anderes Land zuerst angreift, dann kann es sich nicht unter dem NATO-Beistandsmantel verstecken.
Kurz und knapp…
Am Dienstag war ein russisches Kampfflugzeug nahe der türkisch-syrischen Grenze abgeschossen worden. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums habe der Militärjet den türkischen Luftraum nicht verletzt und sei über syrischem Staatsgebiet abgeschossen worden. Die türkische Luftwaffe teilte ihrerseits mit, dass die Besatzung des Kampfflugzeugs vor dem Abschuss mehrfach gewarnt worden und dass die Maschine in den türkischen Luftraum eingedrungen sei. Russland geht derzeit ebenso wie zahlreiche andere Länder, darunter die USA und Frankreich, mit Luftangriffen gegen den "Islamischen Staat" (IS) in Syrien vor. (sm)
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