Erfolgreiche Massenproteste: Boliviens Präsident Morales erklärt Rücktritt
Nach landesweiten Massenprotesten gegen seine umstrittene Wiederwahl hat Boliviens Staatschef Evo Morales am Sonntag seinen Rücktritt verkündet. „Ich verzichte auf mein Präsidentenamt“, sagte Morales am Sonntag im Fernsehen. Kurz zuvor hatte er den Rückhalt der Führung von Armee und Polizei verloren, die den linksgerichteten Staatschef ebenso wie die Opposition zum Rücktritt aufforderten, obwohl er am Sonntag erstmals Neuwahlen versprach.
Angesichts zunehmender Gewalt bei den Protesten, einer Serie von Rücktritten im eigenen Lager und massiven Vorwürfen von Wahlbetrug blieb Morales am Ende nur der Rücktritt. Nach der Ankündigung des 60-jährigen Dauer-Präsidenten strömten tausende Menschen auf die Straßen der Hauptstadt La Paz, schwenkten die bolivianische Fahne und feierten den Abgang von Morales mit Böllern. Der frühere Koka-Bauer war seit 2006 in Bolivien an der Macht.
Im Oktober war er für eine vierte Amtszeit angetreten. Boliviens Verfassung hätte eine weitere Kandidatur des Präsidenten eigentlich nicht zugelassen, das Verfassungsgericht gestand Morales 2017 aber das Recht auf eine weitere Amtszeit zu. Die Präsidentschaftswahl vom 20. Oktober war hochumstritten, das offizielle Ergebnis wurde von der Opposition wegen Vorwürfen des Wahlbetrugs nicht anerkannt.
Zuletzt hatte am Sonntag auch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wegen weitverbreiteter, schwerwiegender Unregelmäßigkeiten gefordert, die Wahl für ungültig zu erklären. In einem vorläufigen OAS-Bericht hieß es, in beinahe jedem untersuchten Bezirk habe es Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauszählung gegeben. Die „Manipulationen“ bei der Wahl seien derart schwerwiegend, dass sie vom bolivianischen Staat eingehend untersucht werden müssten.
Morales kündigte daraufhin Neuwahlen an, zudem sollten alle Mitglieder des Obersten Wahlgerichts ausgetauscht werden. Er machte allerdings weder Angaben zum Zeitpunkt der Wahlen noch dazu, ob er selbst wieder antreten wolle.
Morales‘ Herausforderer bei der Wahl, Carlos Mesa, forderte daraufhin den Rücktritt des Staatschefs, wenn dieser „noch einen Funken Patriotismus“ habe. Auch einer der Anführer der Protestbewegung, Luis Fernando Camacho, forderte dies. Bürgerkomitees, die der Protestbewegung Auftrieb verliehen hatten, forderten, dass sowohl Morales als auch Mesa bei Neuwahlen nicht mehr antreten sollten.
Anschließend überstürzten sich die Ereignisse: Zwei Minister und der Parlamentspräsident traten zurück, nicht zuletzt weil es bei den Protesten zu Gewalttätigkeiten gegen Familienangehörige der Politiker kam. Dann wandte sich auch noch die Armee- und Polizeiführung von Morales ab. Der Präsident solle zurücktreten, um eine „Befriedung“ des durch Massenproteste erschütterten Landes und den „Erhalt der Stabilität“ zu ermöglichen, sagte Armeechef Williams Kaliman.
Bei den wochenlangen Protesten infolge der Präsidentschaftswahl waren drei Menschen ums Leben gekommen, mehr als 380 weitere wurden verletzt. Zuletzt spitzte sich die Lage in dem südamerikanischen Land von Stunde zu Stunde zu.
Schließlich verkündete Morales seinen Rücktritt – von seiner Heimatregion Cochabamba in Zentralbolivien aus. Er war der erste indigene Präsident eines lateinamerikanischen Landes. In Bolivien, einem der ärmsten Länder der Region, in dem 62 Prozent der Bevölkerung indigener Abstammung sind, war Morales zu Beginn seiner ersten Amtszeit als Unterstützer und Förderer der unteren Gesellschaftsschichten hoch angesehen.
In den sozialen Netzwerken wurde am Sonntag darüber spekuliert, ob Morales sich ins Ausland absetzen würde. Die linksgerichteten, mit Morales lange verbündeten Regierungen in Kuba und Venezuela verurteilten die Vorgänge in Bolivien nachdrücklich und sprachen von einem „Staatsstreich“. (afp)
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