Doch keine EU-Sanktionen? Erdogan droht EU mit Abschiebung von noch mehr IS-Anhängern
Angesichts geplanter EU-Sanktionen hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan damit gedroht, mehr Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nach Europa zu schicken. Die Türkei habe bereits damit begonnen, sagte Erdogan vor seinem Abflug in die USA in Ankara.
„Ihr mögt das auf die leichte Schulter nehmen. Aber diese Türen können sich öffnen“, sagte Erdogan. „Dann könnt Ihr sehen, wie Ihr zurechtkommt“. Die EU sollte ihre Haltung gegenüber einem Land überdenken, das die Kontrolle über zahlreiche IS-Mitglieder in der Türkei und in Syrien habe. Zudem drohte Erdogan erneut, Migranten nach Europa zu schicken.
Erdgasbohrungen vor Zypern
Hintergrund der Äußerungen Erdogans war eine Frage nach EU-Sanktionen wegen türkischer Erdgasbohrungen vor Zypern. Die EU betrachtet diese als rechtswidrig. Sie machte am Montag den Weg für neue Strafmaßnahmen frei. Ankara weist die Vorwürfe illegaler Bohrungen zurück.
Auslöser dieses Streits ist die Teilung der Insel Zypern. Die Türkei hält den Norden von Zypern seit 1974 besetzt. Dort liegt die – nur von der Türkei anerkannte – Türkische Republik Nordzypern. Die gesamte Insel hingegen wird als Republik Zypern international anerkannt. Sie ist seit 2004 EU-Mitglied.
Erste Abschiebung diese Woche
Die Türkei hat mehr als 3,6 Millionen Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien aufgenommen. In dieser Woche schiebt die Türkei erstmals deutsche mutmaßliche IS-Anhänger in die Bundesrepublik ab. Erdogan sagte, Europa sei angesichts der Rückführungen in „erheblicher Aufregung und Panik“.
Die Türkei hatte am 9. Oktober eine Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien begonnen, die sie als Terrororganisation betrachtet.
Dabei wurden nach offiziellen Angaben 287 IS-Anhänger festgenommen, darunter Frauen und Kinder. Nach Angaben Erdogans sitzen derzeit mehr als 1000 Anhänger des IS in türkischen Gefängnissen, darunter 737 ausländische Staatsbürger.
Die von der YPG geführten Syrischen Demokratischen Kräfte SDF bewachen in Nordsyrien Tausende IS-Gefangene. Pro-kurdische Medienaktivisten des Rojava-Informationszentrums sagten der dpa auf Anfrage, die SDF hätten trotz des türkischen Einmarsches noch die Kontrolle über alle IS-Gefangenenlager, außer dem im nordsyrischen Ain Issa.
Nach Angaben der Bundesregierung sollen diese Woche insgesamt zehn Menschen aus der Türkei nach Deutschland überführt werden: Ein Mann, der bereits am Montag ausgeflogen wurde, hat den Angaben zufolge keine Beziehungen ins islamistische Milieu.
Siebenköpfige Familie soll Donnerstag abgeschoben werden
Eine siebenköpfige Familie, die dem salafistischen Milieu im niedersächsischen Hildesheim zugerechnet wird, soll am Donnerstag abgeschoben werden. Sie war im Januar in die Türkei eingereist und im März in Abschiebehaft genommen worden. Über einen Aufenthalt im IS-Gebiet ist nichts bekannt.
Am Freitag sollen dann zwei deutsche IS-Frauen mit Migrationshintergrund kommen, die zuvor im Lager Ain Issa in gefangengehalten worden waren.
Mittelfristig ist auch die Abschiebung von zwei deutschen Konvertitinnen geplant, die ebenfalls aus Ain Issa hatten fliehen können. Zuvor soll jedoch sichergestellt werden, dass die Kinder, die bei ihnen sind, tatsächlich ihre eigenen Kinder – und damit deutsche Staatsbürger – sind.
Auch Frankerich und Irland erwartet IS-Rückkehrer
Neben den Deutschen plant die Türkei die Rückführung von elf französischen und zwei irischen mutmaßlichen IS-Kämpfern. Ein Amerikaner und ein Däne wurden bereits abgeschoben.
Die Bundesregierung weiß aktuell von 133 Erwachsenen aus Deutschland, die sich dem IS angeschlossen haben sollen und sich aktuell in Syrien, im Irak oder in der Türkei aufhalten. Davon sind 95 deutsche Staatsbürger.
Erdogan trifft Trump an diesem Mittwoch in Washington und will mit ihm auch über das Thema Nordsyrien reden. Die Türkei hatte mit Russland als Schutzmacht Syriens und den USA vereinbart, dass sich die YPG-Kämpfer aus dem Grenzgebiet zurückziehen sollen. Erdogan kritisierte am Dienstag erneut, dass das Abkommen aus seiner Sicht nicht eingehalten wurde. (dpa)
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