„Einzelgängerischer“ Imam womöglich Kopf der Terrorzelle in Katalonien
In einer kleinen katalanischen Stadt am Fuße der Pyrenäen hat er gewohnt, unauffällig, eher einzelgängerisch: Imam Abdelbaki Es Satty soll der Kopf der Terrorzelle gewesen sein, die vergangene Woche die verheerenden Anschläge in Barcelona und Cambrils verübte. Im katalanischen Ripoll radikalisierte er womöglich die jungen Männer, die 15 Menschen töteten und mehr als 120 verletzten. Von vielen Menschen in Ripoll wird der Imam aber als „normal“ und „zurückhaltend“ beschrieben.
Idyllisch wirkt das katalanische Städtchen rund 90 Kilometer nördlich von Barcelona. Von Es Sattys Wohnung aus sind rote Ziegeldächer zu sehen, die Bäume an den Hängen der Pyrenäen. Die günstige Zwei-Zimmer-Wohnung teilte sich der Imam seit vier Monaten mit dem 45-jährigen Nordeen El Haji. Dem Mitbewohner zufolge war der Imam recht verschlossen: „Er hat wenig gesprochen, war oft mit seinem Computer in seinem Zimmer und hatte ein altes Mobiltelefon ohne Internet, nur sehr wenige Bücher.“
Am Dienstagmorgen sagte Es Sattys laut seinem Mitbewohner, er fahre in sein Heimatland Marokko in Urlaub. Seitdem ist der Imam verschwunden und wird von der Polizei gesucht. In der Wohnung liegt noch der Durchsuchungsbefehl, er ist auf vergangenen Freitag datiert. Nur Stunden zuvor waren die Anschläge mit einem Lieferwagen und einem Auto in Barcelona und Cambrils verübt worden.
Die mutmaßlich zwölfköpfige Terrorzelle soll von Ripoll und vom 300 Kilometer südlich gelegenen Alcanar aus agiert haben. Ob Es Satty für die Radikalisierung der jungen Männer verantwortlich war, die fast alle Marokkaner so wie er waren, ist noch nicht abschließend geklärt. In der Nachbarschaft des etwa 40-Jährigen gehen die Meinungen dazu auseinander.
Mohamed Akhayad, ein 26-jähriger marokkanischer Elektrotechniker, war Besucher des Gebetssaals, in dem Es Satty predigte. Er beschreibt ihn als „ganz normal in der Öffentlichkeit“. „Falls er die Jugendlichen vollgequatscht hat, muss er es heimlich gemacht haben, an einem geheimen Ort“, sagt Akhayad. Auch laut seinem Mitbewohner hatte Es Satty in den vergangenen vier Monaten zumindest in seiner Wohnung keinen Besuch der Jugendlichen bekommen.
Ein Marokkaner im Ort hingegen beschreibt den Imam als „sehr einzelgängerisch“ und gibt an, er hätte mehr mit den Jugendlichen unternommen als mit Menschen seines eigenen Alters. Seit der Imam vor zwei Jahren nach Ripoll gekommen sei, habe es dort einen „Wandel“ gegeben, sagte ein anderer. Und der 64-jährige Katalane Francesc Gimeno versichert, der Imam sei als „islamistisch“ bekannt gewesen.
Pläne für die Anschläge sollen in jedem Fall nicht nur in Ripoll geschmiedet worden sein: Auf einem Anwesen im katalanischen Alcanar sollen die Verdächtigen mindestens 120 Gasflaschen für „einen oder mehrere Anschläge“ in Barcelona angesammelt haben, wie es von der Polizei hieß. In der Nacht zum Donnerstag gab es dort eine vermutlich ungeplante Explosion, die zwei Menschen tötete, darunter womöglich Es Satty.
Eine Nachbarin des Anwesens in Alcanar sagte der Nachrichtenagentur AFP, seit April hätten sich vier Männer immer mal wieder in dem Haus aufgehalten. „Sie waren sehr diskret. Die Rolläden waren zu, es gab keine Musik, keine Kinder, keine Frauen“, erzählt sie. Die Männer sollen Französisch gesprochen haben.
Der Imam war in den vergangenen zwei Jahren nicht nur in Marokko, sondern auch in Belgien, wo er Anfang 2016 drei Monate lang in Machelen bei Brüssel wohnte. Auch in Frankreich soll er gewesen sein. In Belgien und Frankreich stand der Imam laut der Zeitung „El País“ möglicherweise in Kontakt mit Mitgliedern der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS).
Der Polizei war der Imam laut der Zeitung „El Mundo“ bekannt. Er soll wegen Drogenhandels im Gefängnis gewesen sein und sich dort mit einem Häftling angefreundet haben, der 2004 an dem islamistischen Anschlag auf Vorortzüge in Madrid mit 191 Toten beteiligt war. (afp)
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